Sprecherin und Sprecher: Lisa Hrdina und Tonio Arango
Regie: Klaus-Michael Klingsporn
Ton: Andreas Stoffels
Regie: Dorothea Westphal
Die Symbiose von Büchern und Computerspielen
29:45 Minuten
Verlage beauftragen Autorinnen und Autoren damit, Romane zu Computerspielen zu verfassen, und erschließen sich so neue Märkte. Auf der anderen Seite greifen Computerspiele-Entwickler gern auf eine erfolgreiche literarische Vorlage zurück.
Flankiert von fetziger Rockmusik und aufwendigen Soundeffekten landete das Computerspiel "Die Zwerge" Ende 2016 in vielen Haushalten in Deutschland unter dem Weihnachtsbaum. Es basierte auf dem gleichnamigen Fantasy-Roman von Markus Heitz.
"Der Roman ist tatsächlich mehr oder weniger eins zu eins umgesetzt", erzählt der Autor, "weil es eben die klassische Heldenreise ist: Der Held muss losziehen und muss eine Aufgabe erfüllen und erlebt dabei Rückschläge, bekommt dabei Verbündete. Und es gibt natürlich auch einen Endkampf — wie sich das gehört, in jedem Computerspiel, aber auch im Roman."
Was den Autor besonders freute: Durch die Computerspiel-Adaption konnte er neue Leserinnen und Leser für die Romanvorlage gewinnen.
Es muss zum Medium passen
Mit dem Computerspiel zu seinem Roman befindet sich Markus Heitz in prominenter Gesellschaft. Der wohl bekannteste Vorreiter in dieser Hinsicht heißt Tom Clancy. Von dem US-amerikanischen Bestsellerautor wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten gleich mehr als ein halbes Dutzend Thriller zu Video- und Computerspielen verarbeitet. Diese brachten es bis heute weltweit auf rund 150 Millionen verkaufte Exemplare.
Die pauschale Formel "erfolgreiches Buch ist gleich erfolgreiches Computerspiel" will Geschäftsführer Jan Theysen allerdings nicht gelten lassen, wenn er sagt: "Ähnlich wie vielleicht auch im Film ist es auch bei den Computerspielen: Dass es eigentlich nie eine gute Idee ist, ein Buch eins zu eins einfach umzusetzen, weil Bücher, Filme, Computerspiele eben unterschiedliche Medien sind, und man halt dafür sorgen muss, dass es für das eigene Medium passt und funktioniert."
Dass Fans von Computerspielen — die sogenannten Gamer — für Autorinnen, Autoren und Buchverlage als potenzielle Zielgruppe auch hierzulande immer interessanter werden, verdeutlicht ein Blick auf die Zahlen. So tummeln sich heutzutage allein in Deutschland immerhin rund 34 Millionen Menschen in digitalen Spielewelten — Tendenz steigend. Buchverlage könnten also durch Kooperationen mit Gaming-Produzenten zusätzliche Umsätze generieren.
Der Roman zum Game
Die Produktionskosten für die Umsetzung eines Romans in ein Computerspiel sind sehr hoch. Denn involviert sind in solch einem Fall meist Dutzende von Software-Spezialisten. Deshalb entsteht häufig zu einem bereits existierenden Computerspiel der "Roman zum Game". Pionier in diesem Segment — und mit rund 300 Titeln auch Marktführer — ist hierzulande der Stuttgarter Panini Verlag.
Steffen Volkmer, Senior Editor und PR-Manager des Panini Verlags sagt: "Die meisten von den Romanen, die sind tatsächlich so geschrieben, dass man sie auch als tollen Fantasy-, Abenteuer- oder Science-Fiction-Roman lesen könnte. Bei den Games-Romanen ist immer die Frage, welches Spiel im Augenblick gerade besonders angesagt ist", erzählt er weiter. "Also: Es kann sein, dass wir von irgendeinem Games-Roman über längere Zeit überhaupt keine großen Stückzahlen verkauft haben. Dann kommt irgendein Update — und plötzlich gibt es einen Run wieder auf die Romane, selbst auf die älteren."
Der Wunsch nach einem Zusatzcontent
Ein Dauerbrenner ist nach wie vor "World of Warcraft". In den letzten Jahren habe sich auch "Assassin's Creed" zu einem echten Dauerbrenner herauskristallisiert. "Der Gamingbuch-Bereich ist auf jeden Fall ein wachsender Markt", berichtet Jacqueline Wagner. Sie ist Kinder- und Jugendbuch-Lektorin beim S. Fischer Verlag in Frankfurt.
2016 ersteigerte Fischer die Lizenz für eine spezielle "Assassin's Creed"-Jugendbuchreihe. Darüber hinaus hat der Verlag auch Romanadaptionen zu Computerspiele-Bestsellern wie "World of Warcraft" (WOW), "Fortnite" oder "Minecraft" im Programm. Nicht immer handele es sich dabei um offizielle Lizenzausgaben. Häufig werden deutsche Autorinnen und Autoren damit beauftragt, Romane zu einem bestimmten Thema zu schreiben.
Dabei sei vor allem der durch das Buch gebotene Mehrwert wichtig, so Jacqueline Wagner: "Bedeutet: Man achtet sehr stark darauf, dass die Hintergrundgeschichte des Games im Buch noch einmal etwas ausgeweitet wird. Die Leserinnen und Leser möchten dann gerne einen Zusatzcontent haben, den sie nur durch das Game eben nicht hätten."
"Minecraft" bietet kreative Freiräume
Bei den weitaus meisten Romanen, die auf Computerspielen basieren, handelt es sich um englischsprachige Originalausgaben. Doch kommt es immer wieder vor, dass Verlage wie Panini oder S. Fischer auch einheimische Schriftstellerinnen und Schriftsteller damit beauftragen, zu einem erfolgreichen Game einen Roman zu schreiben.
Manch ein Autor, der dieses Genre bedient, veröffentlicht seine Werke auch auf eigene Faust — und ist damit durchaus erfolgreich. So zum Beispiel der Hamburger Karl-Ludwig von Wendt. Er erzählt: "Die Idee hatte ich einfach deswegen, weil ich gesehen habe, wie viele kreative Dinge es um dieses Spiel herum gibt. Was es noch nicht gab, zu dem Zeitpunkt, waren Bücher. Ich glaube, es gab ein oder zwei, tatsächlich, englischsprachige Bücher, aber noch nichts auf Deutsch."
Unter dem Pseudonym Karl Olsberg schreibt Karl-Ludwig von Wendt seit 2013 Romane zum Computerspiel "Minecraft". Im Gegensatz zu grafisch und atmosphärisch extrem aufwendig gemachten Actionspielen kommt "Minecraft" geradezu antiquiert daher. Der wesentliche Reiz des Spiels besteht darin, in einer optisch eher schlicht gehaltenen Umgebung verschiedene Konstruktionen aus meist würfelförmigen Blöcken zu errichten und die "Minecraft"-Welt zu erkunden.
Aus Autorensicht sei das von Vorteil, so von Wendt alias Olsberg: "Weil 'Minecraft' halt eine sehr, sehr offene Spielwelt ist, wo nicht viel festgelegt ist. Es gibt zwar so ein paar grundlegende Dinge, die natürlich in dem Spiel angelegt sind. Aber man kann sich sehr vieles ausdenken. Es ist sehr viel kreativer Freiraum da."
Eine ergänzende Perspektive
"Minecraft" wurde 2009 von der Firma Mojang des schwedischen Game-Entwicklers Markus Persson veröffentlicht. Seitdem hat sich das Spiel über 200 Millionen Mal verkauft. Vier Jahre nach dem Start brachte Karl Olsberg im Eigenverlag seinen ersten Roman zum Spiel heraus.
Der Erfolg hielt sich zunächst allerdings in Grenzen. "Und dann, für mich vollkommen aus heiterem Himmel", erinnert sich der Autor, "war dieses Buch dann plötzlich auf Platz zwei in der Amazon-Verkaufsliste. Und die Erklärung war, dass einer dieser Youtuber, Concraft, dieses Buch entdeckt hatte, darüber ein Video gemacht hat — und plötzlich alle Amazon gestürmt und dieses Buch bestellt haben. Und da erst, also im Nachhinein, habe ich dann gemerkt, wie groß die Power eigentlich ist, wenn man ein Buch mit so einem erfolgreichen Computerspiel verknüpft."
Befürchtungen, dass die Fantasie seiner acht- bis zwölfjährigen Leserinnen und Leser auf diese Weise womöglich eingeschränkt werden könnte, teilt Olsberg nicht. Wie Jacqueline Wagner vom S. Fischer Verlag verweist auch er auf den vermeintlichen Mehrwert seiner Gaming-Romane: "Ich glaube, das, was viele Kinder an meinen Geschichten fasziniert, ist, dass sie eben in diese Welt noch einmal anders eintauchen können. Und ich biete da ja eine Perspektive, die man so in dem Spiel nicht hat. Also, insofern: eine ergänzende Perspektive, wenn man so will."
(dw)