Yoko Ono "Peace is Power"
Museum der bildenden Künste, Leipzig
4. April bis 7. Juli 2019
Zitronenbäume wachsen aus den Särgen
05:24 Minuten
Es ist Yoko Onos erste Ausstellung in Ostdeutschland und die größte hierzulande. In "Peace is Power" im Leipziger Museum der bildenden Künste ist die Installation "Ex it" zu sehen. Aus 100 Holzsärgen wachsen Zitronenbäume, deren Duft die Luft erfüllt.
Die Ausstellung "Peace is Power" wird mit einem der bekanntesten Werke Yoko Onos eröffnet: Cut Piece. Im Original saß Ono 1964 auf der Bühne in Kyoto, daneben lag eine Schere. Die Anweisung ans Publikum: Schneid was! Die Leute reagierten und zerschnitten Onos Kleidung, bis sie fast nackt war. Doch heute performt sie nicht selbst, sondern Künstlerin Echo Morgan – ganz im Sinne Onos. Viele ihrer Werke sind performativ, können wiederholt werden und beziehen das Publikum mit ein. Wichtig ist der Moment – ein Charakteristikum der Fluxus-Kunst.
Yoko Ono will nach Leipzig kommen
Bis kurz vorher war nicht klar, ob die 86-jährige Ono zur Eröffnung kommen kann. Museumsdirektor Alfred Weidinger betont aber, dass sie die Ausstellung zu einem anderen Zeitpunkt besuchen würde:
"Wir haben auch vor drei Tagen nochmal telefoniert, da hat sie gesagt, ihr ist diese Ausstellung besonders wichtig, weil es ihre erste Ausstellung in Ostdeutschland ist."
Doch warum überhaupt eine Performance-Künstlerin – deren Verständnis von einem Bild auch die bloße Idee davon sein kann – in ein Bildermuseum holen? Für Weidinger sei zum einen wichtig, dass es eine weibliche Position ist, die das Museum fördern will. Schließlich sei Leipzig die Wiege des deutschen Frauenrechts:
"Und auf der anderen Seite ist klar, sie ist eine große Zugkraft. Yoko Ono ist ein großer Name, ein wichtiger Name, auch in der Kunst, der hier herkommt in eine Malerstadt. Es ist uns auch wichtig, dass wir nicht nur malerische Positionen zeigen, sondern es gibt auch etwas, das ganz anders ist. Weil die Fluxus-Künstler haben sich vollkommen gegen die Malerei gewandt, sie haben sie eigentlich angegriffen. Und das finde ich gut, das tut auch einer Stadt wie Leipzig, die auch sehr, sehr weltoffen ist, auch in dieser Hinsicht sehr, sehr gut, würde ich meinen."
Ausstellungsstart wurde verschoben
Die Ausstellung sollte eigentlich schon im Dezember eröffnen, doch wurde verschoben: sie wurde viel größer als geplant und erstreckt sich nun bis ins dritte Stockwerk. Wer durch die Dauerausstellung läuft, kommt an Yoko Ono nicht vorbei, die offenen Terrassen im Museum grenzen an die anderen Räume und so erlebt man einen spannenden Dialog der Kunstrichtungen. Sogar im Café sind Arbeiten zu sehen: etwa weiße Schachbretter. Sie fordern zum Spiel heraus, führen es aber ad absurdum, weil die Figuren nicht zu unterscheiden sind. Ono setzt sich seit Dekaden für die Friedensbewegung ein, das macht auch der Titel der Ausstellung klar: Peace is Power. Passend in der Stadt der friedlichen Revolution.
Viele ihrer künstlerischen Werke konzentrieren sich auf die Idee und Partizipation. Alfred Weidinger macht es an "Painting to Hammer a Nail" vor:
"Man nimmt einen Nagel – und das kann jeder machen – und dann wird hier gehämmert. Der nächste Schritt ist eigentlich der, dass man ein Haar nehmen sollte und um diesen Nagel wickelt, und wenn dieses Brett voll ist mit Haaren, dann ist das Werk vollendet."
Die Besucher werden mit eingebunden
Ono hat ihre Instructions, also Anleitungen, in ihrem Buch "Grapefruit" festgehalten und ruft darin explizit zum Mitmachen auf. In der Videoinstallation "Arising" wird das noch weiter getrieben. Frauen aus Sachsen waren aufgerufen, ihre persönliche Gewalterfahrung zu teilen, ihre Augen zu fotografieren und mit Namen zu unterschreiben. Über 80 haben sich gemeldet, deren Erfahrungen körperlicher oder seelischer Gewalt nun als Text-Bild-Kombination an der Wand hängen. Daneben läuft ein Video und ein Haufen Kleider liegt davor. Das Werk ist packend, die realen Schicksale und die Ehrlichkeit der Frauen erdrückend.
"Arising" ist eines der neueren Werke und wurde 2013 schon gezeigt, aber für Leipzig neu aufbereitet. In der Ausstellung sind aber auch viele aus den 60er- und 70er-Jahren zu sehen, etwa die Videoarbeit "Fly". Auf dem nackten Körper einer schlafenden Frau krabbeln Fliegen herum. Die Arbeit wurde häufig im Kontext von Gewalt an Frauen gedeutet. Arbeiten wie diese hätten nicht an Relevanz eingebüßt, so Weidinger:
"Klar ist es die Position aus den 60er-Jahren, die sie mitgenommen hat, aber auch das hat heute noch eine Relevanz. Sie ist eine der wichtigsten Feministinnen der zweiten Generation. Das ist überraschend, wie aktuell das auch heute noch ist. Und das ist vollkommen verrückt, dass es sowas überhaupt noch gibt, weil da fragt man sich: Hat sich in den letzten 50 oder 60 Jahren nichts weiterentwickelt?"
Mehr Ono, weniger Lennono
In eine andere Richtung gehen die neueren Installationen wie "Ex it": 100 Holzsärge symbolisieren den Tod. Zugleich wachsen Zitronenbäume aus den Särgen, deren Duft die Luft erfüllt. Nahezu poetisch ist die blaue Wendeltreppe im Foyer. Man steigt hinauf und kommt dem Himmel ein Stück näher. Der Blick fällt auf Worte wie "Imagine", "Fly" oder "Dream".
An vielen Stellen lässt sich die Ausstellung im feministischen Diskurs lesen. Die Vielfalt der Arbeiten verdeutlicht aber auch, wie breit das Spektrum von Onos Arbeit ist.
Ihre Beziehung zu John Lennon flackert in manchem Werk auf, wird aber weitestgehend ausgeblendet. Dass diese Ausstellung sich ausschließlich ihr widmet und nicht dem Mythos Lennonon ist den Kuratoren Jon Hendricks und Alfred Weidinger anzurechnen.
Viele Werke laden ein, sie mitzugestalten und die Nachricht dahinter ist oft eindeutig erkennbar. Wer sich Zeit nimmt, sich auf Yoko Onos "Instructions" einlässt und sie befolgt, wird in dieser Ausstellung Freude haben.