Yogapraxis - und Philosophie im Nationalsozialismus: Thomas Wheeler im Gespräch mit Marianne Allweiss über das Buch "Yogi Hitler" von Mathias Tietke über Yogapraxis und Philosophie im Nationalsozialismus
(AUDIO): Tietke deutet zumindest an, dass Adolf Hitler meditierte und Eva Braun einst Yoga übte. Doch was bedeutet das? Vor allem stellt Tietke klare Verbindungen her zu indischer Geschichte und Philosophie und zu Spuren davon in der Ideologie des Nationalsozialismus.
Mathias Tietke: "Yogi Hitler. Der Einfluss von Yoga und indischer Philosophie auf die Ideologie des Nationalsozialismus"
Verlag Ludwig, Kiel 2021
160 Seiten, 17,90 Euro
"Das linke Bein folgt in den herabschauenden Hund"
Yoga ist angesagt und fast jeder hat eine Meinung dazu. Doch mehr als die halbwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Yoga-Erkenntnisse zählen für Yoga-Profis, was Yoga-Fans davon haben, wenn sie einatmen und sich verdrehen.
"Kind-Haltung. Die Knie ein wenig auseinander, die Stirn zum Boden und die Arme zurück. Lass die Welt da draußen hinter dir und nutze deinen bewusst geführten Atem, um mit dir selbst in Verbindung zu treten." Innere und äußere Balance, darum geht es im Yoga. Die Ex-Schauspielerin und Yoga Lehrerin Patricia Thielemann war 14 Jahre, als ihre Mutter sie zum Yoga mitnahm: "Weil ich schwer Asthma hatte und Rückenprobleme und so ein schüchterner Teenager war und seitdem bin ich dabeigeblieben."
40 Jahre später macht die elegante und durchtrainierte Frau einen äußerst gesunden Eindruck, sie scheint in sich zu ruhen. Yoga ist für sie der Bezug zum Wesentlichen und zur eigenen Mitte: "Egal wie schnell die Welt da draußen sich dreht."
Immer schwieriger, immer akrobatischer
Letztendlich ist Yoga eine Abfolge unterschiedlicher Haltungen und Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, die je nach Leistungslevel immer schwieriger und auch akrobatischer werden.
"Einatmen. Das rechte Bein tritt zurück. Ausatmen. Das linke Bein folgt in den herabschauenden Hund."
Die Varianz der Übungen sowie das Tempo, der Wechsel und die Haltezeit der einzelnen Posen ermöglichen es, Yoga individuell anzupassen und auch zu einem schweißtreibenden Workout werden zu lassen. Dennoch sind Trainierende angehalten, immer auf den eigenen Körper zu hören.
"Gerade, wenn wir alle mehr Zeit auf unseren digitalen Endgeräten verbringen als im echten Leben, geht uns diese Spürfähigkeit für uns selbst verloren und die wollen wir im Yoga fördern, weil wir dann auch schneller reagieren können, wenn wir merken: Es ist was aus dem Ruder geraten, wir sind nicht mehr in Balance."
Yoga-Studios mussten wegen Corona schließen
Apropos innere Balance und digitale Endgeräte: Natürlich hat die Corona-Pandemie auch Spirit-Yoga getroffen. Von ihren drei Studios in Berlin musste Thielemann eines schließen.
Im Lockdown wurde auf Online-Training umgestellt. Das brachte anfangs allerdings auch die routinierte Yoga-Lehrerin aus der Ruhe:
"Ich hätte meine erste Zoom-Stunde und da haben sich tatsächlich hundert Leute für angemeldet, und ich habe gedacht: 'Das ist ja großartig, alle wollen mit mir Yoga machen. Es geht weiter, wir kommen da durch.' Dann dachte ich: 'Ich gucke noch einmal, ob der Ton geht, und bin auf die falsche Taste gekommen. Und dann waren die 100 Leute leider alle weg, und ich konnte sie auch nicht zurückholen. Da habe ich meine Balance aber so dermaßen verloren und heulend vor dem Laptop gesessen."
Online-Einheiten und nicht nur Präsenzklassen
Mittlerweile läuft das so gut, dass es zusätzlich zu den wieder stattfindenden Präsenzklassen auch weiterhin Online-Einheiten gibt.
Patricia Thielemann hat ihre Yoga-Ausbildung in Indien und in Amerika gemacht. In Indien spielte der spirituelle Aspekt eine besondere Rolle: "Der war einfach Bestandteil des Lebens dort, das heißt: Ruhe und Entspannung waren selbstverständlicher, ja genauso wie Zeiten des Gebets der Besinnung. Und das, würde ich sagen, ist bei uns anders."
In Amerika wurde mehr hinterfragt: "Das ist der größte Unterschied: Dass in Amerika sehr viel mehr Neurowissenschaften, Sportwissenschaften einbezogen werden in den Yoga-Unterricht und im Grunde genommen das Geheimnis, was letztendlich dem ganzen innewohnt, so ein bisschen plattgetreten wird."
Verschiedene Ansätze kombinieren
Mit ihrem Spirit-Yoga versucht sie verschiedene Ansätze zu kombinieren und Yoga an die Bedürfnisse ihres Publikums anzupassen: "Es gibt bestimmte klassische Übung wie den Kopfstand. Den aber haben wir aus dem Programm rausgenommen, weil der Kopfstand für ein Publikum, wie es hierherkommt eher kontraproduktiv ist, weil die meisten Menschen eben den lieben langen Tag am Schreibtisch sitzen, Kaffeetrinken - all das lässt die Energie nach oben schießen. Und wenn man dann jemanden einfach auf den Kopf stellt, kann das aus vielerlei Gründen nicht gut sein. Das ist ein sehr deutliches Beispiel."
Yoga ist mittlerweile "state of the art" und äußerst angesagt. Die Medien und nicht zuletzt Influencer*innen preisen es als schlank, gesund und straff machendes Fitnesstraining. "Was ich immer wieder erstaunlich finde, ist, dass Menschen mit einem körperlichen Anliegen hier reinkommen, dass sie eben Beschwerden haben oder dass sie sagen, dass ihnen ihr Po nicht mehr gefällt. Und sie kommen dann zum Yoga und meinen, dass das dann mit fünf Yogastunden passiert."
Besserung nach fünf Yogastunden?
Dem ist natürlich nicht so. "Wenn man sie dann nach einem halben Jahr fragt, was sich denn verändert hat, dann ist es oft ihre geistige Haltung, die sich verändert hat. Und das Paradoxe ist, dass es dann manchmal trotzdem so wird, wie sie es sich gewünscht haben, also dass der Rückenschmerz besser wird und dass der Po knackiger wird. Das finde ich immer wieder spannend, dass das Ergebnis mehr durch die Hintertür kommt."
Yoga ist gesund und gut erforscht. Unzählige wissenschaftliche Studien belegen, dass es z.B. bei Nacken- und Rückenschmerzen, Stresssymptomen, Schlafstörungen und etlichem mehr helfen kann. Allerdings nur, wenn man es tatsächlich regelmäßig praktiziert und seine Mitte nicht auf dem Sofa vor dem Fernseher findet. "Namaste."