Wortreiches Plädoyer für die Stille
Titanic-Kolumnist Max Goldt nimmt als begnadeter Beobachter und eleganter Kritiker das alltägliche Sprachmaterial unter die Lupe. In "QQ" arbeitet er an der Beseitigung von "Floskelscheusalen", wirbt für ein Verstummungsgebot und lässt in seinem gewundenen Stil der feinen Ironie freien Lauf.
Max Goldt ist ein zuverlässiger Beobachter sprachlicher Verwerfungen. Seine zehnte Buchpublikation versammelt Kolumnen, die in den letzten zwei Jahren in der Zeitschrift "Titanic" erschienen sind. Der Titel "QQ" stammt aus seinem vorigen Buch "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens", das neben anderen kleinen Szenen den Dialog zwischen einem Radiomoderator und einer Autorin historischer Kriminalromane enthielt.
"QQ", so hieß es dort, "steht für ‚quiet quality‘ – stille Güte. Ein neues Schlagwort aus den USA für alles, was nicht schreit und spritzt." "QQ" legt die Zielrichtung für Goldts heroische Arbeit als Beseitiger von "Floskelscheusalen" fest. In einer Gesellschaft, in der Telefon-Flat-Rates mit dem Spruch "Quatschen ohne Ende" beworben werden, weil endloses Gequatsche allen Ernstes als Verlockung verstanden wird, steht "QQ" für eine fast schon erloschene Utopie. Die Welt wäre zweifellos besser, wenn sie ein Verstummungsgebot erließe oder wenigstens haltbare Ruhezonen schaffte.
Goldt betrachtet das alltägliche Sprachmaterial, das ihn umgibt, mit Verwunderung, ja mit Staunen. Dem Staunen widmet er eine ganze Kolumne, um es als Lebenshaltung zu rehabilitieren und ihm zwischen allzu cooler Abgeklärtheit und naiver Infantilität seine Berechtigung zurückzugeben. Das Staunen entspricht seinem eigenem Verfahren der Alltags- und Sprachbetrachtung. Er betreibt weder "Kritik" noch "Affirmation", sondern etwas dazwischen. Im besten Fall entstehen dabei liebevoll-gehässige Präziosen über Leserbriefschreiber, Kleiderhaken oder Rohlingsspindeln, im schlechteren Fall bloße Geschwätzigkeit und Geschmäcklertum. Man kann die Welt durchaus verbessern, indem man sie lobt.
"QQ" lässt sich aber auch als Manierenbuch lesen, als ein unsystematischer Gegenentwurf zu Prinz Asfa-Wossen Asserates wilhelminisch-aristokratischer Benimmbibel. Auch Max Goldt formuliert Imperative des Verhaltens und schreibt Sätze, die mit "Man sollte" oder "Es darf sehr wohl" beginnen. Wer sich mit Geschmacksverhältnissen, Distinktionen und Sprechweisen befasst, kommt nicht um Unterscheidungen zwischen richtig und falsch, schön und hässlich herum. Er protegiert eine Betrachtungsweise, die allenfalls auf dem Umweg über das Ästhetische politisch wird und läuft damit Gefahr, zu einem bloßen Verteiler von Q-Tipps zu werden. Goldt mag beispielsweise keine dreckigen Autos, keine Falten in Tischdecken und keine Bärchen an Rucksäcken. Er lehnt es ab, während der Zahnpflege in der Wohnung herumzuspazieren und findet Ewigkeit ekelhaft.
Aus Vorlieben und Abneigungen ergibt sich – falls sie nicht einfach nur dem Amüsement des Publikums anheim gestellt bleiben – eine Manieren- und Geschmacksschule des konservativ gewendeten alternativen Bürgertums, dem auch die Frage, wie Knitterleinen mit Würde zu tragen sei, bedeutungsvoll erscheint. Das wirkt manchmal versnobbt, manchmal auch ein wenig onkelhaft. Goldt schreckt nicht davor zurück, sich als "Vater dieser Zeilen" zu bezeichnen, der im "Reich der Kunstschriftstellerei" tätig ist. Mit seinem Blick auf die "feinen Unterschiede" in Sprechweisen und milieubedingten Verhaltenskodizes offenbart sich der "Vater dieser Zeilen" als Enkel des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Aber Vorsicht: "Milieu" gehört für Goldt auch schon zu den Worten, die nicht schön sind.
Unter allem Schönen und Hässlichen, das er geduldig unterscheidet, gibt es etwas, das immer schön ist: "Wenn jemand endlich schweigt". Damit endet das Buch. Goldt schreibt jedoch in so wortreichen Arabesken, dass von Stille oder gar von Schweigen darin zwar die Rede ist, der Effekt aber eher ins Gegenteil umschlägt. Sein Ton ist von leiser Zurückhaltung und milder, kaum erkennbarer Ironie. Sein ziselierter, gewundener Stil demonstriert eine Haltung, mit der er der verbreiteten sprachlichen Simplifizierung die eigene Lust am Nuancenreichtum und an zarten Bedeutungsschattierungen entgegensetzt. Das ist, so fern es die Sprache betrifft, "schön" und unbedingt zu unterstützen. Das eigentliche Versprechen aber, mit "quiet quality" von der stillen Güte zur Güte der Stille vorzudringen, bleibt wohl oder übel uneingelöst.
Rezensiert von Jörg Magenau
Max Goldt: QQ
Rowohlt Berlin, Berlin 2007
156 Seiten, 17,90 Euro
"QQ", so hieß es dort, "steht für ‚quiet quality‘ – stille Güte. Ein neues Schlagwort aus den USA für alles, was nicht schreit und spritzt." "QQ" legt die Zielrichtung für Goldts heroische Arbeit als Beseitiger von "Floskelscheusalen" fest. In einer Gesellschaft, in der Telefon-Flat-Rates mit dem Spruch "Quatschen ohne Ende" beworben werden, weil endloses Gequatsche allen Ernstes als Verlockung verstanden wird, steht "QQ" für eine fast schon erloschene Utopie. Die Welt wäre zweifellos besser, wenn sie ein Verstummungsgebot erließe oder wenigstens haltbare Ruhezonen schaffte.
Goldt betrachtet das alltägliche Sprachmaterial, das ihn umgibt, mit Verwunderung, ja mit Staunen. Dem Staunen widmet er eine ganze Kolumne, um es als Lebenshaltung zu rehabilitieren und ihm zwischen allzu cooler Abgeklärtheit und naiver Infantilität seine Berechtigung zurückzugeben. Das Staunen entspricht seinem eigenem Verfahren der Alltags- und Sprachbetrachtung. Er betreibt weder "Kritik" noch "Affirmation", sondern etwas dazwischen. Im besten Fall entstehen dabei liebevoll-gehässige Präziosen über Leserbriefschreiber, Kleiderhaken oder Rohlingsspindeln, im schlechteren Fall bloße Geschwätzigkeit und Geschmäcklertum. Man kann die Welt durchaus verbessern, indem man sie lobt.
"QQ" lässt sich aber auch als Manierenbuch lesen, als ein unsystematischer Gegenentwurf zu Prinz Asfa-Wossen Asserates wilhelminisch-aristokratischer Benimmbibel. Auch Max Goldt formuliert Imperative des Verhaltens und schreibt Sätze, die mit "Man sollte" oder "Es darf sehr wohl" beginnen. Wer sich mit Geschmacksverhältnissen, Distinktionen und Sprechweisen befasst, kommt nicht um Unterscheidungen zwischen richtig und falsch, schön und hässlich herum. Er protegiert eine Betrachtungsweise, die allenfalls auf dem Umweg über das Ästhetische politisch wird und läuft damit Gefahr, zu einem bloßen Verteiler von Q-Tipps zu werden. Goldt mag beispielsweise keine dreckigen Autos, keine Falten in Tischdecken und keine Bärchen an Rucksäcken. Er lehnt es ab, während der Zahnpflege in der Wohnung herumzuspazieren und findet Ewigkeit ekelhaft.
Aus Vorlieben und Abneigungen ergibt sich – falls sie nicht einfach nur dem Amüsement des Publikums anheim gestellt bleiben – eine Manieren- und Geschmacksschule des konservativ gewendeten alternativen Bürgertums, dem auch die Frage, wie Knitterleinen mit Würde zu tragen sei, bedeutungsvoll erscheint. Das wirkt manchmal versnobbt, manchmal auch ein wenig onkelhaft. Goldt schreckt nicht davor zurück, sich als "Vater dieser Zeilen" zu bezeichnen, der im "Reich der Kunstschriftstellerei" tätig ist. Mit seinem Blick auf die "feinen Unterschiede" in Sprechweisen und milieubedingten Verhaltenskodizes offenbart sich der "Vater dieser Zeilen" als Enkel des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Aber Vorsicht: "Milieu" gehört für Goldt auch schon zu den Worten, die nicht schön sind.
Unter allem Schönen und Hässlichen, das er geduldig unterscheidet, gibt es etwas, das immer schön ist: "Wenn jemand endlich schweigt". Damit endet das Buch. Goldt schreibt jedoch in so wortreichen Arabesken, dass von Stille oder gar von Schweigen darin zwar die Rede ist, der Effekt aber eher ins Gegenteil umschlägt. Sein Ton ist von leiser Zurückhaltung und milder, kaum erkennbarer Ironie. Sein ziselierter, gewundener Stil demonstriert eine Haltung, mit der er der verbreiteten sprachlichen Simplifizierung die eigene Lust am Nuancenreichtum und an zarten Bedeutungsschattierungen entgegensetzt. Das ist, so fern es die Sprache betrifft, "schön" und unbedingt zu unterstützen. Das eigentliche Versprechen aber, mit "quiet quality" von der stillen Güte zur Güte der Stille vorzudringen, bleibt wohl oder übel uneingelöst.
Rezensiert von Jörg Magenau
Max Goldt: QQ
Rowohlt Berlin, Berlin 2007
156 Seiten, 17,90 Euro