Yves Ravey: "Die Abfindung"

Nachts an der Tankstelle

03:40 Minuten
Das Cover des Krimis von Yves Ravey, "Die Abfindung". Es zeigt neben dem Namen des Autors und dem Titel ein Foto einer Frau im Fond eines Autos. Von ihr sind lediglich die Beine und die Hände zu sehen, am Ringfinger der linken Hand trägt sie einen Ring. Sie trägt einen weißen Rock. Das Buch ist auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur
© Liebeskind

Yves Ravey

Übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller

Die AbfindungLiebeskind, München 2022

110 Seiten

20,00 Euro

Von Tobias Gohlis |
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Eifersucht ist immer noch das schwärzeste Mordmotiv: Dem französischen Schriftsteller Yves Ravey gelingt mit „Die Abfindung“ ein kleiner, dreckiger Roman noir über einen Ehebruch – mit einer überraschenden Wendung.
Jean Seghers steckt in der Klemme. Seine Tankstelle samt Werkstatt stehen vor der Insolvenz. Seine Frau Remedios kommt früh am Morgen heim, ramponiert, begleitet von Walden, dem Handelsrichter, der die Insolvenz abwickeln und dann selbst die Tankstelle übernehmen wird. Seghers hat auch das Geld nicht, das er seinem Mechaniker Usman als Abfindung zugesagt hat.
Um ihn zu beschwichtigen, überlässt er Usman ein Armband und Geld, das Seghers seiner wohlhabenden Mutter gestohlen hat. Das kann nur schlimm enden: „Die Abfindung“ heißt Yves Raveys dreckiger kleiner Noir dementsprechend auf Deutsch, im französischen Original lautet der Titel „Adultère“ – Ehebruch.

Die Feigheit des konfliktscheuen Kleinbürgers

Erzählt wird strikt aus Jean Seghers Perspektive. Wie er seine Frau aus Waldens Wagen steigen sieht. Wie er sie beim innigen Kuss mit Usman beobachtet. Wie er plant, im Gegenzug Usmans Ehe zu zerstören. Genervt ist Seghers auch vom Lover seiner Mutter, der ihn belehrt, wie ein erfolgreicher Geschäftsmann agieren sollte.
Seghers tut, als ginge ihn das alles nichts an und geriert sich wie ein mieser, konfliktscheuer Kleinbürger, der sich aus fortgesetzter Feigheit immer tiefer in seine Misere verstrickt. Doch dann explodiert Seghers buchstäblich. Er stellt dem Mechaniker eine Falle und verbrennt den Nebenbuhler samt Werkstatt.

Eine Sachbearbeiterin wird zur Jägerin

Eifersucht ist das älteste Mordmotiv, und – man denke nur an den Noir aller Noirs „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ – eines der schwärzesten. 110 Seiten reichen Yves Ravey für das zwingende Arrangement von Mordtat und anschließender quälender Untersuchung.
Polizei und eine pingelige Versicherungssachbearbeiterin namens Hunter – englisch ausgesprochen: die Jägerin – wühlen in den versengten Überresten der Tankstelle und in Seghers Beziehung zu Remedios. Zum zweiten Mal zieht sich die Schlinge um den einsamen Tankstellenbesitzer zu. Doch dann, unverhofft, wie aus heiterem Himmel, abrupt, präsentiert Ravey ein Ende, das nur einen nicht überrascht: den betrogenen Mörder.
Yves Raveys „Die Abfindung“ ist ein kleines Kunststück: Der Leser, in Erwartung eines tragischen Krimischlusses, landet auf Glatteis, und zwar so was von verwirrt, dass er die ganze Geschichte von vorn erneut durchdenken muss.

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