Späte Ehrung mutiger Helfer
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Der Regisseur Roman Polanski entkam als Kind dem Holocaust, weil er von einem polnischen Ehepaar versteckt wurde. Stefania und Jan Buchala wurden posthum von der Gedenkstätte Yad Vashem im polnischen Gleiwitz als "Gerechte unter den Völkern" geehrt.
Auszeichnung als "Gerechte unter den Völkern" im Stadtmuseum Gleiwitz: Stanislaw Buchala nimmt sie entgegen, stellvertretend für seine Großeltern Stefania und Jan Buchala, früh an Tuberkulose gestorbene polnische Bauern, die, obwohl bitterarm, mitten im Krieg den ungefähr zehnjährigen Roman Polanski aufnehmen und in ihrem Haus, nach den Erinnerungen eher eine Hütte, verstecken – obwohl sie kaum die eigenen Kinder versorgen können, wie sich Polanski Jahrzehnte später erinnert, in seinem Schreiben an die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, und obwohl unter deutscher Besatzung in Polen Todesstrafe gilt für den, der Juden hilft. In Gleiwitz erklärte der Regisseur jetzt:
"Ich habe zwei Mal den Ort in der Nähe von hier, zwischen Gleiwitz und Krakau, besucht. Er heißt Wysoka. Dort gab es nicht mehr das mit Stroh bedeckte Haus, in dem die Buchalas lebten. Und bis vor wenigen Monaten wusste ich nicht, dass es irgendwo in Polen noch den Enkel von Frau Buchala gibt, die ungewöhnlich edelmütig war, religiös, ganz anderer Religion, als der kleine Junge, den sie beschützte."
Bewegende Begegnung mit dem Enkel der Retter
Eingesperrt im Krakauer Ghetto, schneidet Polanskis Vater in einem unbewachten Moment ein Loch in den Zaun und schiebt den jungen Roman heraus. Der Junge kommt zunächst gegen Wertgegenstände bei Bekannten der Familie unter, die ihn weiterreichen, am Ende landet er bei den Buchalas, die nichts bekamen. Erst durch Arbeiten junger polnischer Dokumentarfilmer trifft Polanski ein Dreivierteljahrhundert später den Buchala-Enkel Stanislaw. Dokumentarfilmer Mateusz Kudla beschreibt die Szene so:
"Das war eine sehr bewegende Begegnung, umso mehr, als Herr Buchala in dem Moment Fotos herausholte, auf denen Stefania und Jan Buchala zu sehen waren. Herr Polanski sah zum ersten Mal nach 70 Jahren Menschen, die ihm das Leben gerettet hatten, und das hatte er nicht erwartet."
Oft halfen Ausgegrenzte den Verfolgten
Gut 7000 Polen sind als "Gerechte" in Yad Vashem verewigt. Keine Nation zählt so viele dieser Ehrentitel. Allerdings war Polen auch Epizentrum des Völkermords: Jeder zweite der sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden war zugleich polnischer Staatsbürger. Die polnische Holocaust-Forscherin Barbara Engelking stieß öfter auf Menschen wie die Buchalas: Gerade die Ärmsten halfen den Verfolgten.
"Wenn man die Provinz erforscht, stößt man auf ein Muster, dass Menschen den Juden helfen, die am Rande des Dorfes leben, am Wald, nicht gerade im Zentrum. Irgendwo abseits, nicht selten auch im sozialen Sinne. Die sogar im Streit mit dem Dorf stehen. Uneheliche Kinder oder Andersgläubige, die nicht recht passen. Und das kann man schon wieder damit erklären, dass es Menschen sind, die selbst wissen, wie sich Ausgrenzung anfühlt."
Heldentum und Menschenliebe des Ehepaars Buchala
Der Enkel der Buchalas hätte eigentlich leicht selbst darauf kommen können, dass seine Familie dem inzwischen weltberühmten Regisseur das Leben rettete, hätte er nur die bereits in den 80er-Jahren erschienene Polanski-Autobiografie gelesen, wo die Ereignisse recht genau beschrieben sind. So aber kannte Stanislaw Buchala nur vom Vater die Anekdote, es habe da einen Romek gegeben, der ausgewandert sei. Beide hatten miteinander gespielt.
Polanski äußerte sich vor allem positiv über die Großmutter, offenbar die eigentliche Herrin im Haus der Buchalas, die einzig und allein aus "Menschenliebe" gehandelt habe. Jan Buchala, der Großvater, sei eher am Gedeihen seiner Tabakpflanzen interessiert gewesen. Der Enkel rückt das gerade:
"Das war heldenhaft, von der Großmutter, aber auch vom Großvater. Er musste zustimmen, sonst hätten sie ihn nicht gerettet. Und dass Polanski sich daran erinnert, heißt, dass es ihm gut ging, er sich gut erinnert. Er hat sich an vieles erinnert. Ich habe von ihm viel über meine Familie erfahren. Er beschrieb, wie er spielte, wie er meinem Vater die Bahn zeigte. Der glaubte gar nicht, dass es so etwas wie eine Eisenbahn gibt. Durch diese Ehrung sollen die Leute erfahren, gerade jetzt in der Pandemie, dass es Menschen gibt, die selbstlos etwas für einen anderen Menschen tun, und dass es gut ist."
Der Dokumentarfilm "Polanski, Horowitz" von Mateusz Kudla soll nächstes Jahr anlaufen.