Sonnengruß für Christus
Yoga kommt ursprünglich aus dem Hinduismus, aber auch Gläubige anderer Religionen haben es mittlerweile für sich entdeckt. Doch das geht oft nicht ohne Diskussionen.
"Mein Name ist Serafima. Ich habe Yoga gelernt in Indien, wo ich arbeitete zwei Jahre. Das war ungefähr 45 Jahre vorher."
Jetzt ist Serafima Lavrentieva 80 Jahre alt. Vielleicht sogar noch etwas älter, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
"Gewöhnlich sage ich, dass mein Alter nach meinem offiziellen Pass einen anderen Weg geht im Vergleich mit meinem Zustand und meinem Gefühl."
Früher, in der Sowjetunion, hat Serafima Lavrentieva Ballett getanzt. Heute stützt sie sich auf eine Gehhilfe. Yoga praktiziert sie nach wie vor:
"Ja, ich mache jeden Tag. Jeden Tag ungefähr 40 Minuten."
Und sie unterrichtet Yoga, an einem untypischen Ort: an der Tora-Talmud-Schule der Jüdischen Gemeinde Hamburg. Serafima Lavrentieva gehört der Gemeinde selbst an. Zu ihren Kursen kommen jeden Donnerstag bis zu zehn Teilnehmerinnen. Ihnen erklärt sie zum Beispiel die Kobra.
"Kopf geht nach rechts und muss man gucken auf linke Verse. Aber nicht schnell, nur langsam."
Wie passt Yoga in eine jüdische Gemeinde?
Yoga ist im Kontext indischer Religionen und Philosophie entstanden. Seit Jahrhunderten versuchen viele gläubige Hindus, durch Yoga der Erleuchtung näherzukommen. Wie passt das in eine jüdische Gemeinde?
"Wenn die Leute diese Meditation lange Zeit machen, dann kann man diesen Kontakt mit dem Kosmos bekommen. Aber hier in Deutschland ist das nicht unser Ziel."
Eine Übung mit religiösem Bezug unterrichtet Serafima Lavrentieva dann aber doch:
"Nur am Ende von unserem Unterricht wir konzentrieren unsere Augen auf die Mitte der Stirn und sagen einige Om, Om, Om."
Die Silbe "Om" gilt bei Hindus und Buddhisten als heilig. Om steht etwa für die Weltseele oder das Absolute.
"Om, Om, Om. Und das hilft auch für Konzentration. Aber nur zwei Minuten."
"Bismillah" und "Shalom" statt "Om"
Orts- und Religionswechsel. Ein Café im Hauptbahnhof von Hannover. Tasnim El-Naggar bestellt einen Cappuccino. Sie ist Muslimin und macht seit sieben Jahren Yoga.
"Das war bis jetzt eigentlich kein Problem, da reine Frauengruppen zu finden. Und es ist dann eben auch so, dass ich mein Kopftuch ausziehe, weil mich das einfach auch sonst stören würde."
Yoga praktiziert die Redakteurin und Lektorin vor allem aus gesundheitlichen Gründen.
"Weil ich eben schon sehr lange Rückenprobleme habe, dachte ich mir, ja machste mal. Das bringt's halt einfach."
Viele Muslime seien erstaunt, dass sie Yoga macht, sagt Tasnim El-Naggar. Manche seien auch kritisch.
"Ich habe das jetzt aus der religiösen Sicht gar nicht so reflektiert, weil ich sowieso eher denke, okay, wenn es jetzt nicht offensichtlich meiner religiösen Überzeugung widerspricht und wenn es sich für mich gut anfühlt, dann ist es für mich in Ordnung."
Die 33-Jährige macht Yoga als rein körperliche Übung, ohne religiöse Bezüge.
"Ich habe mal Yoga gemacht nach einer DVD und da war das tatsächlich so, da hatte die Frau dann – das waren zwei Bilder von Göttern und sie hat sich vor denen niedergebeugt. Das ging für mich dann zum Beispiel gar nicht. Also da habe ich dann sofort gestoppt und gesagt: Nee, sorry."
Auch die heilige Silbe Om spricht die Muslimin ungern aus.
"Dann habe ich zum Beispiel leise für mich 'Bismillah' gesagt, also 'Im Namen Gottes', und damit war das dann für mich auch okay. Das hat natürlich ein bisschen einen anderen Klang und wahrscheinlich auch eine andere Wirkung, aber ich habe mich mit diesem Om einfach nicht so wohlgefühlt."
Wie bringen Menschen, die nicht hinduistischen Glaubens sind, Yoga in Einklang mit ihrer eigenen Religion? Diese Diskussion wird im Islam geführt, aber auch in Judentum und Christentum.
"Dann sind da auch immer Leute, die sagen: 'Ja, das geht gar nicht. Da lauert der Teufel um die Ecke.'"
Christen denken beim Sonnengruß an Jesus
Peter van der Veer ist Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung multiethnischer und multireligiöser Gesellschaften. Er befasst sich mit der Globalisierung des Yoga – und mit den Reaktionen darauf.
"Im Allgemeinen ist es wirklich in Indien keine Diskussion. Viele Muslime in Indien machen auch Yoga. Aber in Indonesien und in Malaysia sagt man, dass das eine Gefahr ist für den Islam."
Solche Stimmen gibt es auch in jüdischen und christlichen Diskussionen. Deshalb werde Yoga weltweit oft aus dem religiösen Kontext gelöst, sagt Peter van der Veer:
"Viele Leute gebrauchen Yoga nur für Entspannung und für körperliche Gesundheit. Sie haben keine Idee von der spirituellen Bedeutung."
Manche Menschen bringen aber auch Elemente ihrer eigenen Religion ins Yoga ein. Es gibt Juden, die nicht Om sagen, sondern Shalom. Oder Christen, die beim Sonnengruß nicht an die Sonne denken, sondern an den Sohn – also Jesus Christus, den Sohn Gottes.
Heike Javernik: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen."
Yoga unter den Augen des gekreuzigten Jesus
Yoga in der katholischen Kirche St. Marien in Dransfeld im Süden von Niedersachsen. Draußen prasselt der Regen. Drinnen liegen acht Frauen und zwei Männer auf dem Kirchenboden. Sie dehnen und drehen sich – alles unter den Augen des gekreuzigten Jesus, der vor ihnen an der Wand hängt.
"Es ist halt so kombiniert, dass man während der Yogaübungen dann das Wort Gottes noch mal erspüren kann. Und Yoga hat ja außer diesem körperlichen Aspekt halt auch einen sehr spirituellen Aspekt. Und deswegen ist diese Verbindung einfach auch sehr naheliegend."
"Spür mal, wie sich das anfühlt."
Birgit Hacke leitet die Yoga-Übungen an. Seit acht Jahren ist die gläubige Katholikin Yogalehrerin. Theologische Probleme sieht sie bei dem Mix aus Yoga und Christentum nicht.
"Ursprünglich kommt es aus Indien. Das verbinden ja auch viele damit. Auch mit dem Hinduismus. Und es ist aber so, dass Yoga keiner Religion angehört. Das ist zwar seine Herkunft, aber es lässt sich übertragen in alle Glaubensrichtungen. Und das ist halt auch das Schöne daran."
"Jesus Christus ist in unserer Mitte und schenkt uns seinen Frieden."
Auf der Yoga-Matte neben Birgit Hacke sitzt Heike Javernik. Sie ist zuständig für den religiösen Teil dieser "Wortgottesfeier mit Yoga". Sie hatte auch die Idee dazu, bei einem Yoga-Event. Da habe sie 500 Menschen erlebt, die …
"... miteinander fröhlich sind und still sind und erfüllt sind anschließend. Und da habe ich gedacht: Warum kann das nicht auch während eines Gottesdienstes sein? Weil wenn ich vorne am Altar bin als Messdienerin oder Lektorin, dann gucke ich eigentlich nicht in fröhliche Gesichter in der Regel, sondern in griesgrämige oder mürrische. Und ich wünsche mir so sehr, dass wir wieder Gottesdienste miteinander feiern."
Die beiden 50-Jährigen strahlen bis über beide Ohren
Viele der Teilnehmenden sind Stammgäste, schon seit Jahren kommen sie zum Yoga in der Kirche. Am Anfang gab es allerdings nicht nur positive Reaktionen auf diese Idee, erzählt Heike Javernik.
"Einige haben gesagt, das geht ja gar nicht. Man kann doch nicht mit einer Matte in den Kirchenraum gehen. Oder man kann auch nicht das Vaterunser in Bewegung bringen oder die Beine hoch machen in der Kirche oder sonst irgendwas."
Inzwischen interessieren sich auch andere Gemeinden für die Wortgottesfeiern des Kirchen-Yoga-Duos. Birgit Hacke und Heike Javernik sind sichtlich zufrieden mit ihrem Konzept. Die beiden 50-Jährigen strahlen bis über beide Ohren, wenn sie vom Yoga in der Kirche erzählen.
"Ich glaube, wir müssen uns einfach nur trauen, anders Gottesdienst miteinander zu feiern. Weil ich glaube, dass die Bewegung den Leuten entgegenkommt und es ihnen leichter macht, auch fröhlich zu sein in der Kirche."