Würdigung eines Humorgenies
Robert Gernhardt (13.12.1937 - 30.06.2006) war Karikaturist, Essayist, Maler und Zeichner. Einerseits geschult an klassischer Dichtkunst, andererseits ein Virtuose humoristischer Darstellung. Dieser Essayband versucht, die Kunst seines subtilen Humors zu analysieren.
"Lieber Gott, ich bin der Boss,
Grüße, dein Rhinozeros."
Na, wer hat's gesagt? Wilhelm Busch vielleicht? Ringelnatz? Morgenstern? Nein, die sprichwörtlich gewordene Zeile ist von Robert Gernhardt, dem größten Humorartisten, den die deutsche Nachkriegsliteratur hervorgebracht hat. Es gibt viele solcher Sentenzen, die einem schnell und mit einem Schmunzeln über die Lippen gehen, ganz einfach, weil sie so schön absurd sind und dabei pointiert-lebensklug. Perfekte lyrische Trostpflaster, für die Blessuren, die uns der Alltag beibringt.
Nun kann man sich fragen, ob es so einer Etablierung überhaupt bedarf, da Gernhardt ja doch Volksmund geworden ist, Allgemeingut, zitierfähig wie Schiller und Goethe, aber deutlich mehr gelesen und geliebt, vor allem bei den jüngeren Generationen. Erst neulich im Adventsgottesdienst, während einer nicht endenwollenden Predigt von narkotischer Wirkung, vom studentischen Sitznachbarn das lockernde Gernhardt-Wort vernommen:
"Paulus schrieb an die Komantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen."
Aber was man sich auch fragt: Wie macht der Lyriker und Karikaturist Gernhardt das eigentlich? Wie stellt er diese Magie her in seinen Gedichten und Bildern, die Triviales aufgreifen, ohne trivial zu sein? Die mit Jargons und Ideen spielen, ohne verkopft zu wirken? Wie amüsiert er uns mit Pointen, so, dass der Unterhaltung immer auch der Schock einer Erkenntnis beigemengt ist?
Auf diese Fragen gibt der von Thomas Steinfeld herausgegebene Essayband mit insgesamt 18 Texten differenzierte Antworten. Gernhardts Poetik wird aufgeschlüsselt, seine bildende Kunst analysiert, seine Werkgeschichte aufgerollt, seine Rolle als Satiriker und Kulturkritiker erhellt, das Verhältnis des Dichters zu Italien besprochen. Wie das "Verrutschen des Sinns, der plötzliche Umschlag in den Unsinn, die Erkenntnis der kleinen und großen Unangemessenheiten des Lebens" artistisch zustande kommen, das wird hier mit akademisch kritischer Hingabe erhellt.
Das Gelungene an dieser feuilletonistischen Würdigung ist, dass sie sich im Fortgang selber überflüssig macht. Man liest Aufsatz für Aufsatz über das künstlerische Genie Robert Gernhardts, und jeder Text steigert nur die Lust auf die Primärlektüre. Ganz unruhig wird man bei diesen klugen Einlassungen zur Ästhetik des 2006 verstorbenen Multitalents: Hoffentlich hat man einen Gernhardt-Band - die "Lichten Gedichte" vielleicht oder die "Prosamen" - im Regal stehen, um sich direkt, ohne hermeneutische Umwege, von diesem subtilen und zugleich handfest unterhaltsamen Humor verzaubern zu lassen.
So kann man dieses Buch, passend zur Festzeit, schön einem größeren Gernhardt-Geschenkpaket beigeben, als Legitimationskompendium für jene, die sich bislang ein wenig schämten, dass sie viele Zeilen aus dem "Wörtersee", aber keine aus den "Duinesier Elegien" kennen. Oder einfach als Anregungsfibel zur Entdeckung weiterer Facetten dieses, wie Martin Mosebach in seinem Essay schreibt, "knallkomischen und kühl heiteren" Künstlers.
Besprochen von Daniel Haas
Thomas Steinfeld (Hrsg.): Der große Dichter sieht die Dinge größer. Der Klassiker Robert Gernhardt"
S. Fischer, Frankfurt am Main 2009
295 Seiten, 18,85 Euro
Grüße, dein Rhinozeros."
Na, wer hat's gesagt? Wilhelm Busch vielleicht? Ringelnatz? Morgenstern? Nein, die sprichwörtlich gewordene Zeile ist von Robert Gernhardt, dem größten Humorartisten, den die deutsche Nachkriegsliteratur hervorgebracht hat. Es gibt viele solcher Sentenzen, die einem schnell und mit einem Schmunzeln über die Lippen gehen, ganz einfach, weil sie so schön absurd sind und dabei pointiert-lebensklug. Perfekte lyrische Trostpflaster, für die Blessuren, die uns der Alltag beibringt.
Nun kann man sich fragen, ob es so einer Etablierung überhaupt bedarf, da Gernhardt ja doch Volksmund geworden ist, Allgemeingut, zitierfähig wie Schiller und Goethe, aber deutlich mehr gelesen und geliebt, vor allem bei den jüngeren Generationen. Erst neulich im Adventsgottesdienst, während einer nicht endenwollenden Predigt von narkotischer Wirkung, vom studentischen Sitznachbarn das lockernde Gernhardt-Wort vernommen:
"Paulus schrieb an die Komantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen."
Aber was man sich auch fragt: Wie macht der Lyriker und Karikaturist Gernhardt das eigentlich? Wie stellt er diese Magie her in seinen Gedichten und Bildern, die Triviales aufgreifen, ohne trivial zu sein? Die mit Jargons und Ideen spielen, ohne verkopft zu wirken? Wie amüsiert er uns mit Pointen, so, dass der Unterhaltung immer auch der Schock einer Erkenntnis beigemengt ist?
Auf diese Fragen gibt der von Thomas Steinfeld herausgegebene Essayband mit insgesamt 18 Texten differenzierte Antworten. Gernhardts Poetik wird aufgeschlüsselt, seine bildende Kunst analysiert, seine Werkgeschichte aufgerollt, seine Rolle als Satiriker und Kulturkritiker erhellt, das Verhältnis des Dichters zu Italien besprochen. Wie das "Verrutschen des Sinns, der plötzliche Umschlag in den Unsinn, die Erkenntnis der kleinen und großen Unangemessenheiten des Lebens" artistisch zustande kommen, das wird hier mit akademisch kritischer Hingabe erhellt.
Das Gelungene an dieser feuilletonistischen Würdigung ist, dass sie sich im Fortgang selber überflüssig macht. Man liest Aufsatz für Aufsatz über das künstlerische Genie Robert Gernhardts, und jeder Text steigert nur die Lust auf die Primärlektüre. Ganz unruhig wird man bei diesen klugen Einlassungen zur Ästhetik des 2006 verstorbenen Multitalents: Hoffentlich hat man einen Gernhardt-Band - die "Lichten Gedichte" vielleicht oder die "Prosamen" - im Regal stehen, um sich direkt, ohne hermeneutische Umwege, von diesem subtilen und zugleich handfest unterhaltsamen Humor verzaubern zu lassen.
So kann man dieses Buch, passend zur Festzeit, schön einem größeren Gernhardt-Geschenkpaket beigeben, als Legitimationskompendium für jene, die sich bislang ein wenig schämten, dass sie viele Zeilen aus dem "Wörtersee", aber keine aus den "Duinesier Elegien" kennen. Oder einfach als Anregungsfibel zur Entdeckung weiterer Facetten dieses, wie Martin Mosebach in seinem Essay schreibt, "knallkomischen und kühl heiteren" Künstlers.
Besprochen von Daniel Haas
Thomas Steinfeld (Hrsg.): Der große Dichter sieht die Dinge größer. Der Klassiker Robert Gernhardt"
S. Fischer, Frankfurt am Main 2009
295 Seiten, 18,85 Euro