Worüber Philosophen heute noch reden sollten
"Philosophie als Kulturpolitik" ist eine Art Vermächtnis des 2007 verstorbenen amerikanischen Philosophen Richard Rorty. Im Mittelpunkt seines Werkes steht das Verhältnis von Philosophie, Kultur und Politik sowie seine Abkehr von der Suche nach letzten Wahrheiten.
Vor knapp einem Jahr, im Juni 2007, starb der amerikanische Philosoph Richard Rorty. Er provozierte mit seiner These, wir täten besser daran, von Begriffen wie "Wahrheit" oder "Vernunft" die Finger zu lassen. Das brachte ihm den Ruf eines Relativisten und postmodernen Luftikus ein, dabei sah er sich selbst stets als Pragmatiker und fest in der westlichen Kultur verwurzelten Demokraten.
In dem letzten von ihm selbst vor seinem Tod noch zusammengestellten Essayband geht er noch einmal der zentralen Frage seines Denkens nach: Wie muss Philosophie heute aussehen, wenn sie irgendeine Relevanz haben soll?
Wer mit Rortys Philosophie vertraut ist, der findet in diesem Buch zwar nichts grundsätzlich Neues, wie Rorty im Vorwort selbst zu bedenken gibt. Aber in diesen Essays aus den Jahren 1996 bis 2006 beleuchtet er noch einmal die Themen, die ihn sein Leben lang begleitet haben - Politik, Religion, Moral. So lässt sich dieser letzte Band seiner gesammelten Aufsätze auch als eine Art Vermächtnis lesen, hinter dessen auf den ersten Blick harmlos klingenden Titel - "Philosophie als Kulturpolitik" - sich eine starke und provokante These verbirgt. Damit bleibt sich Rorty, der zu den meist gelesenen und umstrittensten Intellektuellen der USA gehört, auch in seinem letzten Buch treu.
Philosophieprofessoren und Intellektuelle, fordert Rorty, sollten die vermeintlich großen Fragen der Philosophie aufgeben. Die Zeit sei vorbei für Fragen wie: Was ist Wahrheit? oder: Nach welchen moralischen Prinzipien sollten wir handeln? Stattdessen sollten wir uns ausschließlich mit Fragen beschäftigen, die eine kulturelle Relevanz haben. Nur so könne es uns gelingen, dem Ziel einer besseren Zukunft und dem menschlichen Glück näher zu kommen. Weder sich in geistige Höhen zu schwingen noch intellektuelle Tiefen auszuloten gehöre zu den Aufgaben des Intellektuellen. Nein, die Aufgabe eines Philosophen ist es, Kulturpolitik zu treiben.
Wie kaum ein anderer Philosoph hat Rorty über die Philosophie selbst und die Aufgaben der Intellektuellen nachgedacht. Wenn er nun schreibt, Philosophen sollten Kulturpolitik betreiben, dann heißt das für Rorty: Ideen ausprobieren, phantasievolle Vorschläge machen und Geschichten darüber zu erzählen, wie wir die Dinge anders sehen könnten. Nicht: "Wir wollen es richtig darstellen!" muss die Parole lauten, sondern: "Wir wollen es mal anders versuchen. - Hat irgend jemand neue Ideen?" Nur so, sagt Rorty, können Philosophen einen Beitrag zu dem leisten, was er das "fortwährende Gespräch der Menschheit über ihre eigenen Ziele" nennt.
Noch immer sind Rortys Ansichten aktuell. Zum Beispiel wenn es um den Dialog mit nicht-westlichen Kulturen geht. Oft, so Rortys Diagnose, nehme der Westen die Rolle einer Person an, die behauptet von einer universellen menschlichen Fähigkeit, der Vernunft, einen besseren Gebrauch zu machen. Für Rorty der falsche Weg. Lasst uns lieber eine lehrreiche Geschichte erzählen, schlägt er vor: "So sieht es bei uns im Westen aus, weil wir keine Sklaven mehr halten, mit der Ausbildung der Frauen begonnen haben, Kirche und Staat trennen, usw."
Um solche Ideen überzeugend darlegen zu können, um mit phantasievollen Vorschlägen intellektuelle Sackgassen zu durchstoßen, müssen Philosphen vor allem eins sein: belesen. Sie müssen sich auskennen, nicht nur in der philosophischen Literatur, sondern auch in Geschichte und Literatur. Auf Rorty selbst trifft das in höchstem Maße zu. Leider führt Rortys breite Bildung in einigen der jetzt erschienen Aufsätze dazu, dass die Verweise und Bezüge auf andere Philosphen: Hegel, Dewey, Kant, James - die Liste ließe sich fast beliebig verlängern - teilweise überhand nehmen. Das macht es mühsam, einige der Aufsätze zu lesen, die ansonsten flüssig und klar geschrieben sind. Da hilft es nur, das Namedropping einfach beherzt zu ignorieren.
Denn es lohnt sich heute mehr denn je, Rorty zu lesen. Nicht, weil man mit Rorty übereinstimmen muss. Es gibt viele gute Argumente gegen seine Konzeption von Philosophie. Aber in einer Zeit, in der es wieder Mode geworden ist, nach festen Werten, nach moralischer Wahrheit und religösem Halt im sich immer schneller drehenden globalen Wertekarussell zu suchen, hinterfragt Rorty diese Sehnsucht nach Absolutem wie sonst kaum einer und hat das vielleicht vielversprechendste Gegenmodell zu bieten.
Rezensiert von Sibylle Salewski
Richard Rorty: Philosophie als Kulturpolitik
Aus dem Amerikanischen von Joachim Schulte
Suhrkamp 2008
357 Seiten. 28,80 Euro
In dem letzten von ihm selbst vor seinem Tod noch zusammengestellten Essayband geht er noch einmal der zentralen Frage seines Denkens nach: Wie muss Philosophie heute aussehen, wenn sie irgendeine Relevanz haben soll?
Wer mit Rortys Philosophie vertraut ist, der findet in diesem Buch zwar nichts grundsätzlich Neues, wie Rorty im Vorwort selbst zu bedenken gibt. Aber in diesen Essays aus den Jahren 1996 bis 2006 beleuchtet er noch einmal die Themen, die ihn sein Leben lang begleitet haben - Politik, Religion, Moral. So lässt sich dieser letzte Band seiner gesammelten Aufsätze auch als eine Art Vermächtnis lesen, hinter dessen auf den ersten Blick harmlos klingenden Titel - "Philosophie als Kulturpolitik" - sich eine starke und provokante These verbirgt. Damit bleibt sich Rorty, der zu den meist gelesenen und umstrittensten Intellektuellen der USA gehört, auch in seinem letzten Buch treu.
Philosophieprofessoren und Intellektuelle, fordert Rorty, sollten die vermeintlich großen Fragen der Philosophie aufgeben. Die Zeit sei vorbei für Fragen wie: Was ist Wahrheit? oder: Nach welchen moralischen Prinzipien sollten wir handeln? Stattdessen sollten wir uns ausschließlich mit Fragen beschäftigen, die eine kulturelle Relevanz haben. Nur so könne es uns gelingen, dem Ziel einer besseren Zukunft und dem menschlichen Glück näher zu kommen. Weder sich in geistige Höhen zu schwingen noch intellektuelle Tiefen auszuloten gehöre zu den Aufgaben des Intellektuellen. Nein, die Aufgabe eines Philosophen ist es, Kulturpolitik zu treiben.
Wie kaum ein anderer Philosoph hat Rorty über die Philosophie selbst und die Aufgaben der Intellektuellen nachgedacht. Wenn er nun schreibt, Philosophen sollten Kulturpolitik betreiben, dann heißt das für Rorty: Ideen ausprobieren, phantasievolle Vorschläge machen und Geschichten darüber zu erzählen, wie wir die Dinge anders sehen könnten. Nicht: "Wir wollen es richtig darstellen!" muss die Parole lauten, sondern: "Wir wollen es mal anders versuchen. - Hat irgend jemand neue Ideen?" Nur so, sagt Rorty, können Philosophen einen Beitrag zu dem leisten, was er das "fortwährende Gespräch der Menschheit über ihre eigenen Ziele" nennt.
Noch immer sind Rortys Ansichten aktuell. Zum Beispiel wenn es um den Dialog mit nicht-westlichen Kulturen geht. Oft, so Rortys Diagnose, nehme der Westen die Rolle einer Person an, die behauptet von einer universellen menschlichen Fähigkeit, der Vernunft, einen besseren Gebrauch zu machen. Für Rorty der falsche Weg. Lasst uns lieber eine lehrreiche Geschichte erzählen, schlägt er vor: "So sieht es bei uns im Westen aus, weil wir keine Sklaven mehr halten, mit der Ausbildung der Frauen begonnen haben, Kirche und Staat trennen, usw."
Um solche Ideen überzeugend darlegen zu können, um mit phantasievollen Vorschlägen intellektuelle Sackgassen zu durchstoßen, müssen Philosphen vor allem eins sein: belesen. Sie müssen sich auskennen, nicht nur in der philosophischen Literatur, sondern auch in Geschichte und Literatur. Auf Rorty selbst trifft das in höchstem Maße zu. Leider führt Rortys breite Bildung in einigen der jetzt erschienen Aufsätze dazu, dass die Verweise und Bezüge auf andere Philosphen: Hegel, Dewey, Kant, James - die Liste ließe sich fast beliebig verlängern - teilweise überhand nehmen. Das macht es mühsam, einige der Aufsätze zu lesen, die ansonsten flüssig und klar geschrieben sind. Da hilft es nur, das Namedropping einfach beherzt zu ignorieren.
Denn es lohnt sich heute mehr denn je, Rorty zu lesen. Nicht, weil man mit Rorty übereinstimmen muss. Es gibt viele gute Argumente gegen seine Konzeption von Philosophie. Aber in einer Zeit, in der es wieder Mode geworden ist, nach festen Werten, nach moralischer Wahrheit und religösem Halt im sich immer schneller drehenden globalen Wertekarussell zu suchen, hinterfragt Rorty diese Sehnsucht nach Absolutem wie sonst kaum einer und hat das vielleicht vielversprechendste Gegenmodell zu bieten.
Rezensiert von Sibylle Salewski
Richard Rorty: Philosophie als Kulturpolitik
Aus dem Amerikanischen von Joachim Schulte
Suhrkamp 2008
357 Seiten. 28,80 Euro