Wüstenstromprojekt nimmt Formen an
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Desertec Foundation, Max Schön, ist trotz Wirtschaftskrise optimistisch, dass das Projekt zur Erzeugung von Solar- und Windstrom in Wüstenregionen ein Erfolg wird. Zugleich kritisierte er mangelnde politische Unterstützung für regenerative Energien.
Christopher Ricke: Es ist ein Projekt zur Rettung der Welt: Desertec, die Idee, in Wüsten riesige Mengen Solarstrom zu erzeugen und damit für Energie und Klimasicherheit zu sorgen. Vor einem Jahr etwa hat die Idee weltweit für ziemliche Begeisterung gesorgt und ab Ende 2015 soll dann tatsächlich sauberer Strom von Nordafrika nach Europa fließen. Max Schön ist der Desertec-Aufsichtsratsvorsitzende, außerdem Präsident der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Dort sucht man seit Jahrzehnten nach Wegen, Wohlstand und Rettung der Erde in Einklang zu bringen. Guten Morgen, Herr Schön!
Max Schön: Guten Morgen!
Ricke: Jetzt haben wir vor einem Jahr über Desertec diskutiert, uns über dieses Projekt gefreut, aber auch festgestellt, dass das alles wahnsinnig teuer wird. Jetzt ist es ein bisschen stiller geworden in den letzten Monaten. Ist das eine Stille der emsigen Geschäftigkeit oder ist das schon eine Grabesstille?
Schön: Nein, das ist emsige Geschäftigkeit und es ist auch gar nicht ganz so still. Das mag vielleicht so der deutsche Blickwinkel sein, denn das Industriekonsortium, was sich im letzten Jahr gebildet hat, die DII, ist in Arbeitsgruppen dabei zu gucken, wie kann man das jetzt tatsächlich finanzieren, refinanzieren, was muss juristisch geändert werden und wo sind die besten Trassen und wo könnten die ersten Kraftwerke stehen.
Auf der anderen Seite aber gibt es bereits erste Investitionen: In bereits erheblichem Umfang wird jetzt in Marokko investiert, der König von Marokko hat sowohl angekündigt, etwa zwei Gigawatt – das ist etwa die Leistung von zwei Atomkraftwerken – mit Solarthermie in die Wüste Marokkos zu bauen, und hat jetzt vor etwa drei Wochen angekündigt, weitere zwei Gigawatt insgesamt an Windenergie zu installieren.
Ricke: Jetzt gibt es erste Investitionen, aber es gibt noch keine vollständige Investitionsliste und die Weltfinanzkrise hat sehr viel Geld vernichtet, auch Geld, das man durchaus hätte in Desertec stecken können. Ist Ihr Optimismus da wirklich immer noch unbegrenzt?
Schön: Ja, denn der Energiebedarf der Menschen und auch der Bedarf in den Wüstenregionen der gesamten Welt nach Wasser ist enorm groß. Gerade in diesen Regionen explodiert die Bevölkerung, die Brunnen sind in vielen Bereichen leer. Es muss also auch in großem Stile Trinkwasser für Landwirtschaft und auch für den täglichen Bedarf von Mensch und Tier hergestellt werden. Und diesen Energiebedarf, den müssen wir Menschen einfach, sag ich mal, hinbekommen und dazu brauchen wir neue Kraftwerke.
Und das Zweite ist, dass in vielen Schwellenländern jetzt die Industrialisierung erst richtig losgeht, und es wäre fatal, wenn diese Industrialisierung mit den gleichen CO2-Lasten vonstattengeht, wie wir das in den vergangenen 30 Jahren gemacht haben.
Ricke: Es steht und fällt so ein grenzüberschreitendes Projekt aber natürlich mit der Stabilität, mit der politischen Stabilität in den Erzeugerländern und die sind es zumindest in Nordafrika nicht unbedingt. Da gibt es die schöne Hoffnung, dass, wenn man gute Geschäfte miteinander macht, nicht miteinander in Streit gerät. Aber das ist doch nur eine Hoffnung?
Schön: Das würde ich nicht sagen. Also, wenn wir in den Mittelmeerraum schauen, dann gibt es ja da zum Beispiel Lieferbeziehungen für Gas schon seit Jahrzehnten, die extrem stabil sind. Es gab keine Engpässe bei der Gasversorgung, wie wir sie zum Beispiel über die Ukraine in den letzten 24 Monaten zweimal gesehen haben. Das läuft über sehr viele Jahre stabil.
Und das Zweite ist: Wir müssen, wenn wir über Stabilität und Instabilität unserer Energieversorgung sprechen, auch sehen, wie stabil sind wir denn eigentlich heute, wo kaufen wir denn heute unsere Kohle, unser Öl? Und wenn wir die Lieferländer angucken, die uns mit diesen klassischen Ressourcen versorgen, dann müssen wir zwei Dinge feststellen: Erstens, alle diese Ressourcen sind begrenzt zeitlich, irgendwann sind sie alle; und das Zweite ist, dass die Liste dieser Lieferländer weitaus instabiler wäre als das Desertec-Szenario, bei dem ja immerhin auch 60 Prozent des Stromes in Europa aus heimischen regenerativen Quellen kommen soll.
Ricke: Jetzt hat uns ja die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gezeigt, dass ein Umstieg auf alternative Energien notwendig ist. Aber wir haben auf dem Klimagipfel in Kopenhagen auch gesehen, dass die Politik noch nicht in der Lage ist, sich auf ein solches Klimaschutzziel zu verständigen. Wie geht denn Desertec durch dieses Wechselbad des ökologischen und politischen Handelns?
Schön: Also, Desertec ist ja angefangen worden vor etwa acht Jahren, entwickelt zu werden. Damals noch nicht unter dem Namen Desertec, sondern unter dem Namen TREC. Und es ist eben eine zivilgesellschaftliche Anstrengung, sag ich mal. Und die Desertec-Stiftung heute ist eine NGO, genau so wie das Industriekonsortium, die DII, eben auch eine privatwirtschaftliche Vereinigung ist. Und ich glaube, das ist ein Zeichen, wie wir in Zukunft sehr viel häufiger neue, internationale Initiativen finden werden, dass die eben gar nicht von der Politik ausgehen, sondern dass sie eben von Unternehmen ausgehen, von Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen, Bürgervereinigungen und, und, und.
Ich glaube, dass das Beispiel Desertec in dieser Hinsicht eigentlich Mut machen kann, dass man trotz Auf und Ab, trotz gescheiterter Umweltgipfel, trotz eines stagnierenden Mittelmeerplanes einfach weitermachen kann, wenn man ganz entschlossen ist und zum Zweiten eben auch ein Ziel hat, für das es sich lohnt, eben auch mit einem, ja manchmal mit einem langen Atem voranzugehen. Denn es ist schon gewaltig, zu sehen, dass es hier Menschen gibt, die über einen solchen Zeitraum von acht Jahren immer weiter an diesem Ziel dranbleiben.
Und die Gründung der Desertec-Stiftung hat ja auch zum Ziel einen Umbau unseres Energiesystems hin zu regenerativen Energien innerhalb eines Zeitraums von 20, 30 Jahren. Da braucht man wirklich langen Atem und ich glaube, den hat die Zivilgesellschaft sehr viel häufiger als Regierungen, die dann naturgemäß alle Nase lang wechseln.
Ricke: Zu der Zivilgesellschaft kommt noch die Technik, die Industrie und auch die Forschung. Man kann ja Desertec und die angeschlossenen Industrieunternehmen durchaus auch als Chance für die deutsche Technologie sehen. Haben Sie den Eindruck, dass wir fit sind, dass wir auch im weltweiten Wettlauf um die richtige Ökotechnologie weiter mit vorne sind?
Schön: Also, was die Technologie anbetrifft, würde ich sagen ist Deutschland nach wie vor in einer Spitzenposition weltweit. Was die Entschlossenheit, die politische Entschlossenheit anbetrifft, tatsächlich diese Dinge auch umzusetzen, international sich dafür einzusetzen – ich sag mal so eine Art Technologieaußenpolitik –, ich glaube, da ist Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, die das sehr viel besser können wie USA, Frankreich, Japan, nach wie vor sehr viel schwächer. Da haben wir Nachholbedarf in Deutschland.
Ricke: Max Schön, der Desertec-Aufsichtsratsvorsitzende – ich danke Ihnen, Herr Schön!
Schön: Gerne!
Max Schön: Guten Morgen!
Ricke: Jetzt haben wir vor einem Jahr über Desertec diskutiert, uns über dieses Projekt gefreut, aber auch festgestellt, dass das alles wahnsinnig teuer wird. Jetzt ist es ein bisschen stiller geworden in den letzten Monaten. Ist das eine Stille der emsigen Geschäftigkeit oder ist das schon eine Grabesstille?
Schön: Nein, das ist emsige Geschäftigkeit und es ist auch gar nicht ganz so still. Das mag vielleicht so der deutsche Blickwinkel sein, denn das Industriekonsortium, was sich im letzten Jahr gebildet hat, die DII, ist in Arbeitsgruppen dabei zu gucken, wie kann man das jetzt tatsächlich finanzieren, refinanzieren, was muss juristisch geändert werden und wo sind die besten Trassen und wo könnten die ersten Kraftwerke stehen.
Auf der anderen Seite aber gibt es bereits erste Investitionen: In bereits erheblichem Umfang wird jetzt in Marokko investiert, der König von Marokko hat sowohl angekündigt, etwa zwei Gigawatt – das ist etwa die Leistung von zwei Atomkraftwerken – mit Solarthermie in die Wüste Marokkos zu bauen, und hat jetzt vor etwa drei Wochen angekündigt, weitere zwei Gigawatt insgesamt an Windenergie zu installieren.
Ricke: Jetzt gibt es erste Investitionen, aber es gibt noch keine vollständige Investitionsliste und die Weltfinanzkrise hat sehr viel Geld vernichtet, auch Geld, das man durchaus hätte in Desertec stecken können. Ist Ihr Optimismus da wirklich immer noch unbegrenzt?
Schön: Ja, denn der Energiebedarf der Menschen und auch der Bedarf in den Wüstenregionen der gesamten Welt nach Wasser ist enorm groß. Gerade in diesen Regionen explodiert die Bevölkerung, die Brunnen sind in vielen Bereichen leer. Es muss also auch in großem Stile Trinkwasser für Landwirtschaft und auch für den täglichen Bedarf von Mensch und Tier hergestellt werden. Und diesen Energiebedarf, den müssen wir Menschen einfach, sag ich mal, hinbekommen und dazu brauchen wir neue Kraftwerke.
Und das Zweite ist, dass in vielen Schwellenländern jetzt die Industrialisierung erst richtig losgeht, und es wäre fatal, wenn diese Industrialisierung mit den gleichen CO2-Lasten vonstattengeht, wie wir das in den vergangenen 30 Jahren gemacht haben.
Ricke: Es steht und fällt so ein grenzüberschreitendes Projekt aber natürlich mit der Stabilität, mit der politischen Stabilität in den Erzeugerländern und die sind es zumindest in Nordafrika nicht unbedingt. Da gibt es die schöne Hoffnung, dass, wenn man gute Geschäfte miteinander macht, nicht miteinander in Streit gerät. Aber das ist doch nur eine Hoffnung?
Schön: Das würde ich nicht sagen. Also, wenn wir in den Mittelmeerraum schauen, dann gibt es ja da zum Beispiel Lieferbeziehungen für Gas schon seit Jahrzehnten, die extrem stabil sind. Es gab keine Engpässe bei der Gasversorgung, wie wir sie zum Beispiel über die Ukraine in den letzten 24 Monaten zweimal gesehen haben. Das läuft über sehr viele Jahre stabil.
Und das Zweite ist: Wir müssen, wenn wir über Stabilität und Instabilität unserer Energieversorgung sprechen, auch sehen, wie stabil sind wir denn eigentlich heute, wo kaufen wir denn heute unsere Kohle, unser Öl? Und wenn wir die Lieferländer angucken, die uns mit diesen klassischen Ressourcen versorgen, dann müssen wir zwei Dinge feststellen: Erstens, alle diese Ressourcen sind begrenzt zeitlich, irgendwann sind sie alle; und das Zweite ist, dass die Liste dieser Lieferländer weitaus instabiler wäre als das Desertec-Szenario, bei dem ja immerhin auch 60 Prozent des Stromes in Europa aus heimischen regenerativen Quellen kommen soll.
Ricke: Jetzt hat uns ja die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gezeigt, dass ein Umstieg auf alternative Energien notwendig ist. Aber wir haben auf dem Klimagipfel in Kopenhagen auch gesehen, dass die Politik noch nicht in der Lage ist, sich auf ein solches Klimaschutzziel zu verständigen. Wie geht denn Desertec durch dieses Wechselbad des ökologischen und politischen Handelns?
Schön: Also, Desertec ist ja angefangen worden vor etwa acht Jahren, entwickelt zu werden. Damals noch nicht unter dem Namen Desertec, sondern unter dem Namen TREC. Und es ist eben eine zivilgesellschaftliche Anstrengung, sag ich mal. Und die Desertec-Stiftung heute ist eine NGO, genau so wie das Industriekonsortium, die DII, eben auch eine privatwirtschaftliche Vereinigung ist. Und ich glaube, das ist ein Zeichen, wie wir in Zukunft sehr viel häufiger neue, internationale Initiativen finden werden, dass die eben gar nicht von der Politik ausgehen, sondern dass sie eben von Unternehmen ausgehen, von Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen, Bürgervereinigungen und, und, und.
Ich glaube, dass das Beispiel Desertec in dieser Hinsicht eigentlich Mut machen kann, dass man trotz Auf und Ab, trotz gescheiterter Umweltgipfel, trotz eines stagnierenden Mittelmeerplanes einfach weitermachen kann, wenn man ganz entschlossen ist und zum Zweiten eben auch ein Ziel hat, für das es sich lohnt, eben auch mit einem, ja manchmal mit einem langen Atem voranzugehen. Denn es ist schon gewaltig, zu sehen, dass es hier Menschen gibt, die über einen solchen Zeitraum von acht Jahren immer weiter an diesem Ziel dranbleiben.
Und die Gründung der Desertec-Stiftung hat ja auch zum Ziel einen Umbau unseres Energiesystems hin zu regenerativen Energien innerhalb eines Zeitraums von 20, 30 Jahren. Da braucht man wirklich langen Atem und ich glaube, den hat die Zivilgesellschaft sehr viel häufiger als Regierungen, die dann naturgemäß alle Nase lang wechseln.
Ricke: Zu der Zivilgesellschaft kommt noch die Technik, die Industrie und auch die Forschung. Man kann ja Desertec und die angeschlossenen Industrieunternehmen durchaus auch als Chance für die deutsche Technologie sehen. Haben Sie den Eindruck, dass wir fit sind, dass wir auch im weltweiten Wettlauf um die richtige Ökotechnologie weiter mit vorne sind?
Schön: Also, was die Technologie anbetrifft, würde ich sagen ist Deutschland nach wie vor in einer Spitzenposition weltweit. Was die Entschlossenheit, die politische Entschlossenheit anbetrifft, tatsächlich diese Dinge auch umzusetzen, international sich dafür einzusetzen – ich sag mal so eine Art Technologieaußenpolitik –, ich glaube, da ist Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, die das sehr viel besser können wie USA, Frankreich, Japan, nach wie vor sehr viel schwächer. Da haben wir Nachholbedarf in Deutschland.
Ricke: Max Schön, der Desertec-Aufsichtsratsvorsitzende – ich danke Ihnen, Herr Schön!
Schön: Gerne!