Tauziehen muss olympisch werden
Bei den diesjährigen World Games in Breslau wurde die Vielfalt des Sports zelebriert – mit allen Sportarten, die nicht olympisch sind. Zum Beispiel Tauziehen. Dabei birgt dieser Sport echt olympischen Spirit.
Tausziehen muss wieder olympisch werden. War es ja auch schon mal: Von 1900 bis 1920 gehörte es zum olympischen Programm, galt als Teil der Athletik. Danach verlor es vorübergehend an Zugkraft. Erst der 1960 gegründete Weltverband "Tug of War Federation" organisierte ab 1964 wieder Weltmeisterschaften. Das englische "Tug of War" meint wörtlich "kriegerisches Ziehen". Dabei geht es beim Tauziehen wenig martialisch zu. Es ist schlicht ein Spiel, bei dem zwei Mannschaften an den beiden Enden eines Taus ziehen, wobei es gilt, die gegnerische Mannschaft auf die eigene Seite herüberzuziehen.
Eigentlich ein sympathischer Funsport, einer, der sich den Werbe- und Vermarktungsgesetzen im modernen Hochleistungssport konsequent widersetzt: Es gibt keine Zeitmessung, keine Jagd nach Rekorden. Ein Wettkampf, angesiedelt irgendwo zwischen durchaus ernsthaftem Kräftemessen und fröhlicher Volksbelustigung.
Tauziehen als Stammesritual
Seil auf! Spannen! Fertig! Pull! Das Tauziehen wird gemeinhin der Familie der Kraftsportarten zugeordnet. Aber schnell wird klar, dass hier keineswegs rohe Kräfte sinnlos walten. Wer genauer hinschaut, ahnt etwas von den archaischen Elementen, die dieser Disziplin innewohnen.
Ursprünglich war das Tauziehen ein Stammesritual, eines, das den Kampf zwischen Gut und Böse symbolisierte. In einigen Religionen galt es gar als juristische Instanz. Der siegreichen Mannschaft wurde das Recht zugesprochen. Denn: Sie hatte die böse Macht zurückgedrängt.
Aus der Literatur kennen wir eine brutal klingende Variante dieser Kraftprobe. In Brechts "Kaukasischem Kreidekreis" wird zwei Frauen im Streit um ein Kind eine hartes Experiment auferlegt. Dazu lässt der Richter das Kind in einen Kreis stellen und beide Frauen gleichzeitig an der armen Kreatur zerren - zum Beweis der wahren Mutterschaft.
Ursprünglich war das Tauziehen ein Stammesritual, eines, das den Kampf zwischen Gut und Böse symbolisierte. In einigen Religionen galt es gar als juristische Instanz. Der siegreichen Mannschaft wurde das Recht zugesprochen. Denn: Sie hatte die böse Macht zurückgedrängt.
Aus der Literatur kennen wir eine brutal klingende Variante dieser Kraftprobe. In Brechts "Kaukasischem Kreidekreis" wird zwei Frauen im Streit um ein Kind eine hartes Experiment auferlegt. Dazu lässt der Richter das Kind in einen Kreis stellen und beide Frauen gleichzeitig an der armen Kreatur zerren - zum Beweis der wahren Mutterschaft.
Wir wissen, wie dieser Wettbewerb ausging. Als wahrhaft Mütterliche beweist sich nicht die leibliche Kindesmutter, sondern die Amme, die das Kind liebt und es lieber loslässt, als ihm weh zu tun.
Metapher für einen friedlichen Wettstreit
Etwas sportlicher sollte es beim Tauziehen denn aber doch zugehen. Unabdingbar wäre hier in jedem Fall ein Mindestmaß an Motivation der an einem Strang - wiewohl in unterschiedliche Richtung - ziehenden Parteien. Nichts fataler, als wenn niemand zöge: Dann hängt das Seil schlapp in der Mitte.
Das Tauziehen kann gleichsam als Metapher für den friedlichen Wettstreit zwischen rivalisierenden Gruppen gelten. Daran gilt es anzuknüpfen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Das Tauziehen kann gleichsam als Metapher für den friedlichen Wettstreit zwischen rivalisierenden Gruppen gelten. Daran gilt es anzuknüpfen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Vielleicht liegt hier sogar der Schlüssel für die Rettung des Sports. Des modernen Hochleistungssports, der mehr und mehr unter Dopingskandalen, Rekordfixierung und industriellen Materialschlachten ächzt. Not tut eine Rückbesinnung auf seine Wurzeln, das Einfache, Fröhliche, Spielerische: Tauziehen muss wieder olympisch werden!