Superheldin auf Abwegen
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Im Kino hat „Wonder Woman“ weltweit ein großes Publikum begeistert. Das zweite Abenteuer der Heldin mit Superkräften ist in Deutschland erst mal nur als Streaming-Angebot zu sehen. Für Kritiker Markus Dichmann war das nicht die einzige Enttäuschung.
Mit ihrem ersten Auftritt als "Wonder Woman" hat die israelische Schauspielerin Gal Gadot 2017 eindrucksvoll bewiesen, dass auch eine weibliche Superheldin einen Blockbuster zum Erfolg führen kann.
Jetzt bringt Regisseurin Patty Jenkins ein weiteres Kinoabenteuer mit der kämpferischen Amazone heraus, an dem Gadot nicht nur erneut als Hauptdarstellerin mitwirkt, sondern sich auch als Produzentin beteiligt hat
Kinostart ungewiss
"Wonder Woman 1984" startete in den USA allerdings aufgrund der Coronapandemie parallel zur Premiere in den wenigen noch geöffneten Kinos bereits beim Streaming-Anbieter HBO Max. Hierzulande ist der Film ab dem 18. Februar beim Streaming-Anbieter Sky zu sehen.
Dass es in Deutschland überhaupt noch zu einem Kinostart komme, glaube er nicht, sagt der Filmkritiker Markus Dichmann mit Bedauern.
Gleich zu Beginn des Films habe ihn die Sehnsucht nach der großen Leinwand gepackt: Amazonen, die im Gegenlicht den Strand entlang reiten, hätten im Kino sicher imposanter gewirkt. Leider vermöge Wonder Womans neues Abenteuer jedoch auch von der Anlage der Geschichte her nicht recht zu überzeugen.
Männer von gestern
Zu sehr werde ein weiteres Mal auf das Erfolgsrezept des ersten Teils gesetzt. Darin entspann sich die Handlung vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, sodass die auf einer sagenumwobenen Insel aufgewachsene Heldin erst mal eine Weile brauchte, um sich in der Welt der Menschen – und vieler autoritär gestrickter Männer – zurechtzufinden.
Nun setzt auch "Wonder Woman 1984" auf den Reiz eines historischen Settings. Wie der Titel andeutet, spielt der Film in den 1980er-Jahren die Jenkins in Szene gesetzt habe "wie ein Donald-Trump-Wahlkampfvideo", findet Markus Dichmann:
"Alle haben bunte Klamotten und Schulterpolster, die Männer krempeln die Ärmel am Jackett hoch und gehen in die Muckibude, und die Frauen gehen zum Aerobic."
Der Film gewinne diesem Zeitkolorit aber eher plumpe humoristische Momente ab und spekuliere vor allem auf den Effekt, dass die Heldin, indem der Film sie um einige Jahrzehnte zurückversetzt, auf Geschlechterverhältnisse trifft, die aus heutiger Sicht eben gestrig wirken – und Frauen besonders schlecht dastehen lassen.
Diesen durchschaubaren Kniff finde er "ein bisschen feige", sagt Dichmann: "Wonder Woman würde doch in einem kontemporären Kontext viel mehr aussagen, als wenn sie sich gegen den Sexismus des frühen 20. Jahrhunderts oder der 80er-Jahre auflehnt. Ich hätte mir eine Wonder Woman im Hier und Jetzt gewünscht."
Trump-Persiflage als Lichtblick
Abgesehen von gut gemachten Action-Szenen mit einem guten Soundtrack und einer sehr guten Performance von Gal Gadot, die wie bereits im ersten Teil mit Präsenz und Timing in der Titelrolle überzeuge, habe der Film wenig zu bieten. Einzig der Gegenspieler von Wonder Woman, als "Mischung aus Öl- und Medien-Tycoon, der aufs Weiße Haus schielt" unübersehbar als Persiflage auf Donald Trump angelegt, biete einige weitere unterhaltsame Momente.
Markus Dichmann empfiehlt dennoch, im Zweifel lieber auf den nächsten Teil der Saga zu warten. Patty Jenkins, die ein weiteres Mal die Regie übernehmen werde, habe bereits angekündigt, dass Wonder Woman im dritten Anlauf in unserer Gegenwart ankommen wird.
(fka)