"Wir mussten wie eine Event-Firma arbeiten"
Seinen neuen Film "Wish I Was Here" hat Zach Braff komplett durch Crowdfunding finanziert. Die Kritik, dass er mit diesem Vorgehen kleineren Projekten die Aufmerksamkeit weggenommen habe, lässt er nicht gelten. Unterschätzt hat er dagegen die Arbeit mit den Unterstützern.
Zach Braff: Das Filmgeschäft ist sehr hart. Als Filmemacher versuchen wir dem Publikum zu erklären, welche Risiken und Herausforderungen es beim Filmemachen gibt. Es ist eine schwierige Zeit für Filme. Dieser Sommer war der schlimmste Kinosommer seit 1997. Immer mehr Regisseure und Schauspieler wechseln zum Fernsehen. Dort gibt es mehr und bessere Arbeit.
Die Zuschauer scheinen nur noch dann ins Kino gehen zu wollen, wenn es sich um großangelegte Comic-Verfilmungen handelt. Dennoch ist es nicht überraschend, dass es auch Filmemacher gibt, die sich als Autoren verstehen und eine Geschichte erzählen wollen. Dabei thematisieren sie auch, wie lächerlich dieses Filmgeschäft sein kann. Selbst nach meiner Erfahrung mit Crowdfunding, musste ich der Welt erklären, warum die Finanzierung für diese Filme derzeit so miserabel ist und schwieriger denn je.
Wenn ich mich mit Leuten über Crowdfunding unterhalte, merke ich, wie naiv alle sind, die nicht innerhalb dieser Seifenblase Filmindustrie leben. Vielleicht war ja auch ich naiv. Auf jeden Fall musste ich nun erklären, was das konkret bedeutet.
Burg: Sie haben ja viel Kritik bekommen fürs Crowdfunding. Es wurde gesagt, dass Projekte wie Ihre, die mit renommierten Regisseuren oder Schauspielern wie von Ihnen die Aufmerksamkeit wegnehmen von kleineren Projekten. Das heißt, diese Diskussion, die geführt wurde, fanden Sie auch relativ wichtig, notwendig, um eben über diese Problematik zu reden, die Schwierigkeiten der Finanzierung?
"Am Anfang hat man dann all diese notorischen Nein-Sager"
Braff: Immer, wenn es etwas neues gibt, egal, auf welchem Gebiet, dann entstehen eine große Debatte und Kritik. Wir waren nun mal der erste Film mit einem solchen Budget, der sich durch Crowdfunding finanziert hat und weltweit in die Kinos kommt. Am Anfang hat man dann all diese notorischen Nein-Sager, die eine Welle lostreten und meinen, das klappt sowieso nie. Als es dann innerhalb von 48 Stunden doch funktionierte, obwohl wir sogar einen Monat Zeit gehabt hätten, da schwappte diese Welle wie ein Tsunami zurück.
Viele Menschen diskutierten sehr leidenschaftlich. Und es ist ja auch großartig, die Debatte über diese neue Sache zu führen. Das ist ähnlich wie bei Napster, ITunes, Amazon oder E-Bay. Die waren ja auch mal die neue, große Sache. Lasst uns darüber diskutieren, was daran gut und schlecht ist. Mein Problem mit dieser Debatte bestand nur darin, dass viele nicht gut informiert waren und einfach Unrecht hatten. Wenn man eine solche Kickstarter-Kampagne beginnt, gibt es unglaublich viele Analysten, die sich melden. Ich weiß, woher sie kommen, auf welcher Seite sie stehen, wenn sie auf die Kickstarter-Website klicken. Der Geschäftsführer von Kickstarter sagte der "New York Times" dann später in einem Interview, dass viele meiner Fans, die sonst niemals auf Kickstarter gegangen wären oder sich an Crowdfunding versucht hätten, nicht nur mein Projekt finanzierten, sondern auch andere, für mehrere Hunderttausend Dollar.
Jeder, der jemals auf Kickstarter war, weiß, wie süchtig man danach werden kann und wie viel Spaß es macht. Die User kamen, blieben auf der Homepage und finanzierten auch andere Projekte. Wegen dieser langen, einjährigen Kontroverse werden aber sehr viele Künstler, die in der Öffentlichkeit stehen, sich das nicht antun. Und das wird Kickstarter dann treffen und weh tun. So kannst du dann nicht die Fans mobilisieren und auf die Webseite führen. Leute, die auf Kickstarter landen, würden vielleicht sagen, oh, ich habe Spike Lee unterstützt, aber was ist dieser Dokumentarfilm eigentlich? Der ist ja cool.Genauso wird das dann nicht mehr passieren, weil viele, die in der Öffentlichkeit stehen, genau verfolgt haben, was mit mir passiert ist, und mit welcher Kritik ich konfrontiert wurde. Und darauf haben sie keine Lust
"Wir mussten lernen, wie eine Event-Firma zu arbeiten"
Burg: Es war ja auch für Sie eine neue Erfahrung. Leute, die Crowdfunding machen, sagen häufig hinterher, dass sie auch fast ein bisschen unterschätzt haben, wie viel Arbeit es macht, dann den Leuten, die Geld gegeben haben, die versprochenen Sachen wieder zurückzugeben. Was war Ihre Erfahrung in der Hinsicht?
Braff: Rob Thomas, der die Veronica-Maas-Kampagne verantwortete, hatte mich gewarnt. Und es war doch hundertmal mehr Arbeit, als ich mir vorgestellt hatte. Ich liebe unsere Unterstützer – wir hatten 47.000. Sie kamen ans Set, einige waren Statisten, eine Frau bekam sogar eine kleine Sprechrolle. Ich reiste durch die ganze Welt und machte Publikumsgespräche mit unseren Unterstützern. Diese Leute waren wunderbar, und dieser direkte Kontakt zu ihnen verschaffte mir eine echte Freude, aber die Logistik hatte es in sich.
Wir mussten lernen, wie eine Event-Firma zu arbeiten, das heißt, weltweit Aufführungen zu planen. Ich wurde wie zu einem Politiker, der mit Neinsagern debattieren musste. Wir kreierten eine Internetseite mit Exklusivmaterial, wie dreiminütige Making-ofs zum Film. Ich wollte die Latte sehr hoch legen, weil ich ja wusste, dass ich unter weltweiter Beobachtung stand.
Ich habe ja auf Kickstarter auch viele andere Projekte unterstützt, daher wusste ich, was andere getan hatten. Und ich sagte zu meinem Team, ich möchte zehnmal mehr machen als andere. Das haben wir auch getan, und so ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass Sie jemanden finden, der einer dieser 47.000 ist und kein positives Erlebnis hatte. Aber all das zu unternehmen, während wir den Film drehten und nur 26 Tage Zeit hatten, war sehr, sehr schwer. Man musste quasi zwei Großunternehmen gleichzeitig gründen.
"Du musst dann 20 Millionen für Werbung ausgeben"
Burg: Sie haben am Anfang gesagt, die Finanzierung, die wird immer schwieriger, viele Leute gehen vom Film ins Fernsehen. Bei Ihnen ist es ja genau umgekehrt: Sie kommen vom Fernsehen als Schauspieler von der sehr erfolgreichen Serie "Scrubs" in den Film – warum?
Braff: Ich liebe das Kino, und ich wollte immer Kinofilme machen und hoffe, auch immer welche drehen zu dürfen. Fernsehen ist nicht leichter. Es ist genauso anstrengend. Aber heute gibt es so viele Sender und eine starke Tendenz zu hochqualitativem Fernsehen. Das ist aufregend, wenn man solche guten und einmaligen, neuen Inhalte schafft. Es ist wunderbar für das Publikum und für die Künstler. Steven Soderbergh, einer unserer großen amerikanischen Filmemacher, hat erklärt, dass er nun mit dem Kino aufgehört hat, um Fernsehformate zu entwickeln. Das ist wirklich aberwitzig. Er konnte einen Film wie "Magic Mike" nicht mehr finanziert bekommen, einen Film, in dem Channing Tatum strippt. Soderbergh und Channing Tatum mussten diesen Film selber bezahlen. Natürlich wurde er zu einem Riesenerfolg, aber er bekam diesen Film nicht mehr durch das System. Die Studios und die Geldgeber glaubten einfach nicht daran, dass ein Film über männliche Stripper funktionieren würde.
Soderbergh wies auch auf ein weiteres Problem für das Kino hin: Wenn du heute mithalten willst, musst du 30, 40, bis zu 50 Millionen Dollar für Werbung ausgeben. Du kannst also einen Film für fünf Millionen Dollar drehen und musst dann 20 Millionen für Werbung ausgeben, nur, damit du konkurrenzfähig bleibst. Und das gilt nur für die USA, und nicht für die Kosten in Europa oder für den Rest der Welt. Das ist wie ein schlechter Scherz.
Wenn du das Geld nicht ausgibst, weiß keiner, dass dein Film in die Kinos kommt. Fernsehen verfügt dabei über viele Möglichkeiten wie Kabel-TV oder jetzt Internetstreaming oder die Verschmelzung von TV mit dem Internet durch Apple-TV. So ist es genauso einfach, einen Anbieter wie Netflix über den Fernseher zu sehen wie einen großen Fernsehsender. Und in Zukunft, in den nächsten zehn Jahren werden sich Anbieter ihre eigenen Internetsender schaffen. Vielleicht geht die Entwicklung in diese Richtung – aber genau weiß ich es nicht.
"Keinesfalls eine Fortsetzung des ersten Films"
Burg: Ihr Filmdebüt ist von 2004, "Garden State", ein Film über einen 26-jährigen Schauspieler, der von L.A. nach New Jersey fährt, weil seine Mutter gestorben ist. In dem Aufenthalt setzt er sich dann sehr stark mit seiner Familie auseinander. Jetzt, in dem neuen Film "Wish, I was here", sind Name und Schauspieler bis auf Sie anders. Aber wie groß war bei Ihnen das Bedürfnis, diese Geschichte noch mal mit zehn Jahren Abstand zu erzählen?
Braff: Für mich sind das Erinnerungen, die ich mit viel Fiktion verwebe. Ich schreibe über etwas, was ich kenne. Das sind nicht immer die gleichen Menschen, aber es gibt da Überschneidungen. Ich habe das Buch gemeinsam mit meinem Bruder geschrieben, und die Hauptfigur ist wie eine Mischung aus uns beiden. 60 bis 70 Prozent basieren auf unserem beiderseitigen Leben. Wie sind beide religiös aufgewachsen, kämpfen beide als Künstler um das Überleben.
Er hat zwei junge Kinder mit einer Frau, die die Familie ernährt. Wir wollten darüber reden, was es bedeutet, 2014 ein Mann zu sein, was Maskulinität und Geschlechterrollen ausmachen, was Spiritualität bedeutet, und wie lange man seinen Traum verfolgen darf. Mit "Garden State" versuchte ich etwas darüber zu erzählen, wie man sich mit 25 fühlt. Diesmal wollte ich ausdrücken, wie das mit 35 ist. Natürlich gibt es thematische Überschneidungen oder einen ähnlichen Tonfall, wie die Mischung aus Komödie und Drama, mit einem Schuss Surrealismus. Aber abgesehen davon handelt es sich keinesfalls um eine Fortsetzung des ersten Films.
Burg: Zack Braff, vielen Dank! Thank you very much!
Braff: Thank you very much!
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