Wucht und Pathos, Scherz und Spaß
Dass Jostein Gaarder schon vor seinem großen Wurf mit "Sofies Welt" in seiner Heimat Norwegen ein anerkannter Autor war, wird in Deutschland leicht übersehen. Ziel eines neuen Sammelbandes ist es darum auch, einen Querschnitt seines Werk zu bieten. Wer bisher nur wenig von Gaarder gelesen hat, wird überrascht sein über die Vielstimmigkeit der Texte.
Mit dem Namen des norwegischen Autors Jostein Gaarder ist zuallererst einmal der Titel "Sofies Welt" verbunden. 1993 erschien das Buch auf Deutsch, seitdem wurden in Deutschland mehr als drei Millionen Exemplare verkauft. Weltweit sind es über 30 Millionen. Seit 1986 schreibt Gaarder, der vorher Lehrer für Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaft war, für Kinder und Erwachsene. Zwölf Bücher – alle übersetzt von Gabriele Haefs – sind inzwischen im Carl Hanser Verlag erschienen. Zwanzig Jahre nach dem Erscheinen von Gaarders Debüt, dem Erzählungsband "Der seltene Vogel", legt der Verlag nun einen Auswahlband mit Texten aus verschiedenen Büchern des Norwegers vor: Sein Titel: "Schachmatt. Das große Jostein Gaarder Lesebuch".
Dass Jostein Gaarder schon vor seinem großen Wurf mit "Sofies Welt" in Norwegen ein anerkannter Autor war, wird in Deutschland leicht übersehen. War "Sofies Welt" doch das erste Buch des Norwegers, das auf Deutsch erschien und deshalb wie ein Debüt wirkte. Vorher waren in Norwegen jedoch schon der Erzählungsband "Der seltene Vogel", das Kinderbuch "Das Schloss der Frösche" und der Roman "Das Kartengeheimnis" erschienen – drei Titel, die schon die enorme Bandbreite von Gaarders Werk umreißen.
Diese Titel, wie auch viele später erschienene ("Bibbi Bokkens magische Bibliothek", "Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort" oder "Der Geschichtenverkäufer"), signalisieren schon, welche Themen den norwegischen Autor immer wieder und immer neu beschäftigen. Seine Bücher sind ein einziges Plädoyer für die Rückgewinnung von Magie, Zauber, Geheimnis und Phantasie im Zeitalter der Vernunft. Mit ihrer Hilfe geht er den einfachen und zugleich ganz großen Fragen der Menschheit nach. Warum leben wir? Woher kommt das Leben überhaupt? Was kommt nach dem Tod? Was ist Glück? Oder: Was ist die Wirklichkeit?
Ziel des Bandes ist, wie Gaarder im Vorwort selbst schreibt, einen Querschnitt durch sein Werk zu bieten, wobei alle vierundsechzig Texte als "selbständige Blöcke" lesbar sein sollen, unabhängig von ihrem Kontext. Das ist in den meisten Fällen gelungen. Abgedruckt sind Auszüge aus acht seiner Prosabände, dazu ein Aufsatz aus einer wissenschaftlichen Zeitung. Geordnet sind diese Textstücke jedoch weder chronologisch noch nach einzelnen Werken, sondern eher nach (nicht unbedingt nachvollziehbaren) thematischen Gesichtspunkten. An diesem Punkt setzt auch der einzige Kritikpunkt an der Anthologie an: Sehr hilfreich wäre es, wenn schon im Inhaltsverzeichnis (oder besser noch in der Überschrift) die Quelle des jeweiligen Textes und im Quellenverzeichnis auch das Erscheinungsjahr des Originals genannt wäre. Dieser Service hätte dem Leser einiges Blättern und Suchen erspart.
Wer Jostein Gaarder – Fan ist, wird in diesem Sammelband keine großen Neuentdeckungen machen. Wer aber nur ein oder zwei Bücher des Norwegers gelesen hat, wird überrascht sein über die Vielstimmigkeit der Texte. Ob fiktive Kindheitserinnerung oder Schöpfungsgeschichte, ob Märchen über eine Zeitreise oder psychologisches Protokoll, ob labyrinthisch verschachtelte magische Erzählung oder wissenschaftlicher Text - Gaarder verblüfft immer aufs Neue durch dem spielerischen Umgang mit Erzähltönen und Motiven, durch Wucht und Pathos, Scherz und Spaß. Mag man auch nicht jeden einzelnen Text ohne seinen Kontext verstehen oder genießen, so fasziniert doch der unversiegbare Einfallsreichtum, die überbordende Phantasie und der Humor des Autors.
Wie "Sofies Welt" ist auch "Schachmatt" kein Buch, das speziell für Jugendliche konzipiert wäre. Aber es ist ein Buch auch für Jugendliche. Lassen sie sich ein aufs Schmökern, blättern hier weiter und bleiben dort hängen, dann können sie, wie jeder erwachsene Leser, einen der großen europäischen Erzähler in allen seinen Facetten kennen lernen. Jeder einzelne Text und der ganze Band kann für sich gelesen werden, soll und wird aber auch neugierig machen auf die kompletten Romane.
Wie der "Schachmatt" überschriebene beklemmende Auszug aus dem Roman "Der Geschichtenverkäufer". Ein Mann verliert quasi den Boden unter den Füßen. Mit einem Kindheitstrauma, Schuldgefühlen und einem Kopf voller bedrängender Phantasien ringend findet er schließlich doch so etwas wie Hoffnung auf ein neues Leben.
Die Frage, warum Jostein Gaarder der erfolgreichste norwegische Schriftsteller aller Zeiten ist, lässt sich nach der Lektüre von "Schachmatt" unschwer beantworten. Alle seine Bücher sind Teil eines einzigen Versuchs, jene beiden großen Themen miteinander zu verbinden, die die Menschheit seit Kant bewegen: Der "bestirnte Himmel über mir" und "das moralische Gesetz in mir", Kosmologie und Bewusstsein. Nachdem auch heute die Fragen nach dem Ursprung der Welt und des Lebens und damit die Frage nach Gott von den Wissenschaften nicht beantwortet werden können, sucht Gaarder seine Antworten im Bereich der Phantasie, des Magischen, auch Esoterischen. Er nimmt den Leser mit auf diese Suche, und seine Bücher befriedigen das Bedürfnis des modernen Menschen nach Geborgenheit in einem positiven und zugleich geheimnisvollen Sinn des Lebens.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Schachmatt. Das große Jostein Gaarder Lesebuch
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs.
Carl Hanser Verlag, München 2006. 384 Seiten, 17,90 Euro
Dass Jostein Gaarder schon vor seinem großen Wurf mit "Sofies Welt" in Norwegen ein anerkannter Autor war, wird in Deutschland leicht übersehen. War "Sofies Welt" doch das erste Buch des Norwegers, das auf Deutsch erschien und deshalb wie ein Debüt wirkte. Vorher waren in Norwegen jedoch schon der Erzählungsband "Der seltene Vogel", das Kinderbuch "Das Schloss der Frösche" und der Roman "Das Kartengeheimnis" erschienen – drei Titel, die schon die enorme Bandbreite von Gaarders Werk umreißen.
Diese Titel, wie auch viele später erschienene ("Bibbi Bokkens magische Bibliothek", "Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort" oder "Der Geschichtenverkäufer"), signalisieren schon, welche Themen den norwegischen Autor immer wieder und immer neu beschäftigen. Seine Bücher sind ein einziges Plädoyer für die Rückgewinnung von Magie, Zauber, Geheimnis und Phantasie im Zeitalter der Vernunft. Mit ihrer Hilfe geht er den einfachen und zugleich ganz großen Fragen der Menschheit nach. Warum leben wir? Woher kommt das Leben überhaupt? Was kommt nach dem Tod? Was ist Glück? Oder: Was ist die Wirklichkeit?
Ziel des Bandes ist, wie Gaarder im Vorwort selbst schreibt, einen Querschnitt durch sein Werk zu bieten, wobei alle vierundsechzig Texte als "selbständige Blöcke" lesbar sein sollen, unabhängig von ihrem Kontext. Das ist in den meisten Fällen gelungen. Abgedruckt sind Auszüge aus acht seiner Prosabände, dazu ein Aufsatz aus einer wissenschaftlichen Zeitung. Geordnet sind diese Textstücke jedoch weder chronologisch noch nach einzelnen Werken, sondern eher nach (nicht unbedingt nachvollziehbaren) thematischen Gesichtspunkten. An diesem Punkt setzt auch der einzige Kritikpunkt an der Anthologie an: Sehr hilfreich wäre es, wenn schon im Inhaltsverzeichnis (oder besser noch in der Überschrift) die Quelle des jeweiligen Textes und im Quellenverzeichnis auch das Erscheinungsjahr des Originals genannt wäre. Dieser Service hätte dem Leser einiges Blättern und Suchen erspart.
Wer Jostein Gaarder – Fan ist, wird in diesem Sammelband keine großen Neuentdeckungen machen. Wer aber nur ein oder zwei Bücher des Norwegers gelesen hat, wird überrascht sein über die Vielstimmigkeit der Texte. Ob fiktive Kindheitserinnerung oder Schöpfungsgeschichte, ob Märchen über eine Zeitreise oder psychologisches Protokoll, ob labyrinthisch verschachtelte magische Erzählung oder wissenschaftlicher Text - Gaarder verblüfft immer aufs Neue durch dem spielerischen Umgang mit Erzähltönen und Motiven, durch Wucht und Pathos, Scherz und Spaß. Mag man auch nicht jeden einzelnen Text ohne seinen Kontext verstehen oder genießen, so fasziniert doch der unversiegbare Einfallsreichtum, die überbordende Phantasie und der Humor des Autors.
Wie "Sofies Welt" ist auch "Schachmatt" kein Buch, das speziell für Jugendliche konzipiert wäre. Aber es ist ein Buch auch für Jugendliche. Lassen sie sich ein aufs Schmökern, blättern hier weiter und bleiben dort hängen, dann können sie, wie jeder erwachsene Leser, einen der großen europäischen Erzähler in allen seinen Facetten kennen lernen. Jeder einzelne Text und der ganze Band kann für sich gelesen werden, soll und wird aber auch neugierig machen auf die kompletten Romane.
Wie der "Schachmatt" überschriebene beklemmende Auszug aus dem Roman "Der Geschichtenverkäufer". Ein Mann verliert quasi den Boden unter den Füßen. Mit einem Kindheitstrauma, Schuldgefühlen und einem Kopf voller bedrängender Phantasien ringend findet er schließlich doch so etwas wie Hoffnung auf ein neues Leben.
Die Frage, warum Jostein Gaarder der erfolgreichste norwegische Schriftsteller aller Zeiten ist, lässt sich nach der Lektüre von "Schachmatt" unschwer beantworten. Alle seine Bücher sind Teil eines einzigen Versuchs, jene beiden großen Themen miteinander zu verbinden, die die Menschheit seit Kant bewegen: Der "bestirnte Himmel über mir" und "das moralische Gesetz in mir", Kosmologie und Bewusstsein. Nachdem auch heute die Fragen nach dem Ursprung der Welt und des Lebens und damit die Frage nach Gott von den Wissenschaften nicht beantwortet werden können, sucht Gaarder seine Antworten im Bereich der Phantasie, des Magischen, auch Esoterischen. Er nimmt den Leser mit auf diese Suche, und seine Bücher befriedigen das Bedürfnis des modernen Menschen nach Geborgenheit in einem positiven und zugleich geheimnisvollen Sinn des Lebens.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Schachmatt. Das große Jostein Gaarder Lesebuch
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs.
Carl Hanser Verlag, München 2006. 384 Seiten, 17,90 Euro