Ein Genre-Thriller im Unterhaltungsformat
"You Are Wanted" ist nicht nur die erste deutsche Originalserie von Amazon. Sondern auch das Seriendebüt von Matthias Schweighöfer als Regisseur. Vor dem Start der Serie am 17.3. sprachen wir Schweighöfer über das Projekt, in dem er auch die Hauptrolle spielt.
Mit "You Are Wanted" startet am Donnerstag die erste deutsche Serie auf Amazon. Sie erzählt die Geschichte des jungen Hotelmanagers Lukas Franke, der Opfer eines Hacker-Angriffs wird. Als seine digitale Identität umgeschrieben wird, gerät er sogar unter Terrorverdacht. Gespielt wird die Hauptrolle von Matthias Schweighöfer, der auch Regie geführt und den Film produziert hat.
"You Are Wanted" ist nicht nur die erste deutsche Original-Serie für Amazon, sondern auch Schweighöfers Debüt als TV-Serien-Regisseur. Wichtig, um mit einer deutschen Serien-Produktion international erfolgreich zu sein, seien "universelle Themen", sagte Schweighöfer im Deutschlandradio Kultur.
Eine eigenes, kleines Berlin-Universum
"Es wäre jetzt auch falsch, wenn ich die extremste Arthouse-Serie der Welt inszenieren würde. Meine Firma kommt aus der Unterhaltung, ich komme aus der Unterhaltung, aber fand das Thriller-Genre einfach total interessant. Habe dann auch gesagt: ey, wenn wir schon so was machen und es Leute gucken sollen, dann machen wir es halt richtig als Genre-Thriller-Ding, aber in Form der Unterhaltung – toi, toi, toi!"
"You Are Wanted" habe auch ein eigenes "Berlin-Universum" geschaffen, sagte der Regisseur. Die Stadt werde "viel trister" gezeigt als sonst üblich: viel grafischer, viel schneller – auch um die Metropole noch mal ein bisschen zu beschleunigen. Weil im Gegensatz zu New York und Paris sind wir dann doch eher eine langsame Metropole."
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Die Streamingdienste Netflix und Amazon Prime liefern sich derzeit erbitterte Kämpfe, Kämpfe um den Markt in Deutschland. Morgen fährt Amazon ein neues Geschütz auf, ab morgen können Abonnenten die erste deutsche Serie von Amazon Prime sehen, "You Are Wanted" heißt sie, eine Serie von und mit Matthias Schweighöfer, er ist Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller. Es ist die Geschichte eines erfolgreichen Hotelmanagers und Familienvaters, Lukas Franke, dessen Leben völlig durcheinander gerät, weil er zum Spielball eines Hackers wird. Meine Kollegin Susanne Burg aus der Filmredaktion hat Matthias Schweighöfer getroffen und wollte von ihm wissen: Sind viele von uns zu naiv im Umgang mit Daten?
Matthias Schweighöfer: Ich will jetzt niemandem unterstellen, dass er zu naiv ist, aber ich glaube, man unterschätzt es generell. Wir haben ja nie gelernt, das Internet zu benutzen wie mit einem Benutzerhandbuch. Man benutzt es einfach, je nachdem, was für einen Computer man hat. Es wird einem gesagt, das Update solltest du mal wieder durchführen, und dann drückt man auf Okay. Wenn der Computer das sagt, dann wird es schon stimmen, dann hat er ja recht. Ich glaube, man unterschätzt das generell.
Susanne Burg: Sie haben sich ja jetzt ein bisschen damit auseinandergesetzt. Wie gravierend können denn die Folgen sein?
Schweighöfer: Jegliche Form von Prophezeiung wäre da ein wenig vermessen, aber sie können natürlich sehr gravierend sein. Man sieht, heute wird einmal ganz Deutschland und Holland gehackt, und auf einmal steht bei Klaas Heufer-Umlauf und Boris Becker hat irgendwelche Nazi-Parolen. Ich glaube, der Einfluss und das Benutzen, das ist schon echt extrem.
"Wenn man es nutzt, dann nutzt man es"
Burg: Haben Sie denn Ihr Nutzungsverhalten geändert?
Schweighöfer: Die Frage ist, wie kann man sein Nutzungsverhalten ändern, wenn man es schon nutzt? Ich glaube halt, ähnlich, wie wenn man ein Passwort sich ausdenkt und dann sagt der Administrator auf einmal, ein Großbuchstabe wäre gut und eine Zahl. Wie schnell weiß der das jetzt eigentlich? Der weiß sofort – okay, alles klar – und ich glaube, ab da geht es schon wieder los, dass man halt eigentlich auch, man ist einsehbar. Wenn man es nutzt, dann nutzt man es.
Burg: Es ist ja auch interessant, dass "You are wanted" bei Amazon erscheint, ein Anbieter, der ja durchaus auch mit Algorithmen arbeitet, der auf riesigen Datenmengen der Nutzer sitzt, die natürlich auch gehackt werden können. Haben Sie sich darüber Gedanken gemacht?
Schweighöfer: Die Frage ist, ob sich Amazon darüber Gedanken gemacht hat. Jeder, der heutzutage auf großen Daten sitzt, muss sich über diese Thematik Gedanken machen zwangsläufig. Ich habe mir darüber aber keine Gedanken gemacht.
Burg: Kommen wir mal zur Serie. Die spielt in Berlin. Man sieht Berlin als Großstadt mit gläsernen Hochhäusern, auch vor allem Westberlin, wo wir jetzt gerade sitzen, in einem Westberliner Hotel, aber auch mit Plattenbauten. Vom Tempo her, von der Ästhetik, von der Handlung her ist "You Are Wanted" aber auch sehr stark an US-amerikanischen aktuellen Serien orientiert. Nun ist "You Are Wanted" ja die erste deutsche Amazon-Serie. Was waren die Überlegungen vorher, wie deutsch sollte sie sein, aber wie international gleichzeitig?
Schweighöfer: Ich habe ja die Serie zusammen gemacht mit meinem zweiten Regisseur Bernhard Jasper. Der ist ja der Kameramann, mit dem ich jeden Film gemacht habe. Und wir haben gesagt, wie tun uns zusammen und machen die Nummer hier in Berlin. Wichtig war uns zu sagen, was passiert, wenn wir auf der Startseite sind und wir stehen auf einmal neben "Westworld" oder neben "House of Cards"? Warum sollte man uns einschalten? Welche Sehgewohnheiten hätte man, wenn man außerhalb des Landes ist, zu sagen, okay, das interessiert mich, da würde ich gern mal drauf gucken. Und dann haben wir gesagt, lass uns doch versuchen, ein bisschen universeller zu zeigen, und Berlin hat man viel trister, als wir es sonst machen, viel grafischer, viel schneller, viel hektischer, auch die Metropole noch mal ein bisschen zu beschleunigen. Weil im Gegensatz zu New York und Paris sind wir dann doch eher eine langsamere Metropole. Und das haben wir versucht, damit wir so ein bisschen ein ganz kleines eigenes Berlin-Universum kreieren.
Originaldreh in der Hackerhöhle
Burg: Dann gibt es ja auch noch die Welt der Hacker. Das ist ja immer so eine ominöse Welt, von der man relativ wenig weiß. Was hatten Sie sich überlegt, wie Sie die darstellen wollen?
Schweighöfer: Wir sind wirklich in eine Hackerhöhle. Wir haben original gedreht. Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil das sah so absurd aus. Ich kam da rein und dachte: bin ich jetzt hier in einem Ridley-Scott-Film oder was ist hier los? Ich war total dankbar, dass wir da drehen durften, weil der Ort, den hätten wir gar nicht nachbilden können. Das war Wahnsinn.
Burg: Da haben Sie einfach Zugang bekommen?
Schweighöfer: Die haben uns das erlaubt, da zu drehen, ja.
Burg: Sie sind ja Hauptdarsteller, Regisseur, Produzent, sehr viel. Nun ist – Sie haben natürlich auch viel Erfahrung, aber Serien haben ja noch ein bisschen eine andere Dynamik. Sie sind größer, und sie haben auch eine andere Dramaturgie. Was waren die Herausforderungen, was mussten Sie lernen?
Schweighöfer: Natürlich, nicht nur einen Bogen zu inszenieren von Minute eins bis Minute 98, sondern halt – okay, wohin entschwinden Figuren, wie kommen sie wieder zusammen, was passiert in Folge sechs eigentlich, was passiert in Folge fünf, was passiert in Folge zwei – ja, die Dramaturgie war das Wichtigste auch in der Inszenierung von den Kollegen. Ich hatte eine ganz tolle Coaching-Frau dabei, die heißt Gudrun Barmann, ohne die hätten wir das nicht geschafft, die auch wirklich nur dafür zuständig war, immer wieder bei allen Kolleginnen und Kollegen Karten irgendwo hin zu kleben, wo drauf steht, ich komme daher, gehe dahin. Das Ding war ein Experiment. Wir waren die Underdogs in dieser Serie, das war Wahnsinn, eine wahnsinnige Organisation, da nichts vom Tisch fallen zu lassen unbemerkt, dass wir halt uns viel Hilfe geholt haben.
Das Budget reicht nicht an das von US-Serien heran
Burg: Sie haben ja schon gesagt, das steht dann unter Umständen neben "Westworld" und "House of Cards". Die Amerikaner haben natürlich eine unglaublich lange Tradition, was solche große dramaturgische Bögen angeht, was Serien angeht. Waren Sie auch so ein bisschen eingeschüchtert, oder andersrum, haben Sie dann auch ein bisschen dahin geschaut und geguckt, wie wird es da gemacht?
Schweighöfer: Na ja, ich hab viel geguckt, "Penny Dreadful", früher, und viel "True Detective" auch und mich so ein bisschen orientiert an den Spielweisen auch, wie viel Zeit die sich nehmen, für die Kollegen, und habe aber gemerkt, dass es gar nicht viel Sinn macht, weil wenn "The Crow" ein 140-Millionen-Budget hat oder "House of Cards" 100 Millionen und pro Folge zehn oder 15 Millionen – für das Geld machen wir vier solche Serien. Das ist nicht stemmbar. Deswegen kann man sich daran gar nicht orientieren, weil die durch dieses Geld viel mehr ermöglichen können, vor allen Dingen, Zeit, Raum und Personal, die das alles ermöglichen, dass es so aussieht auch.
Burg: Ich meinte aber auch, von der Struktur her. Es gibt ja eben dieses berühmte Show-Runner-Modell, also einer, der eben alle Fäden zusammenhält und wo man sich auch trifft und die Figuren gemeinsam entwickelt und so von dieser Idee, das ist ja eine, die in Deutschland nicht gewachsen ist, dadurch, dass viel eben über Redaktionen passiert.
Schweighöfer: Nein, wir haben das schon so gemacht. Also, ich war schon der Kopf, hatte auch meine Autoren dabei. Es waren drei Hauptautoren, und da habe ich noch sechs andere Autoren mit reingenommen haben, die mitgeholfen haben. Das Prinzip ist hier noch nicht so wirklich weit, aber wir haben es versucht ein bisschen so hinzulegen, aber es ist halt wirklich echt ein Mammutwerk. Die Masse an Leuten, die Minuten, die vielen Sekunden, die man da dreht, das ist schon echt eine Menge.
"Meine Firma kommt aus der Unterhaltung"
Burg: Was meinen Sie, was bräuchte es, um dahin zu kommen, so international zu produzieren, dass man auch größere Budgets hat?
Schweighöfer: Ganz klar universelle Themen. Du kannst von hier aus alles drehen und produzieren. Es braucht halt die richtigen Stoffe und auch die richtige Sprache.
Burg: Plattformen wie Netflix oder Amazon ermöglichen natürlich jetzt auch noch eine viel weitere Verbreitung, eine Verbreitung für Deutsche jenseits dieses klassischen Fernsehapparats. Aber es war zu lesen, Christoph Schneider, der Deutschlandchef von Amazon-Video, hat vor knapp einem Jahr gesagt, man wolle mit "You Are Wanted" einen Gassenhauer schaffen, nicht irgendwie eine Nische. Gab es insofern also doch Vorgaben, an die man sich halten musste?
Schweighöfer: Das nicht. Wir haben halt gesagt schon ganz am Anfang, als wir uns getroffen haben, okay, wie würden wir so was machen? Und wie würden wir es machen, weil es wäre jetzt auch falsch, wenn ich hier die extremste Arthouse-Serie der Welt inszenieren würde. Wir kommen – meine Firma kommt aus der Unterhaltung, ich komme aus der Unterhaltung, aber fand das Thriller-Genre halt einfach total interessant und habe dann ja auch gesagt, ey, wenn wir schon so was machen und es Leute gucken sollen, dann machen wir es halt richtig als Genre-Thriller-Ding, aber in Form der Unterhaltung – toi, toi, toi.
Burg: Nun erscheint die Serie in 200 Ländern, und ich hab gelesen, Sie fahren auch im April nach Amerika. Schwebt Ihnen jetzt so eine globalere, internationalere Karriere vor?
Schweighöfer: Das schwebt mir nicht vor, aber ich würde mich – es ist natürlich erst mal sehr schön erst mal, auch zu hören, dass die Serie weltweit geguckt werden kann. Und was immer international passiert, ist dann on top, viel Glück und ein Riesengeschenk.
Frenzel: Matthias Schweighöfer im Gespräch mit meiner Kollegin Susanne Burg. Die erste deutsche Amazon-Serie, "You are wanted", die kommt also morgen ins Internet, wenn Sie so wollen. Und was unser Kritiker dazu sagt, das hören Sie morgen ab 14 Uhr in "Kompressor" im Deutschlandradio Kultur.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.