Feinstaub - konkretes Problem oder windige Angstmache?
Industrialisierung sind Hunderttausende neue Arten von Feinstaub in die Umwelt gelangt. Ist Feinstaub tatsächlich gefährlich für unsere Gesundheit oder sind die Mahner hysterisch?
Hans Joachim Schellnhuber: "Vielleicht dazu meinen Liebelingswitz von Groucho Marx, also nicht Karl Marx, sondern Groucho Marx, von den Marx – Brothers. Der sagt, warum soll ich mich um die künftigen Generationen kümmern, was haben die jemals für mich getan…"
Prof. Hans Joachim Schellnhuber. Direktor am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltfragen.
"… und da sind wir bei der Krux des Problems. Da ist es in gewisser Weise so, dass wir gestartet sind mit einem hochmodernen Flugzeug, aber nicht wissen, wie wir es landen können."
Matthias Horx, Visionär, Zukunftsforscher:
"Wir sollten vielleicht mal verstehen, dass auch Dinge gelöst werden könne und dass wir nicht immer nur so denken können, wie: Es wird immer schlimmer und es wird immer schlimmer und eigentlich können wir gar nichts tun und jetzt jammern wir und haben Angst, dass die Welt untergeht."
Feinstaub ist neben dem Klimawandel eines der großen Themen der Gegenwart. Wissenschaftler auf der ganzen Welt diskutieren und suchen händeringend nach Lösungen, um die Feinstaubwerte zu verringern. Obwohl es Feinstaub schon immer gab. Vulkane und Waldbrände produzieren ihn tonnenweise. Auch wachsende Bäume. Sie entwickeln Gase, die sich später durch chemische Prozesse in winzig kleine Partikel umwandeln. Mit der Industrialisierung begann der Siegeszug des "menschgemachten" Feinstaubes. Eine neue Epoche: Mit kleinsten Teilchen, die es vorher nicht gab. Unzählige Chemikalien kommen täglich hinzu. Die meisten Verbindungen kennen wir noch nicht einmal, sagen Wissenschaftler. 1987 wurde Feinstaub dann erstmals von der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde definiert. Seitdem heißt er PM 10.
PM10 bedeutet eine Partikelgröße bis zu zehn Mikrometer, das sind ein Hundertstel Millimeter. Feinstaub ist Teil des Schwebestaubes. Er wird in Ruß, Staub und Rauch unterteilt. Dazu gehören Hausstaub, Faserstaub, Gesteinsstaub oder Blütenstaub. Besonders gesundheitsschädlich ist Ruß. Er entsteht bei Verbrennungsprozessen und besteht im Wesentlichen aus Kohlenstoff.
Alfred Wiedensohler: "Man muss immer sehen, der Feinstaub, der von der Straße hochgewirbelt wird, der ist so paar Mikrometer groß."
Prof. Alfred Wiedensohler, Feinstaubexperte am Leibnitz Institut für Troposphärenforschung in Leipzig.
"Während der Feinstaub, der von den Dieselfahrzeugen emittiert wird, ist 0,1 Mikrometer groß. Also mehr als 10 mal kleiner im Durchmesser. Und diese kleinen Partikel, die sind alle fest, also Kohlestoff ist fest, der ist nicht löslich, der kann sich in der Lunge nicht lösen, ist aber so klein, dass er durch die Fresszellen, die in der Lunge sind, zur Selbstreinigung, nicht gefunden wird. Die sind aber auch so klein, dass sie durch Zellwände durchgehen können, in die Blutbahn, im ganzen Körper sich verteilen können und deshalb sind diese Rußpartikel die gefährlichsten Feinstaubpartikel."
Es ist insbesondere dieser Ultrafeinstaub, PM 2,5 genannt, der extrem gesundheitsschädigend ist und für mehrere Krebserkrankungen verantwortlich gemacht wird.
"Also wir reden momentan sehr viel über die Reduzierungen von Abgasemissionen, ich zeige sehr viel Problematik auf, wie es in anderen Ländern ist, das ist mein Thema, wenn ich Vorträge halte, ansonsten bin ich in vielen Gremien drin. Man kann sich auch zu Hause hinsetzen, aber da bewegt man nichts."
Alfred Wiedensohler ist dem Feinstaub auf der Spur. Jeden Tag. Weltweit führt er Messkampagnen durch, erklärt Menschen in China, Manila oder Chile, wie Feinstaub gemessen wird. Auch in Leipzig tut er das, die Stadt in der er arbeitet.
"Das Institut für Troposphärenforschung ist das Institut in Deutschland, oder eins weltweit, das sich hauptsächlich mit Aerosolen, also Feinstaub, und der Auswirkung auf Gesundheit und Klima befasst."
Und wie sieht die Lage aus?
"Total Scheiße… in Asien, Lateinamerika, ist die Luftverschmutzung enorm und momentan versucht man in China gegenzusteuern. Ich selbst habe nicht den Eindruck dass es nützt, aber in anderen Ländern ist das Problem eben sozioökonomisch. Wenn man den Leuten verbietet, in Manila diese Jeeps, da hängen einzelnen Familienschicksale dran. Man kann das nicht sagen, ab heute keine Jeeps mehr, das ist politisch nicht durchsetzbar. Und in Indien! 400 Millionen Leute leben in Slums. Die Frauen kochen, indem sie etwas verbrennen. Ob das nun Kohle ist oder Holz oder Dung oder Abfall. Sehr hohe Emissionen, sehr hohes Potential an Lungenkrebs, durch die eingeatmeten Verbrennungspartikel vor Ort, aber auch an der Straße durch die Jeeps, die sehr stinken."
Mit der Industrialisierung hat der Mensch selbst die Büchse der Pandora noch einmal geöffnet. Allerdings kamen aus ihr nicht Seuchen und Krankheiten, sondern unsichtbare, unbekannte, ultrakleine Teilchen. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen in Motoren von Autos und LKWs, in Kraft- und Heizwerken, in Abfallverbrennungsanlagen, Öfen und Heizungen. Industrieanlagen würden keine so große Rolle mehr spielen, ergaben Studien vom Leibnitz Institut für Troposphärenforschung. Die Vorgaben seien mittlerweile so streng, und die Filteranlagen so gut, dass kaum noch Schadstoffe in die Atemluft gelangen. Mit Ausnahme der Autoindustrie, die von Axel Friedrich stark kritisiert und demontiert wird. Der Chemiker und Umweltexperte ist Mitbegründer des International Council on Clean Transportation.
Axel Friedrich: "Wir sind im Bereich Verkehr völlig von dem weg, was wir nachhaltig nennen, das heißt, er dürfte nicht die Menschen vorzeitig sterben lassen, durch hohe Belastung von Abgase und Lärm."
Der Autoindustrie scheint das egal zu sein. Sie manipuliert Motoren so, dass ihre Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten werden, nicht aber auf der Straße. Axel Friedrich, damals Abteilungsleiter im Umweltbundesamt, gab die Daten an die Öffentlichkeit weiter. Erstmals im Jahr 2008. Es interessierte niemanden. Erst sieben Jahre später, als er den VW Skandal in den USA mit aufdeckte, gab es einen Aufschrei der Empörung.
"Es war im Mittel um den Faktor acht höhere Emissionen im normalen Leben, als auf dem Prüfstand. Heißt, deutlich erhöhte Emissionen und das geht nur indem man erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand steht oder nicht und das ist illegal, eindeutig illegal. Die Argumente der Hersteller, das wäre zugelassen, das ist juristisch unhaltbar. Hier geht es wirklich um Missbrauch, um vorsätzlichen Betrug, um nichts anderes."
VW sei da nur ein dunkelgraues Schaf, weiß er mittlerweile.
"Wir haben schwarze und tiefschwarze Schafe, die deutlich schlechter sind als VW. Na, wir haben hier Renault Nissan, Fiat Kreisler, Opel, Ford, deutlich höhere Emissionen von diesen Fahrzeugherstellern, als bei den Fahrzeugherstellern von VW."
Kriminell seien sie alle, denn der laxe Umgang mit Feinstaubgrenzwerten kostet Menschenleben. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur starben im Jahr 2012 in Deutschland vorzeitig 59 500 Menschen durch Feinstaub. Zusammen mit Italien nimmt Deutschland den Spitzenplatz in der EU ein.
Zahl der Toten durch Feinstaub
In Polen starben in dem Jahr 2012 - 44 600 Menschen durch Feinstaub, in Frankreich: 43 400
Vereinigtes Königreich: 37 800
Rumänien und Spanien jeweils: 25 500 Todesopfer
Bulgarien: 14 100
Serbien: 13 400
Ungarn: 12 800
Griechenland: 11 100
Tschechien: 10 400.
Axel Friedrich kritisiert, die Bevölkerung nehme es einfach hin.
"Wenn ich ein Auto kaufe und da steht Euro-6 drauf, und ich hab ein Euro-0- Fahrzeug, wahrlich auf der Straße, ein Auto Null! dann würde ich dem Hersteller sagen, diesen Dreck kannst du wieder haben!"
Passivität ist die eine Sache. Die andere Seite seien Politiker, die aktiv ins Geschehen eingreifen und zwar so, wie es nicht sein sollte:
Eckart Peter Hans von Klaeden, Staatsminister des Bundeskanzleramtes wechselt 2013 zu Daimler Benz.
Matthias Wissmann. Bis 1998 Bundesminister für Verkehr. Seit 2007 Präsident des Verbandes der Automobilindustrie.
Friedrich: "Man regt sich auf, wenn Herr Pofalla mal zur Bahn wechselt, wenn mal sowas auch zur Konkurrenz passiert, da gibt es einen großen Aufschrei, in andern Fällen tut man so, als wäre es normal und das ist der Skandal. Die werden ja nicht eingekauft, wegen ihres hohen Wissens Automobiltechnik, sondern eingekauft, weil sie eben Verbindungen haben. Wenn Herr von Klaeden eben anruft bei Frau Merkel, ruft er bei Frau Merkel an. Bei mir nimmt sie das Telefon nicht ab! Das ist ein kleiner Unterschied."
Leipzig, Willy Brandt Platz am Hauptbahnhof
Wiedensohler: "...und das ist jetzt das Messgerät, das transportable..."
Alfred Wiedensohler begrüßt seine Doktorandin Honey Alas. Eine zierliche Asiatin um die 30. Mit ihr zusammen wird er heute die Messungen machen. Vor ihnen auf einer Bank steht ein transportables Feinstaubmessgerät. Eine Art Schalenkoffer, aus dem ein Metallrohr heraus schaut.
Wiedensohler: "...zwei Sachen sind drin, einmal das Ruß-Fotometer. Das ist ein optisches Größenspektrometer, was im Prinzip man benutzen kann für die Bestimmung der Gesamtpartikelmasse."
Honey Alas schnallt sich den Koffer auf den Rücken und läuft damit die Leipziger Hauptverkehrsstraße am Bahnhof entlang.
Wiedensohler: "Können sie da jetzt schon was ablesen? Hier ja, zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Ist das viel? Ne. Wirklich nicht? Weil hier ist ja ein extremer Verkehr.
Ne, man muss sehen, der Verkehr von dem Auspuff trägt nur ein, zwei, drei Mikrogramm bei. Plus den Straßenstaub der hochgewirbelt wird und trocken ist und der Rest ist ran transportiert. Momentan haben wir diese West Wetterlage mit frischer Luft vom Ozean. Das ist alles sehr sauber, was da kommt."
Ist das hier ein Ort, den man nicht so oft aufsuchen sollte, weil es nicht so gesund ist?
"Sagen wir mal so. Es ist alles relativ. Natürlich, an einer Straße atmet man immer mehr Abgas ein, als wenn ich jetzt schon 50 Meter hier die Querstraße rein gehe. Da ist es schon wesentlich geringer, also schon um einen Faktor zwei, drei geringer."
Seit dem 1. Januar 2005 gibt es EU-weit für Feinstaub PM10 einen Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft. Dieser Wert darf allerdings bis zu 35 mal im Jahr überschritten werden.
Doch wieso kann Feinstaub Krebs auslösen? Was genau geschieht im menschlichen Körper? Prof. Gerrit Schüürmann, Abteilungsleiter Ökologische Chemie am Leipziger Helmholtz Zentrum erläutert es am Beispiel von Benzo(a)pyren.
Gerrit Schüürmann: "Benzo(a)pyren ist, das mag sie jetzt überraschen, nicht an sich Krebs auslösend. Sondern es ist ein, wie wir sagen, Metabolit, ein Folgestoff, der durch Wechselwirkungen mit Prozessen im Organismus erst entsteht."
Winzling schadet auch der Wirtschaft
Ein Metabolit ist ein Stoff, der vom Körper umgewandelt wird. Auf diesem Weg wird Benzo(a)pyren elektrophil, d.h. es ist bestrebt, sich mit anderen Molekülen, die eine erhöhte Elektronendichte besitzen, zu verbinden. Mit dieser Eigenschaft dringt das veränderte Molekül – der Metabolit - in die Zelle ein.
Schüürmann: "Das heißt, er verbindet sich mit einer elektronenreichen Komponente unseres Erbgutes. Und das Unglück ist nun, dass dies wiederum mit einer Wahrscheinlichkeit, dann über einen mehrjährigen Prozess sich aufschaukeln kann, bis zu einer Umprogrammierung der Zelle. So dass sie einerseits ihre natürliche Funktion verloren hat und andererseits eine neue gewonnen hat. Nämlich unbegrenztes Wachstum, so lange Nahrung da ist. Und das sind genau die Merkmale bösartiger Krebszellen."
Die Teilchen, die das auslösen können werden PAKs genannt: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Sie entstehen, wenn ein Stoff nicht vollständig verbrennt, beim Toasten, Grillen, Räuchern, Rauchen einer Zigarette. Sie entstehen durch Öl das im Motor, Holz, das im Ofen verbrennt. Die Internationalen Agentur für Krebsforschung hat bereits 105 PAK´s als krebserregend eingestuft. Benzo(A)pyren ist eines davon. Schon geringe Mengen können im menschlichen Körper Krebst auslösen: In naher Zukunft, in zehn Jahren, oder auch gar nicht. Das hängt von vielen Faktoren ab, sagen Experten: Gene, Immunsystem, Psyche, Umwelt.
Auch die Wirtschaft ächzt unter der Last der winzig kleinen Teilchen, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD errechnet haben.
132 Milliarden Euro hat Feinstaub die Deutsche Wirtschaft im Jahr 2010 gekostet. Die Summe ergibt sich aus den vorzeitigen Sterbefällen durch Feinstaub. Für das Jahr 2010 geht die WHO von 41.582 Sterbefällen in Deutschland aus. Zur Bewertung wurde der statistische Wert eines Menschenlebens verwendet. Das sind 3,48 Millionen US Dollar, nach Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirtschaftsstärken der einzelnen OECD-Mitgliedsstaaten sowie einer Inflationsbereinigung.
Ulrich Franck: "Grundsätzlich muss man sagen, bis auf Ausnahmen, ist Feinstaub sicher gesundheitsschädlich."
Erklärt Dr. Ulrich Franck vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig.
Franck: "Ich will Ihnen eine Studie nennen, die wir vor einigen Jahren in Leipzig durchgeführt hatten. Da haben wir sämtliche Notfalleinsätze, die in Leipzig über ein Jahr hinweg ausgeführt wurden, analysiert. Die betreuenden Ärzte beschreiben ja in den Notfalleinsatzprotokollen, welche Erkrankung zu dem Notfalleinsatz geführt hat und wir haben gleichzeitig vom Institut für Troposphären Forschung und vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Messungen zu verschiedenen Feinstaub Komponenten gehabt und dies ließ sich in Relation zueinander setzen. Wobei wir bestimmte Störgrößen, wie zum Beispiel Temperatur oder andere Luftschadstoffe, mit einberechnet haben und haben dann ermitteln können, welche Komponenten vom Feinstaub in dem Fall einen plötzlichen, bedrohlich wirkenden Blutdruckanstieg hervorgerufen haben. Da hat sich in dieser Studie gezeigt, das sind eben nicht die PM10 Partikel, diese zehn Mikrometer Partikel, wie sie gesetzlich reguliert sind, sondern das ist der so genannte Ultra Feinstaub, der nochmal mindestens um den Faktor 100 kleiner ist. Der ist aber gesetzlich nicht reguliert. Es gibt keine Grenzwerte. Aber der macht diese Erkrankung."
Feinstaub sind alle Partikel mit einem Durchmesser kleiner als ein hundertstel Millimeter. Dazu gehören auch alle Teilchen, die nur ein Tausendstel Millimeter oder noch kleiner sind. Für die menschliche Gesundheit gilt die Regel: Umso kleiner, umso schädlicher.
Staat fördert Filter
Die Forderung wird immer lauter. Weniger Feinstaub, weniger Abgase. Wir brauchen saubere Luft zum Leben. Lösungen werden händeringend gesucht und, falls notwendig, finanziell gefördert. So wie eine Feinstaubwand, die Dresdner Studenten entwickelten. Eine Mooswand, zwei mal drei Meter hoch. Sie reinigt die Luft, die durch sie hindurchströmt, vom Feinstaub. Die Entwicklung von emissionsarmen Holzöfen wird gefördert, mittlerweile eine der größten Feinstaubquellen in Städten. Aus dem Schornstein soll saubere Luft strömen, mehr nicht. Aber bis es so weit ist, rufen Verbraucher nach Unterstützung. Auch die Nachrüstung von Filtern solle der Staat fördern. Im Mai beschloss die Bundesregierung die Förderung von Elektroautos. Jeder Käufer bekommt bis zu 4000 Euro vom Staat, wenn er sich für einen sauberen Antrieb entscheidet. 600 Millionen zahlt der Staat insgesamt. 600 Millionen die Autoindustrie. Nicht nur um etwas für das Klima zu tun. Auch saubere Luft in Städten ist dabei ein wichtiger Aspekt.
Wiedensohler: "So walk over this….Wir werden das hier den Sommer durchziehen. Alle zwei Wochen machen wir Leipzig-Messungen und alle zwei Wochen machen wir Dresden-Messungen."
Alfred Wiedensohler und Honey Alas sind schon 15 min unterwegs. Sie laufen mit dem Feinstaubmessgerät im Schnitt einen Kilometer, immer entlang der Hauptverkehrsstraße.
"Das ist einfach nur um die Variabilität zu sehen an der Straße und ein bisschen von der Straße weg und dann wollen wir raus finden, was der Unterschied zwischen den Standorten ist.
Wo es die Kessellagen gibt, Stuttgart. Überall wo gut durchlüftet ist, ist es weniger ein Problem. Norddeutschland sowieso, wegen der Meeresnähe. Wo wir ein Problem haben, ist immer eine Sache, worauf guckt man. Wir gucken auf die Inhaltstoffe und wie gesagt der gefährlichste Inhaltstoff ist wohl der schwarze Kohlenstoff."
Wo es die Kessellagen gibt, Stuttgart. Überall wo gut durchlüftet ist, ist es weniger ein Problem. Norddeutschland sowieso, wegen der Meeresnähe. Wo wir ein Problem haben, ist immer eine Sache, worauf guckt man. Wir gucken auf die Inhaltstoffe und wie gesagt der gefährlichste Inhaltstoff ist wohl der schwarze Kohlenstoff."
Umweltzonen sind ein wichtiger Teil der Lösung auf dem Weg zu gesunder Luft. Allerdings sind sie stark umstritten, obwohl die Wirkung mittlerweile belegt ist, sagt Verkehrsexperte Axel Friedrich.
Friedrich: "20 Prozent der Fahrzeuge erzeugen 80 Prozent der Belastung mit den Emissionen. Das heißt, wenn sie die heraus nehmen, sind sie automatisch drastisch besser geworden. Hier in Berlin gut sichtbar, wie es eine der wenigen Städte waren, die auch kontrolliert haben. Gerade in Leipzig, wir haben gekämpft, bis die Plakette eingeführt wurde. Das war ein unglaublicher Kampf. Was ich überhaupt nicht verstanden hab. Man dachte die Republik fällt zusammen."
Ein kurzer Rückblick ins Jahr 2011. Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal gibt den Startschuss für die Umweltzone.
Heiko Rosenthal, Leipziger Bürgermeister für Umwelt:
"Ja, meine Damen, meine Herren, ich darf sie ganz herzlich willkommen heißen, wir haben auf Grund der Medienanfragen gedacht, wie kriegen wir das strukturiert, dass wir nicht jeden Einzelnen von Ihnen empfangen müssen, insofern haben wir uns gedacht ein Vororttermin am Schild ist ganz sinnvoll um zu zeigen, jawohl, die Schilder hängen."
Die Schilder zeigen dem Autofahrer. Hier darf nur weiter, wer eine grüne Plakette hat. Wer das ignoriert zahlt 40 Euro Strafe. Einen Punkt in Flensburg gibt es auch noch, erklärt der Umwelt-Bürgermeister. Die Leipziger sind empört. Es habe doch keinen Sinn, alte Dieselmotoren zu verbieten. Auch die Jungen Liberalen sind gegen die Umweltzone und demonstrieren vor den gerade aufgestellten Schildern.
Krahl: "Wir wollten ja aufmerksam machen auf die Handwerker, die Unternehmer, die Kleinbetriebe, die es betrifft mit der Umweltzone und zeigen, dass die darauf angewiesen sind ihre Fahrzeuge umrüsten zu lassen auch für ne ganze Menge Geld, was bei einigen kritisch werden könnte."
Sechs Prozent der Privat - PKW in Leipzig sind betroffen, zählt Thomas Krahl auf. Im Nutzkraftbereich 46 Prozent. Allerdings kann jeder eine Förderung bis 300 Euro beantragen, um entsprechende Filter nachzurüsten. Trotzdem. Die Handwerker sind nervös, fürchten Ausgaben, denen sie nicht gewachsen sind. Letztlich ist das nicht eingetreten. Die Luft hingegen wurde besser. Die Rußkonzentration im Ultrafeinstaubbereich ging um 50 Prozent zurück. Trotzdem sind Umweltzonen nach wie vor umstritten. Der Zukunftsforscher Matthias Horx kritisiert das aufs schärfste.
Matthias Horx: "Wenn wir verstehen, wie wir uns heute fortbewegen, mit Verbrennungsmotoren, das ist eine primitive Methode. Da verheizen sie ganz viel kostbare konzentrierte Energie in Wärme. Ich fahre ja seit sechs Jahren nur Elektroautos, die haben einen Wirkungsgrad von 1:4. Also ich bezahle ungefähr pro 100 km, wenn ich den Strom bezahlen würde, den ich selber gewinnen kann, dann bezahle ich einen Viertel des Benzinpreises und ich komm deutlich schneller und leiser und eben auch ohne andere Leute mit Abgasen zu belästigen voran. Das ist doch ein Fortschritt, also machen wir das doch! Das ist auch nicht das letzte Wort. Danach werden Wasserstoffautos kommen und noch neue Technologien, die wir nicht kennen. Wir sind dazu in der Lage und es braucht eine große Menge von Menschen dazu die sagen: Jawohl! Wir wollen das und wir machen das und so lange wir quasi diese kollektive Übereinstimmung, dass esnicht geht, haben, behindert dieser negative Glauben, behindert uns darin, überhaupt etwas zu tun! Und dieses Opfer-Dasein, dieses "sich selbst ruhig stellen", sich im Passiven zu suhlen, das auch noch gut zu finden und allen anderen die Schuld zuzuweisen, das macht mich manchmal zornig. Das gebe ich schon zu."
Jeder 60 Stunden jährlich im Stau
Nach einem Vortrag vor angesehen Wissenschaftlern sitzt Matthias Horx müde und tatsächlich zornig in einem Raum neben der Bühne. Er vermisse die Entschlossenheit, den gemeinsamen Willen etwas zu ändern. Mut, Veränderungen zu unterstützen, mit zu befördern, neue Wege zu gehen.
Horx: "In den zentralen Regierungen sitzen die alten fossilen Autofirmen, extrem stark drin. Also sie haben natürlich eine enorme Lobbykraft, die alles so halten will, wie es ist, weil es eine Zeitlang so war, dass die Autoindustrie seht gut verdient hat, durch ihre alten Fossilmotoren, die sie auch überall auf der Welt verkaufen. Und jetzt krankt das alles. Erstens um den Skandal um die Werte, zweitens weil China nicht mehr so richtig funktioniert und jetzt wird man schon heftig darüber nachdenken, wie man ein Stück weit weiter kommt, so wie man ja auch in der Energiewende ein Stück weit weiter gekommen ist. Das ist ja auch nicht vollendet. Und die viel flexiblere Form zwischen vielen Verkehrsmitteln hin und her zu schalten, das erfordert Mut. Das erfordert, wie in der Männer Frauen Frage, so was wie Wahlfreiheit. In einer Stadt zwischen Auto, also fossilfreien Auto, öffentlichen Nahverkehr und Fahrrad wählen zu können, heißt ja auch, dass ich mich mit dem Fahrrad überall gut bewegen kann, ohne dauernd bedroht zu sein."
Jeder Deutsche steckt im Jahr durchschnittlich 60 Stunden im Stau. Das möchte natürlich niemand. Doch was kann man dagegen tun, wie könnte der Straßenverkehr von Morgen aussehen? Eine Vision:
Intelligente Verkehrsleitsysteme, mehr öffentlicher Nahverkehr, komfortable Sharing- und Leasingmodelle, selbstfahrende Elektrobusse, ausgebaute und sichere Radwege, E-Tankstellen an jeder Straßenlaterne. Ein paar Elektroautos, ab und zu ein Wasserstoffauto, ohne Motorengeräusche und gänzlich ohne Ruß oder anderen Feinstaub zu produzieren. Strom kommt von Sonne, Wind und Wasser. Die Luft ist sauber.
"Es sind ja sehr viel Städte im letzten Jahrhundert nicht mehr Menschengerecht gebaut wurden, sondern für das Auto zugeschnitten wurden, mit fatalen Auswirkungen, wie wir wissen."
Auch der Städteplaner Hans Hermann Knoflacher kämpft für saubere Luft und gesündere Städte. Er ist Politikberater und Professor am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Wien. Er lebt auf dem Land, hat aber kein eigenes Auto. Dafür habe er sich für eine Busverbindung in seinen Ort stark gemacht und die auch bekommen.
Knoflacher: "Wenn wir Geld in die Hand nehmen, dann sollten wir es so machen wie der Bürgermeister von Seoul, der Geld in die Hand genommen hat, und die Autobahn abgerissen hat, obwohl sie 220 000 Fahrzeuge täglich zu tragen hatte, und damit großen politischen Erfolg hatte, denn er wurde ja zum Präsidenten von Südkorea gewählt, von der Wirtschaftspartei. Und er hat sich entschlossen die Autobahn abzureisen und den darunter liegenden Fluss frei zu legen und das war eine Autobahn die auch eine Art nationaler Stolz, eine Art nationales Monument war, weil sie nach dem Koreakrieg die erste große technische Leistung des Landes war. Also man muss das entsprechend bewerten."
4000 Kaufleute seien auf die Barrikaden gegangen, legten Feuer, um den Abriss der Autobahn zu stoppen. Sie hatten Angst um ihr Einkommen.
"Diese Kaufleute haben nachher festgestellt, dass sie offensichtlich mehr Umsätze machen als vorher, in einer schöneren Umgebung und das dürfte auch der Grund gewesen sein, dass man festgestellt hat, diese Art von grüner Politik ist exzellente Wirtschaftspolitik."
Erweiterung der A 100 - falsches Signal
Berlin entscheidet sich derzeit für eine andere Politik. Die Stadtautobahn soll verlängert werden. In einer Broschüre des Senats heißt es:
Mit dem Projekt "Verlängerung der A 100" besteht für die gesamte Stadt eine große Chance: Wir können die Verkehrsverhältnisse verbessern, die Gesamtbelastung der Bevölkerung durch den Kraftfahrzeugverkehr verringern und zugleich bessere Voraussetzungen für eine höhere Lebensqualität und eine bessere wirtschaftliche Entwicklung in wichtigen Stadträumen schaffen.
Die A 100 ist ein völlig falsches Signal, kontert Axel Friedrich.
Friedrich: "Weil sie Verkehr in die Stadt hinein bringt. Wir wissen, dass solche Verlängerungen auch Folgewirkung haben, weil sich durch solche Modellierungen zeigt, dass die Verlängerung der A 100 am Funkturm Stau erzeugt, weil da schon eine sehr hohe Verkehrsdichte ist."
Außerdem gelte die Regel. Mehr Straßen mehr Autos. Ein Phänomen, das mittlerweile wissenschaftlich belegt sei.
"Wenn sie mehr Straßen bauen, kriegen sie mehr Verkehr. Aber erstaunlicherweise ist diese wissenschaftliche Erkenntnis bei der Politik nicht im Kopf angekommen."
Was wäre eigentlich, wenn es uns Menschen nicht gäbe. Keine Motoren, keine Chemiekraftwerke, auch nicht Millionen kleine, Ruß produzierende Holzöfen?
Wiedensohler: "Wenn ich die Verbrennung abschaffen würde, dann würden die gesamten Verbrennungspartikel nicht mehr existieren, der Ruß. Aber das natürliche Aerosol gibt es auch noch. Die ganzen Wälder emittieren ja immer noch die Terpene, was so gut riecht im Wald. Wir haben jetzt, wenn es draußen ins ländliche geht, haben wir Jahresmittel um 20 Mikrogramm in Deutschland, vielleicht im Westen nur 15, näher am Ozean. Man würde dann irgendwo, wenn man den Mensch abschaffen würde, zwischen fünf und zehn Mikrogramm liegen."
Feinstaub gehört zu diesem Planeten, wie die Fische in den Ozean, wie summende Insekten auf eine Sommerwiese. Der von Menschen gemachte Feinstaub gehört allerdings nicht dazu.
Matthias Horx: "Wir werden diese Dinge lösen!! Wir werden neue Technologien erfinden. Wir sind Menschen, wir können das ändern!"