Die Saga geht weiter
Hip Hop mit Kung-Fu-Samples und fernöstlicher Philosophie: Mit diesem Mix setzte der Wu-Tang-Clan seit den 1990ern neue Standards im Hip Hop. Alle paar Jahre raufen sich die Mitglieder der New Yorker Band für ein Album zusammen - und können nach wie vor überraschen.
Aus der Hotel-Suite dringt Klavierspiel. Robert Fitzgerald Diggs sitzt am Flügel und spielt klassische Melodien. Die Welt des Hip Hop kennt ihn als RZA, Prince Rakeem und Bobby Digital. Der 48-Jährige ist der kreative Kopf des Wu-Tang-Clan. RZA ist auch ein viel gebuchter Filmregisseur und Geschäftsmann und immer für eine Überraschung gut.
"Wir haben eine Lifestyle-Firma für Musik, Kunst und Mode gegründet. Auch das neue Album kommt dort raus. Wir setzen dabei auf Nachhaltigkeit. Was die Modelinie betrifft, verwenden wir zum Beispiel kein echtes Leder. Es gibt mittlerweile genug Ersatzstoffe. Wegen uns, soll keine Kuh leiden. Wir wollen Teil der Lösung sein und nicht des Problems."
Protest gegen den verfallenden Wert des Pop
Zuletzt machte der Wu-Tang-Clan weniger durch Musik auf sich aufmerksam, sondern über die Art, wie sie veröffentlicht wird. Als Protest gegen den verfallenden Wert von Popmusik im Internet fertigte das Kollektiv vom letzten Album "Once Upon A Time In Shaolin" nur ein einziges Exemplar an, das in Form einer Doppel-CD versteigert wurde. Das Unikat ging für zwei Millionen Dollar ausgerechnet an einen verhassten Pharma-Manager, der ein Vermögen mit überteuerten Medikamenten machte.
"In jedem Yin ist ein Tropfen Yang. Man kann solche Situationen auch zum Guten wenden. Wir haben den Erlös des Albums genommen und einen Teil davon karitativen Einrichtungen gespendet, die sich um Patienten kümmern, die diese Medikamente brauchen. Wir haben diesem Typen also geholfen, über Umwege ein besserer Mensch zu werden. Das ist der Weg des Wu."
So verantwortungsbewusst sich RZA im Interview gibt, so zerstritten ist sein Wu-Tang-Clan seit Jahren. Immer wieder gibt es Zoff wegen der kreativen Ausrichtung, immer wieder fehlen wichtige Gründungsmitglieder, wenn es um die Aufnahme eines neuen Albums geht.
Fast alle dabei
Die Lösung kommt von außen und war doch immer schon dabei. DJ Mathematics gehört seit den Gründungstagen zum kreativen Umfeld des Wu-Tang- Clans, er hat zum Beispiel das berühmte Bandlogo designt, jetzt hat er das neue Album "Wu-Tang. The Saga continues" produziert und konnte fast alle Mitglieder zur Mitarbeit bewegen.
"Ich wollte den rohen Sound der Anfangstage mit dem Sound des Hier und Jetzt zusammenführen, ohne dass sich der Wu-Tang-Clan an aktuelle Hip-Hop-Moden anbiedert wie etwa kommerzielle Trap-Musik oder R’n’B. RZA war mein Lehrmeister, aber ich musste natürlich meinen eigenen Weg finden."
Ausschnitte aus alten Kung-Fu-Filmen, klassische Soul-Harmonien und analoge Düster-Bässe, "The Saga Continues" klingt tatsächlich wie die etwas polierte Version der Wu-Tang-Frühphase mit Rap-Beiträgen von Gründungsmitgliedern wie Method Man, Ghostface Killah oder Reakwon.
Wie derzeit viele Hip-Hop-Alben kommentiert auch der Wu-Tang Clan das politische Zeitgeschehen und den scheinbar nie enden wollenden Rassismus in den USA, so im Stück "Why, Why, Why".
Die Saga geht zurück zu den Anfängen
"In diesem Track stelle ich die Frage 'Warum?' Warum ist es möglich, dass das Leben eines Afroamerikaners noch immer weniger Wert ist als ein Laib Brot? Nach all dem Leiden, das wir erdulden mussten, nach all den Leistungen, die wir für dieses Land erbracht haben. Wie kann es sein, dass ein Kind mit einer orangefarbenen Spielzeugpistole erschossen werden kann, ohne dass jemand für dieses Verbrechen angeklagt wird. Warum ist sein Leben nicht mehr wert als 99 Cents?"
Nach einigen künstlerischen Außreißern in der jüngeren Vergangenheit dürfte "Wu-Tang. The Saga Continues" viele langjährige Fans versöhnen.
Mehr als eine Vergewisserung der eigenen Wurzeln ist das Album aber trotzdem nicht. Immerhin bleibt die Hoffnung, dass die Wu-Tang-Saga tatsächlich weitergeht, wie es der Albumtitel verspricht. Und einige richtig gute "Kopfnicker" sind ja auch dabei.