Yvonne Adhiambo Owuor: "Der Ort, an dem die Reise endet"
Aus dem Englischen von Simone Jakob
DuMont Buchverlag, Köln 2016
512 Seiten, 22,99 Euro
Mit Humor für ein besseres Kenia
Vater, Mutter, zwei Kinder: In "Der Ort, an dem die Reise endet" erzählt die Kenianerin Yvonne Adhiambo Owuor die Geschichte der Familie Oganda. Ein fesselnder Roman, der den katastrophalen Zuständen in ihrer Heimat mit Humor begegnet.
Das Debüt der kenianischen Schriftstellerin Yvonne Adhiambo Owuor verarbeitet in einer Familiengeschichte die kenianische Vergangenheit.
2007 war ein Schicksalsjahr – für Kenia und für Yvonne Adhiambo Owuor. Kenia kollabierte: Präsident Kibaki wurden nach seiner Wiederwahl massive Wahlfälschungen vorgeworfen, Anhänger von Regierung und Opposition und verschiedene Ethnien bekämpften sich wochenlang blutig. Yvonne Adhiambo Owuor litt unter den Ereignissen in ihrer Heimat, als Ventil fand sie das Schreiben.
Bis ihr Debüt in den USA erschien, sollte es allerdings 2015 werden. Und das hat ganz sicher damit zu tun, dass "Der Ort, an dem die Reise endet" nur vordergründig von der vierköpfigen Familie Oganda: Vater, Mutter, zwei Kinder, erzählt. Denn das ganze Familienleben ist durchsetzt von der jüngeren kenianischen Geschichte.
Kampf für ein gerechteres Kenia
Das Buch beginnt mit einem Fanal: Der Sohn der Familie, Odidi, wird in Nairobis Straßen ermordet. Er hatte für ein besseres, gerechteres Kenia gekämpft. Dieser Mord wird zum Wendepunkt für die Familie. Bis dahin war jeder mit der Verdrängung seiner eigenen Probleme beschäftigt.
Die Mutter Akai-ma hatte ein tiefes Trauma aus der Kolonialzeit nie verwunden. Der Vater Nyipir hatte sich tief in den blutigen Auseinandersetzungen nach Kenias Befreiung von der britischen Herrschaft verstrickt. Ajany, die Schwester, war vor dem familiären Schweigegebot nach Brasilien geflohen. Die drei Hinterbliebenen begegnen sich erst am Grab Odidis wieder.
Hier führt Yvonne Adhiambo Owuor einen zweiten Handlungsstrang ein, der den Roman bis weit in die Kolonialgeschichte ausdehnt: Der Brite Isaiah Bolton sucht seinen Vater, der einst die Farm der Ogandas erbaut hatte und dann spurlos verschwand.
Der Roman handelt von den sehr verschiedenen Spurensuchen dieser vier Figuren. Und er hat eine deutliche Botschaft: Dass Kenia nur dann eine Zukunft haben kann, wenn es sich endlich den Gespenstern der Vergangenheit stellt. Trotzdem ist das Buch kein politisches Pamphlet, sondern ein fesselnder Roman.
Mit Sorgfalt und viel Fantasie übersetzt
Das hat auch damit zu tun, dass die Autorin einen sehr eigenen Ton für ihre Geschichte gefunden hat. Manche Sätze raunen wie ein Märchen, andere geben im Telegrammstil bloß die Fakten wieder. Owuor verwendet viele kenianische Ausdrücke und Namen, in denen man sich als europäische Leserin erst zurechtfinden muss.
Dass sie wie bei einer mündlichen Erzählung vieles wiederholt, erleichtert die Lektüre. Und Simone Jakob hat diesen sehr bildhaften und oft sprunghaft wechselnden Stil mit größter Sorgfalt und viel Fantasie ins Deutsche übersetzt.
"Der Ort, an dem die Reise endet" ist häufig mit den Büchern des Kenianers Ngugi wa Thiong'o verglichen worden. Und tatsächlich gibt es Ähnlichkeiten, hinsichtlich der politischen Botschaft der Bücher und vor allem, was den Tonfall betrifft. Beide mildern die katastrophalen Zustände, die sie beschreiben, durch Humor ab.
Die Kenianer seien noch zu retten, hat Yvonne Adhiambo Owuor im Interview gesagt - weil kein Volk auf der Welt so laut über sich selbst lachen könne.