Eine Transwrestlerin als Stärkste im Ring
Dann steigt sie den Ring hinauf, schiebt die Seile hoch, um sich langsam räkelnd durchzusteigen. Sie liebt die Aufmerksamkeit.
So wie die 400 anwesenden Zuschauer offenbar auch sie lieben.
Es geht um den Titel der Manila Wrestling Federation (MWF), der größten Wrestlingliga der Philippinen.
Eine von ihnen gibt den Verschnitt von Wonderwoman, eine andere ist maskiert wie in der Lucha Libre aus Mexiko, die Dritte tritt auf wie eine kämpfende Geisha.
Chelsea Marie als Transfrau im Ring
Damit ist die 31-jährige Filipina auf ganz viele Weisen besonders. Über sich selbst sagt sie:
Ich hab keine ausgedachte Figur. Das im Ring bin einfach ich. Beim Wrestling liebe ich die Idee von Frauen, die draufhauen und krass drauf sind. So will ich sein, als sexy Version davon. Was meine Geschichten im Ring angeht, bemühen sich unsere Schreiber, dass alles zu meiner wahren persönlichen Entwicklung passt.
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Die Devise im Profisport: Fairness ist wichtiger als Inklusion. Transpersonen oder Personen mit körperlichen Merkmalen, die von der Norm abweichen, werden dadurch ausgegrenzt.
Aber im Wrestling, wo die Kämpfe nur Show sind und es dadurch gar keinen Wettbewerb gibt, besteht zwischen Fairness und Inklusion auch kein Widerspruch.
Und in der Manila Wrestling Federation versucht man, sich das zum Vorteil zu machen. Am Rande des Rings sieht Veronica Shannon zu, die Gründerin und Co-Chefin der Liga.
Sie ist selbst Transfrau:
Die Sache mit der MWF ist, dass wir inklusiv sind. Jede Person ist willkommen. Ich selbst hatte meine Transition 2018, hier im Ring, von Mike zu Veronica. Unsere Kultur hier ist sehr offen. Vor diesem Schritt hatte ich mich mit Leuten aus dem Profisport zum Thema Comingout ausgetauscht, und an vielen Stellen hieß es, es gebe keinen Platz für LGBTQ-Personen. Aber der Fakt, dass ich dann hier von den Leuten unterstützt wurde, ist doch großartig!
"Wir werden jetzt seit Kurzem endlich im landesweiten Fernsehen ausgestrahlt, und wir wollen noch weiter wachsen. Wir wollen die WWE von Südostasien werden."
Chelsea Marie ist eine sehr populäre Wrestlerin
"Ehrlicherweise hatte ich nie den großen Traum, Wrestlerin zu werden: Ich meine, ich bin nicht in den USA und ich bin trans. Wie soll das gehen? Aber 2016 gab es eine Reality Show, die Wrestlerinnen im Ring und außerhalb portraitierte. Und dann dachte ich: Hm, die sind interessant. Ich will das auch! 2019 schrieb ich dann ein paar Wrestlingligen an. Die MWF hat geantwortet und bot mir an, mit ihnen zu trainieren. Intern gab es dann wohl eine Ansage, dass jetzt eine Transperson kommt. Und allen wurde angeboten, die Liga zu verlassen, wenn jemand ein Problem damit hat. Aber alle sind geblieben."
Die Philippinen als paradoxer Fall
"Wrestling bei Frauen ist cool. Wenn immer nur Männer kämpfen, ist es auch irgendwann langweilig. Die Männer sind natürlich physisch stärker. Aber ich würde sagen, mittlerweile sind die Frauen genauso beliebt wie die Männer. Und Chelsea Marie ganz besonders."
Transpersonen haben hier einen guten Stand
Trotzdem haben Transpersonen hier einen relativ guten Stand: Sie werden Politikerinnen, Juristen, Unternehmerinnen - und starten im Wrestling durch.
Soziologinnen erklären das damit, dass vor dem spanischen Kolonialismus, der hier mehr als 300 Jahre lang herrschte, eine Tradition etabliert war, die Gender weniger binär und mehr im Kontinuum dachte.
Der Kampf ist zu Ende. Chelsea Marie, die vorher angekündigt hatte, sie sei sowieso die Stärkste im Ring, ist besiegt. Die anderen drei Wrestlerinnen hatten sich zusammengetan, um sie auszuschalten.
Gewonnen hat Super P., die philippinische Version von Wonderwoman, mit Kostüm und Umhang in den Landesfarben Rot, Blau, Gelb und Weiß.
Nach dem Sieg lässt sie sich aber nicht einfach bejubeln. Sie zollt ihrer größten Gegnerin Respekt:
"Chelsea Marie: Es gab keine Transwrestlerin vor ihr. Und sie hat diese Hürde einfach übersprungen!"
"Was die Rechnungen bezahlt, ist Livestreaming"
"Ich tanze und bin Tanzlehrerin. Als Hintergrundtänzerin im Fernsehen und so weiter. Aber was die Rechnungen bezahlt, ist Livestreaming."
Und wenn das große Geld durchs Wrestling auch in Zukunft nicht in den Philippinen zu haben ist, dann gehe sie vielleicht irgendwann einfach in die USA zur WWE – der größten Wrestlingliga der Welt. Ihre Rolle wäre jedenfalls auch dort neu.