Yasmine M'Barek über Realpolitik

Mehr Kompromisse wagen

20:46 Minuten
Eine junge Frau hält ein Schild hoch, dass ein Auto und einen Baum zeigen, die aus Pappe ausgeschnitten sind. Darüber stehen die Buchstaben "WTF", was für "What the Fuck" steht. Gemeint ist die Rodung des Danneröder Waldes für den Bau der Autobahn A 49.
Bei aller verständlichen Wut der Klimaaktivistinnen und -aktivisten: Yasmine M'Barek plädiert für das pragmatische Aufeinander-Zugehen. © imago images/snapshot
Yasmine M'Barek im Gespräch mit Christian Rabhansl |
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Wie lassen sich politische Ziele am besten erreichen? Durch Konfrontation? Mit Überzeugungsarbeit? "Radikale Kompromisse" fordert die Journalistin und Autorin Yasmine M'Barek. Fortschritt speise sich daraus, dass man sich auf Kompromisse einlasse.
Die Klimapolitik scheitere seit Jahren an mangelnder Kompromissbereitschaft, sagt Yasmine M'Barek. Zuweilen sei es nicht um das bestmögliche Ergebnis gegangen, sondern darum, möglichst schnell zu handeln und der Gegenseite bloß nicht zu viel nachzugeben.
In ihrem Buch "Radikale Kompromisse" plädiert sie für mehr Miteinander. Klimaschützer müssten sich bewusst sein, dass der Kohleausstieg für das 1,5-Grad-Ziel wichtiger sei als der Atomausstieg – und deshalb bei den AKW-Laufzeiten kompromissbereit sein.
Ihre These: "Radikale Kompromisse sind der Grundsatz der Demokratie". Nur so funkioniere Demokratie.

Wenn man sich darauf einlässt, dass Kompromisse das Progressivste sind, was unsere Demokratie zu bieten hat, kommt man viel weiter. 

Yasmine M'Barek

Eisernes Festhalten an den eigenen Positionen schade hingegen dem Fortschritt. Dieser "speist sich daraus, dass man sich auf Kompromisse einlässt".

Idealisten, Konservative und Realisten

Yasmine M'Barek unterscheidet zwischen Idealisten, Stagnierenden und Realisten, die unterschiedliche Positionen innehätten.
Idealisten setzen Impulse, sollten aber nicht davon ausgehen, dass diese sofort ausgeführt werden könnten. Sie seien nicht per se links oder progressiv, auch ein FDP-ler, der auf die schwarze Null setzt, könne Idealist sein. Idealisten seien eher in der Bringschuld. Mit der Offenheit für Gespräche könnten sie die andere Seite aber durchaus in Verlegenheit bringen.

Yasmine M'Barek: "Radikale Kompromisse"
Warum wir uns für eine bessere Politik in der Mitte treffen müssen
Hoffmann und Campe, Hamburg 2021
192 Seiten, 18 Euro

Die andere Seite bestehe oft aus Stagnierenden, Konservativen. Sie wollten eher den Status quo erhalten und Veränderungen verhindern. Diese große Masse verhindere den Fortschritt, weil sie nicht kompromissbereit sei. Das könne auch auf einen Grünen zutreffen, der sich in der Energiefrage nicht zu Kompromissen bereit zeige.
Realisten könnten die Situation einschätzen und verstünden beide Positionen. Sie träten als Vermittler zwischen diesen beiden Gruppen auf. "Was ist meine Handlungsmöglichkeit, was kann ich jetzt gerade tun?" Diese realpolitische Mitte sei offen für das Gemeinsame.

Konfrontation führt nicht unbedingt zur Lösung

Der Umgang jüngerer Generationen mit der Generation der Älteren, der Boomer, sei ein Beispiel, wie Idealismus der Lösung entgegenstehen könne: „Wenn ich das Ziel habe, 1,5 Grad zu verhindern, ist es vielleicht nicht so progressiv, eine ganze Gesellschaftsgruppe zu beleidigen“, sagt M'Barek.
Die Autorin und Journalistin Yasmine M'Barek lächelt verhalten in die Kamera. Im Hintergrund sind farbige Streifen zu sehen, die von der Kulisse der TV-Talkshow Markus Lanz stammen.
Plädiert für mehr Miteinander: Die Journalistin und Autorin Yasmine M'Barek.© imago images/teutopress
Auch die Wut darüber, dass das Verkehrsministerium zwölf Jahre von der CSU geführt worden sei, hält die Autorin für wenig zielführend. Besser wäre es gewesen, auf der Suche nach Lösungen etwa auf Andreas Scheuer zuzugehen. „Stellen Sie sich mal vor, wie Andreas Scheuer dann gestottert hätte.“

Hat Fukushima die Politik vorschnell reagieren lassen?

Auch den schnellen Atomausstieg hinterfragt M'Barek. Fukushima habe Menschen emotionalisiert und eine schnelle Reaktion gefordert. Angela Merkel habe dann zwar ganz schnell gehandelt, womöglich aus Angst vor der Wut von Klimaaktivisten.
Danach hätte man diesen überstürzten Affekt jedoch neu bewerten müssen, meint die Autorin. Schließlich sei die Klimakrise drängender, man habe schlichtweg "keine Zeit mehr".
"Was ist das gemeinsame große Ziel?", fragt Yasmine M'Barek. "Eigentlich wollen wir sichere Energie, wir wollen 1,5 Grad verhindern und die Klimakrise aufhalten." Da müsse man realpolitisch sehen: "Was sind die Faktoren, die uns da am schnellsten hinbringen: Das sollte der Fokus sein"
(ros)

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