Yuyachkani heißt "Ich erinnere mich"
In der peruanischen Hauptstadt Lima ist das Yuyachkani-Theater beheimatet. Die avantgardistische Truppe verehrt Autoren wie Brecht und Artaud. Mit ihren Stücken wollen sie ein Bewusstsein für die Geschichte ihres Landes wecken.
Das Theater der Yuyachkanis ist musikalisch, emphatisch, bilderreich, exzessiv. Besonders in diesem Stück: Die Schauspieler werden auf großen Podesten durch eine Spielhalle bewegt. Sitzplätze gibt es nicht. Das Publikum steht, läuft mit, wird sachte beiseitegeschoben. Und schaut. Und staunt.
"Sin Titulo, tecnica mixta" - übersetzt: "Ohne Titel, gemischte Technik" heißt das selbst geschriebene - besser gesagt: komponierte - Stück, das in furiosem Tempo einen Bogen durch die wechselvolle Geschichte Perus schlägt. Vom Salpeter-Krieg gegen Chile Ende des 19. Jahrhunderts bis fast in die unmittelbare Gegenwart, die von den Folgen des Terrorismus und seiner rücksichtslosen Bekämpfung geprägt ist. Socorro Naveda, die Produzentin der freien Theatergruppe:
"In diesen beiden historischen Augenblicken wird Peru als Nation greifbar: 1879, als der Krieg gegen Chile begann. Und nach dem Ende der Fujimori-Zeit, als die Wahrheitskommission ihre Arbeit aufnahm, nach den Jahren der Gewalt und des Terrors. Nie wurde so viel über den Gegensatz zwischen der Landbevölkerung und der führenden Klasse gesprochen wie in diesen beiden historischen Augenblicken der peruanischen Geschichte. (…) Es gibt zwei Reden, die wir in unserem Stück verwenden: Damals hielt Gonzales Prada eine Rede über den Krieg und die Verantwortung der Oberschicht. Und gut 100 Jahre später spricht Salomon Lerner, der Vorsitzende der Wahrheitskommission. Die beiden Reden sind sich ganz ähnlich. Daher haben wir beide in das Stück eingebaut, als wichtige Elemente der peruanischen Erinnerung."
Erinnerung ist das Stichwort nicht nur für diese Aufführung. Yuyachkani stammt aus dem Quechua, der Sprache der indigenen Einwohner Perus, und bedeutet so viel wie "ich denke" oder "ich rufe in Erinnerung". Darum geht es dieser aufregendsten und experimentierfreudigsten Theatertruppe Perus seit mittlerweile vier Jahrzehnten: Dem Publikum eine ästhetische Lektion im Erinnern zu erteilen, sein Bewusstsein für die Geschichte des Landes zu wecken, erläutert Socorro Naveda:
"Wir machen auch Workshops mit Jugendlichen. Es schien uns extrem wichtig, dass die jungen Leute sich ein wenig mit der Geschichte beschäftigen, bevor sie ihre Stimme bei den Wahlen in diesem Jahr abgeben."
Yuyachkani macht multimediales Erlebnis-Theater: Musik, Tanz, Projektionen, Masken, Puppen. Starke Körperlichkeit der Schauspieler. Es ist laut und leise in ihren Aufführungen, die Szenen wechseln sehr schnell oder ganz langsam - auf jeden Fall hautnah am Zuschauer. Jahrmarkttheater und Zirkus. Unglaublich üppig und bilderreich. In Peru mit seiner überschaubaren Theaterszene, die so gut wie keine staatliche Unterstützung erhält, ist Yuyachkani ein Phänomen.
Bertolt Brecht und Antonin Artaud mit seinem "Theater der Grausamkeit" sind die Säulenheiligen der Truppe. Die Stücke entstehen gemeinsam, auch wenn es der Regisseur Miguel Rubio ist, der die rund zehn Schauspieler von Anfang an zusammenhält. Das Theaterkollektiv hat Menschenrechtspreise gewonnen, bezieht die Kultur und die Traditionen der indigenen Bevölkerung in den Anden in seine Stücke ein. Es versteht sich als ästhetisches Labor für soziale und politische Themen. Und für die in Peru immer noch präsenten Themen Armut und Gewalt.
"Es waren immer die Leute aus den Dörfern, die für die Freiheit gekämpft haben. Es waren die Armen, die Marginalisierten und Vergessenen, die sich gegen den Terrorismus des Leuchtenden Pfads in Peru organisiert und letztlich das Land verteidigt haben."
Zum Theater der Yuyachkani-Truppe kommt man, wenn man die schnurgerade, viele Kilometer lange Avenida Brasil bis ganz zum Ende fährt. Dort, wo sie im Stadtteil Magdalena del Mar vom Pazifischen Ozean gestoppt wird. Es ist ein altes Viertel, Mittelklasse, noch etliche Häuser im Kolonialstil. Eines davon gehört den Yuyachkanis, ein ganz normales Wohnhaus. Die Außenwände sind bunt bemalt. Durch einen großen Torbogen gelangt man zuerst in den grünen Innenhof. An der Kasse drängen sich Jugendliche, Schüler, aber auch älteres Bildungsbürgertum.
Socorro Naveda: "Unser Publikum stammt aus allen sozialen Schichten.
Von wohlhabenden Leuten bis zu Leuten, die sich den Eintritt kaum leisten können oder die wir sogar gratis einlassen, Menschen aus den Außenbezirken von Lima. Wir hatten einmal eine Vorstellung, da kamen 60 Schüler aus der deutschen Humboldt-Schule, einer teuren Privatschule, in ihrem Omnibus. Und eine andere Gruppe von 60 jungen Leuten, die 40 Straßenblocks zu Fuß hierher gelaufen waren, weil sie sich die Fahrt nicht leisten konnten. Das ist unser Publikum."
Links bei dradio.de:
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"In diesen beiden historischen Augenblicken wird Peru als Nation greifbar: 1879, als der Krieg gegen Chile begann. Und nach dem Ende der Fujimori-Zeit, als die Wahrheitskommission ihre Arbeit aufnahm, nach den Jahren der Gewalt und des Terrors. Nie wurde so viel über den Gegensatz zwischen der Landbevölkerung und der führenden Klasse gesprochen wie in diesen beiden historischen Augenblicken der peruanischen Geschichte. (…) Es gibt zwei Reden, die wir in unserem Stück verwenden: Damals hielt Gonzales Prada eine Rede über den Krieg und die Verantwortung der Oberschicht. Und gut 100 Jahre später spricht Salomon Lerner, der Vorsitzende der Wahrheitskommission. Die beiden Reden sind sich ganz ähnlich. Daher haben wir beide in das Stück eingebaut, als wichtige Elemente der peruanischen Erinnerung."
Erinnerung ist das Stichwort nicht nur für diese Aufführung. Yuyachkani stammt aus dem Quechua, der Sprache der indigenen Einwohner Perus, und bedeutet so viel wie "ich denke" oder "ich rufe in Erinnerung". Darum geht es dieser aufregendsten und experimentierfreudigsten Theatertruppe Perus seit mittlerweile vier Jahrzehnten: Dem Publikum eine ästhetische Lektion im Erinnern zu erteilen, sein Bewusstsein für die Geschichte des Landes zu wecken, erläutert Socorro Naveda:
"Wir machen auch Workshops mit Jugendlichen. Es schien uns extrem wichtig, dass die jungen Leute sich ein wenig mit der Geschichte beschäftigen, bevor sie ihre Stimme bei den Wahlen in diesem Jahr abgeben."
Yuyachkani macht multimediales Erlebnis-Theater: Musik, Tanz, Projektionen, Masken, Puppen. Starke Körperlichkeit der Schauspieler. Es ist laut und leise in ihren Aufführungen, die Szenen wechseln sehr schnell oder ganz langsam - auf jeden Fall hautnah am Zuschauer. Jahrmarkttheater und Zirkus. Unglaublich üppig und bilderreich. In Peru mit seiner überschaubaren Theaterszene, die so gut wie keine staatliche Unterstützung erhält, ist Yuyachkani ein Phänomen.
Bertolt Brecht und Antonin Artaud mit seinem "Theater der Grausamkeit" sind die Säulenheiligen der Truppe. Die Stücke entstehen gemeinsam, auch wenn es der Regisseur Miguel Rubio ist, der die rund zehn Schauspieler von Anfang an zusammenhält. Das Theaterkollektiv hat Menschenrechtspreise gewonnen, bezieht die Kultur und die Traditionen der indigenen Bevölkerung in den Anden in seine Stücke ein. Es versteht sich als ästhetisches Labor für soziale und politische Themen. Und für die in Peru immer noch präsenten Themen Armut und Gewalt.
"Es waren immer die Leute aus den Dörfern, die für die Freiheit gekämpft haben. Es waren die Armen, die Marginalisierten und Vergessenen, die sich gegen den Terrorismus des Leuchtenden Pfads in Peru organisiert und letztlich das Land verteidigt haben."
Zum Theater der Yuyachkani-Truppe kommt man, wenn man die schnurgerade, viele Kilometer lange Avenida Brasil bis ganz zum Ende fährt. Dort, wo sie im Stadtteil Magdalena del Mar vom Pazifischen Ozean gestoppt wird. Es ist ein altes Viertel, Mittelklasse, noch etliche Häuser im Kolonialstil. Eines davon gehört den Yuyachkanis, ein ganz normales Wohnhaus. Die Außenwände sind bunt bemalt. Durch einen großen Torbogen gelangt man zuerst in den grünen Innenhof. An der Kasse drängen sich Jugendliche, Schüler, aber auch älteres Bildungsbürgertum.
Socorro Naveda: "Unser Publikum stammt aus allen sozialen Schichten.
Von wohlhabenden Leuten bis zu Leuten, die sich den Eintritt kaum leisten können oder die wir sogar gratis einlassen, Menschen aus den Außenbezirken von Lima. Wir hatten einmal eine Vorstellung, da kamen 60 Schüler aus der deutschen Humboldt-Schule, einer teuren Privatschule, in ihrem Omnibus. Und eine andere Gruppe von 60 jungen Leuten, die 40 Straßenblocks zu Fuß hierher gelaufen waren, weil sie sich die Fahrt nicht leisten konnten. Das ist unser Publikum."
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