Mit Friedrich-Anthony zum Bikram-Yoga
Ihre Filme verbreiten sich rasant im Internet: Als "Prenzlschwäbin" nimmt die Schauspielerin Bärbel Stolz den Berliner Bionaden-Biedermeier aufs Korn. Ein Gespräch über Gentrifizierung, Masern-Partys und den Humor der Zugezogenen.
Christine Watty: Zugegeben, im "Kompressor" im Deutschlandradio Kultur wird es jetzt so ein bisschen regional – so regional eben wie Maultaschen und Spätzle. Aber womöglich haben Sie auch schon außerhalb des Berliner Stadtteils Pankow beziehungsweise Prenzlauer Berg von den Schwaben gehört, die dort zu Hause sind und die natürlich besonders die Vielfalt lieben. Oder ganz besondere Hobbys haben.
Von Masern-Partys, Bikram-Yoga, den Spielplatzabenteuern von Xenia, Adelheit und Friedrich-Anthony in der Großstadt und ihren Eltern zwischen Wuchermiete, Bio und Startup-Aufregungen erzählt die Schauspielerin Bärbel Stolz. Schönen guten Tag und willkommen im Kompressor!
Barbara Stolz: Hallo!
Watty: Seit einiger Zeit verbreiten sich Ihre Filme beziehungsweise die Filme der "Prenzlschwäbin", die nämlich all diese Geschichten erzählt, zusammen mit ihrem Freund und noch einem anderen Kumpel, wie Lauffeuer in den sozialen Netzwerken. Und ich glaube, Berlin hin oder her, Sie treffen so gut den Ton der Klischee-Gentrifizierer im Prenzlauer Berg, die man wahrscheinlich auch woanders findet, dass man sich überall drüber amüsieren kann. Wo finden Sie denn diese Szenen und diese Sprüche, die Sie dann hinterher in den kleinen Filmen umsetzen?
Stolz: Die finde ich tatsächlich auf der Straße und teilweise, muss ich zugeben, auch in mir selber. Also die Geschichte mit den Eissorten beispielsweise habe ich so erlebt, als ich mit meinem besten Freund Eis essen war und der plötzlich am Boden lag und gesagt hat, hörst du dir selber zu? Du fragst deinen Zweieinhalbjährigen gerade ernsthaft, ob er Karamell Fleur-de-Sel essen will.
Watty: Sie sind also Schwäbin, und Sie leben in Berlin. Das kann man an dieser Stelle ja dann auch aufdecken. Daher kennen Sie auch die Szene.
Stolz: Ja.
Watty: Schreiben Sie diese Texte dann allein, oder wie entstehen diese kurzen Filme?
Stolz: Ich laufe mit einem Notizbuch durch die Gegend und schreibe mir Ideen auf. Und diese Texte schreibe ich dann meistens zusammen mit meinem Bruder. Manchmal frage ich auch noch meine Schwestern nach Ideen, und wir werfen uns das dann so Ping-Pong-mäßig hin und her. Mein Bruder lebt auch in Berlin, der ist Autor, und daraus destilliert sich dann ein Drehbuch, und wenn es fertig ist, geht es los.
Watty: Und was die "Prenzlschwäbin" dann erzählt und zu sagen hat, das gucken sich viele Leute an, ich habe einzelne Videoclips gesehen mit über 300.000 Klicks. Das haben Sie dann irgendwann in die sozialen Netzwerke gepostet, Facebook zum Beispiel. Haben Sie gedacht, dass das so ein Feedback gibt, so einen Rücklauf an Klicks?
Stolz: Wir hatten es gehofft. Wir haben schon damit gerechnet, dass es irgendwann auch ein breiteres Publikum finden wird. Wir machen das ja seit über einem Jahr schon. Und dass es dann so geknallt hat, das war der erste Film, nachdem meine Tochter geboren war. Die war da drei Monate alt, und wir wollten so langsam wieder rein kommen, und – ja, jetzt hat es irgendwie richtig gefetzt.
Watty: Und dieses Feedback interessiert mich tatsächlich. Denn es ist ja auch ein bisschen ein heikles Thema, das Sie da ansprechen. Es ist ja nicht nur witzig, sondern es ist auch sehr, sehr ernst. Wir erinnern uns alle an Wolfgang Thierse, der einst die seiner Meinung nach integrationsunwilligen Baden-Württemberger in Berlin ziemlich deutlich angegriffen hat. Gibt es denn auch ein negatives Feedback? Also, immer dieses Rumhauen auf den armen Schwaben, führt das auch zu wiederum – nicht vielleicht gleich Hass, aber zumindest Unwillen Ihrer Arbeit gegenüber?
Stolz: Nee. Ich hatte tatsächlich Angst. Als ich nach dem ersten Hit, der so viral geworden ist, nach diesem Clip das nächste Wochenende wieder auf dem Kollwitz-Markt unterwegs war, hatte ich Angst, ob mich die Leute erkennen und beschimpfen würden. Das ist nicht passiert. Ich war sehr froh. Und ganz viele Leute kommen auf mich zu und finden es einfach wirklich lustig.
Watty: Das heißt, die Leute, die treffen Sie dann ja auch beim Dreh. Sie stehen ja tatsächlich an den Originalschauplätzen, die es da so gibt im Prenzlauer Berg, auf den Spielplätzen, auf dem Markt. Gibt es da direktes Feedback von Menschen, die Sie sehen, wie Sie die Menschen, die da sind, quasi nachspielen?
Stolz: Ja. Und die lachen alle auch über sich selber. Die sagen, ach Mensch, genau so ist es, und jeder kennt irgendeinen Schwaben, mit dem er verbandelt ist oder befreundet oder sonst was. Und deswegen können die sich da irgendwie sehr wiederfinden, aber auch sich sehr schön über sich selber lustig machen.
Watty: Das Thema hat natürlich trotzdem auch eine ernste Komponente. Natürlich können wir alle lustig darüber kichern, aber diese Gentrifizierungsfragen, die gerade auch in Berlin, im Prenzlauer Berg eine große Rolle spielen und die auch dafür gesorgt haben, dass da viele Leute eben nicht mehr wohnen können – wenn Sie sich das Verhalten Ihrer baden-württembergischen Landsleute anschauen – ich gehöre da auch dazu – würden Sie das auch kritisch bewerten oder sagen Sie, ich gucke wirklich nur auf diesen spaßigen Aspekt, auf die Dialektgeschichten, auf den ganzen Bio-Wahnsinn und so weiter, oder sehen Sie das auch kritisch, was mit Stadtteilen passiert?
Stolz: Das sehe ich natürlich. Ich kam vor 18 Jahren nach Berlin in den Prenzlauer Berg und bin eben als arme Studentin dort gelandet, weil ich dort günstig leben konnte und es außerdem spannend und toll fand. Und ich bin da sehr herzlich aufgenommen worden von den Berlinern und finde es schade, dass sich das gesamte Gesicht so gewandelt hat, dass es sehr homogen geworden ist vom Stadtbild. Andererseits genieße ich es, dass ich auf schöne Spielplätze gehen kann mit meine Kindern und toll essen gehen kann. Und ich finde, man kann das nicht den einzelnen Schwaben vorwerfen, die dorthin ziehen möchten und sagen, boah, ich hab hier eine Wohnung gefunden, die kann ich mir leisten, und hier möchte ich mit meiner Familie leben, und ich mach das aber jetzt mal lieber nicht, weil sonst verändert sich womöglich das Stadtbild zu sehr. Das sehe ich schon als politische Aufgabe dann.
Watty: Gibt es weitere Folgen von der "Prenzlschwäbin"? Sicher ja. Und können Sie schon etwas über Themen verraten, die jetzt gerade so virulent sind? Ich meine, das Impf-Thema war natürlich das Thema auch der "Prenzlschwäbin" und ihrer Kumpels. Was steht als Nächstes auf dem Programm?
Stolz: Wir haben unheimlich viele Ideen und auch ganz lustige Sachen in der Pipeline. Wir sind tatsächlich auch in Gesprächen mit der Landesvertretung Baden-Württemberg, die so viel Humor hat, wie man es gar nicht glauben möchte. Wir beobachten Selfie-Sticks und Start-up-Kollegen und so – also es wird einiges kommen.
Watty: Danke schön, dass Sie uns davon berichtet haben. Die Schauspielerin Bärbel Stolz war im "Kompressor" zu Gast. Sie ist die "Prenzlschwäbin", und wer mehr über die "Prenzlschwäbin" sehen will, muss im Internet gucken. Wenn man die "Prenzlschwäbin" sucht, dann findet man sie da auch mit den neuesten Ereignissen aus dem Prenzlauer Berg in Berlin. Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.