"Worpswede hat Poesie"

Von Susanne von Schenck |
Über Hamburg, mit einem Zwischenstopp in Italien, hat es das Malerehepaar Ina und Markus Landt mit seinen Kindern in das ehemalige Künstlerdorf Worpswede bei Bremen verschlagen. Obwohl alljährlich Tausende Touristen durch den Ort strömen, finden sie hier Ruhe und Inspiration für ihre poetischen Landschaftsbilder, die sie auch auf dem Wochenmarkt verkaufen.
Ina Landt: " Das war mal 'ne Mofawerkstatt und jetzt kommt der Kracher – das war mal das ehemalige Schulklo. "

Und jetzt ist daraus ein Künstleratelier geworden. Mitten in Worpswede, neben der früheren Dorfschule. Eigentlich ein kleiner Raum. Jedenfalls für die großen Farbkompositionen von Ina und Markus Landt: große, tiefblaue Flächen, Moorbilder, mit schmalen, langen Ästen als Rahmen.

Markus Landt: " Die malen wir dann draußen, weil wir da ganz in der Tradition Worpswedes tätig sind. Die ersten Künstler wie Mackensen und Modersohn sind aus den Akademien raus und haben für sich erkannt, Malerei findet nicht in den Akademien statt, sondern draußen. Unter freiem Himmel befindet sich das größte Atelier der Welt. "

Markus Landt, Anfang 40, ist ein wacher Geist, ein theoretischer Denker. Seine Augen blitzen vor allem dann, wenn er von den Veränderungen spricht, die auf die Gesellschaft zukommen müssten: mehr Demokratie, gleiches Grundgehalt für alle. "Kunstrepublik Worpswede – vom Ende aller Halbherzigkeiten" steht über der Ateliertür.

" Die Halbherzigkeit ist das größte Problem der Menschen, also es fängt am Arbeitsplatz an. Geht man aus vollem Herzen zur Arbeit oder nicht, die Frage kann sich jeder mal stellen, "

sagt Ina Landt, Anfang vierzig, eine große, schlanke Frau mit langen, braunen Locken. Schmale Hose, dunkler Pullover.

" Der Künstler hat es da ziemlich einfach, der geht aus vollem Herzen zur Arbeit, und deshalb ist er auch ein schönes Vorbild, was diesen Arbeitsbereich betrifft. Weil, wir interessieren uns für den erweiterten Kunstbegriff, für die Kunst, die sich nicht nur am Bild, an der Wand orientiert, sondern die in die Gesellschaft hineingeht und die Gesellschaft verändert. "

Aber was zieht zwei jüngere Maler in die nordwestdeutsche Provinz? In ein Künstlerdorf, in dem das Durchschnittsalter der dort lebenden Künstler um die 70 Jahre liegt? In einen Ort, der vor allem von seinem Mythos lebt? In den jährlich 270.000 Touristen strömen?

Markus Landt: " Die Licht und Naturschauspiele, wegen derer die Künstler vor hundert Jahren hergekommen sind, von denen profitieren wir auch heute noch. Die sind natürlich hochinspirativ für jeden Maler von den Farben her, und unglaublich poetisch. Worpswede hat eine Poesie, die man sonst so kaum kennt. "

Die Provinz - das ist für Markus und Ina Landt eine Haltung, eine Art, das Leben zu sehen. In der Großstadt Hamburg, aus der sie stammen, wollten sie nicht bleiben. Sie studierten bildende Kunst an der anthroposophischen Kunsthochschule Ottersberg. Ein Stipendium führte die beiden dann nach Italien, wo sie sich mit Pierro della Francesca, einem Maler der Frührenaissance, beschäftigten. Ein Jahr lebten sie in Pennabilli, einem italienschen Künstlerdorf. Dann kamen sie zurück nach Deutschland.

Ina Landt: " Wir kamen aus diesem Künstlerdorf und haben gemerkt, Mensch, so’n Künstlerdorf. Dann haben wir gemerkt: Mensch, wo ist hier so’n Künstlerort und sind natürlich auf Worpswede gekommen und haben gemerkt, das Umfeld ist einfach ein positives. "

Ina und Markus Landt bewohnen ein kleines Haus mitten im Ort. Im Wohnzimmer toben die drei Söhne herum, in der großen Wohnküche stellt Ina Landt Quarkkuchen und eine Kanne Tee auf den Tisch. An den Wänden hängen ihre schönen Radierungen: "Hase" oder "Gräser im Wind", gestochen scharf, voller Schwung und Poesie. Für die großformatigen Bilder hingegen ist in der Wohnung kein Platz.

Ina Landt: " Also, das Wunderbare an uns ist, das unsere großformatige Malerei noch relativ unentdeckt ist. Das genießen wir selber auch sehr, weil dieser Trubel in der Kunstszene – das ist nicht so ganz unser Ding. Unser großes Vorbild ist da der Buena Vista Social Club. Die haben musiziert und haben einfach ein schönes, schlichtes Leben geführt und hatten ihren Auftritt dann noch mal so mit 60, 70, da sind sie rausgekommen. "

Bisher haben Landts ihre Bilder in Italien, Russland und Japan ausgestellt. Und natürlich in Worpswede, im traditionsreichen Haus im Schluh, das die Witwe Heinrich Vogelers bewohnte. Heinrich Vogeler, ein vielseitiger Künstler, ein Sozialutopist, ähnlich wie Markus und Ina Landt, gehörte damals zu den Gründervätern der Künstlerkolonie.

Ina Landt: " Wir gehen hier auch auf den Wochenmarkt mit unseren Bildern, an'ner Wäscheleine, und dann kann man neben dem Gemüse auch Grafik holen, das ist ganz schön, ohne Vernissage, Tam Tam und Eideidei. "

Die originelle Idee ist erfolgreich und garantiert Ina und Markus Landt den Lebensunterhalt für die fünfköpfige Familie. Hinzu kommen Auftragsarbeiten, denn die beiden Maler machen sich mehr und mehr einen Namen. Vom Kunstmarkt halten sie sich aber fern. Sie wollen sich auf das Wesentliche konzentrieren. In Worpswede können sie das.

Markus Landt: " Selbst die "Beatles" haben in einer Garage begonnen – und die Kunstrepublik beginnt halt in einen Klohaus, irgendwo muss es ja anfangen. "