Zahlen, damit das Öl im Boden bleibt
Ecuador hat seine Entwicklung auf den Export von Rohstoffen aufgebaut, auch auf den von Rohöl. Seit den Siebzigerjahren wird dort Öl gefördert - mit zum Teil verheerenden Folgen für die Umwelt.
Toxische Bohrrückstände wurden in den letzten Jahrzehnten in die Sümpfe gekippt. Im Yasuni Nationalpark, einem der artenreichsten Waldgebiete der Erde, leidet die Natur ebenso darunter wie die Urbevölkerung. Jetzt schlägt eine Initiative der Internationalen Gemeinschaft vor, das Öl im Boden zu lassen - gegen entsprechende Bezahlung.
Gegen neun kommt Stimmung auf in Coca. Allradgetriebene Landcruiser zirkeln um die Häuserblocks. An der Open Air Bar ist trotz der immer noch drückenden Schwüle kein Platz mehr frei. Prostituierte flanieren über den Malecon. Holzverschläge mit chinesischer Ramschware stehen neben klimatisierten Vier-Sterne-Hotels; dazwischen Schrottplätze, auf denen Planierraupen und Bohrtürme vor sich hin rosten.
Coca, die Hauptstadt der Dschungelprovinz Orellana, liegt im wilden Osten Ecuadors.
"Wir hängen zu 80 Prozent von den Ölfirmen ab; die Hotels, die Geschäfte und Supermärkte - alles."
Erläutert Marialuiz, Managerin des Hotels Missiones, das am Ufer des Napo, einem Zufluss des Amazonas liegt. Das Ölgeld habe das Leben angenehmer gemacht, räumt sie ein, gepflasterte Straßen; Müllabfuhr. Nur das Benzin sei seltsamerweise oft rationiert.
Dass im Ölland Ecuador der Treibstoff fehlt, hat System. Es ist Ergebnis einer Wirtschaftsordnung, die jahrzehntelang ausschließlich auf den Export von Rohstoffen gesetzt hat. Das Land verfügt über so gut wie keine eigenen Raffinerien. Das Öl wird über die Anden gepumpt und ins Ausland verschifft - Benzin und Diesel muss aus den Nachbarstaaten Peru und Kolumbien importiert werden. Ein Stück flussabwärts, beginnt der Yasuni, mit fast einer Million Hektar der größte Nationalpark Ecuadors, und nach Einschätzung des Biologen Bernardo Ortiz ein einzigartiges Biosphärereservat.
"Es gibt hier die größte Artenvielfalt der Tropen, wenn nicht der ganzen Welt; mehr unterschiedliche Baumarten pro Hektar als irgendwo sonst auf dem Planeten. Das gilt auch für die Pflanzen oder die Kriechtieren. Es ist ein ganz außergewöhnlicher Ort."
Wer die Brücke über den Napo überquert, ist im Kriegsgebiet: Bohrtrupps gegen Regenwald; Huaoranie-Krieger gegen Siedler und Holzfäller; Befürworter des alten Entwicklungsmodells gegen Anhänger eines neuen Denkens, das erst in Ansätzen formuliert ist.
Die Via Auca, eine Trasse, die Ölgesellschaften in den Dschungel geschlagen haben, führt entlang der Grenzen des Yasuni, des größten Nationalparks im ecuadorianischen Amazonien. Auf einem Quadratkilometer soll es hier mehr Pflanzenarten geben, als in ganz Nordamerika. "Willkommen im Block 16-" grüßt eine überdimensionale Tafel am Straßenrand. Andespetrol markiert ihr Terrain - ein chinesisches Konsortium. Das Fimenlogo prangt auf den Schulen und wenigen Zementhäusern der Dörfer.
Rechts und links säumen Pipelines die Piste - mal dünn wie Kinderarme, mal dick wie Baumstämme. "Colonos", Siedler, die aus dem Hochland kommen und entlang der Trasse den Urwald roden, trocknen ihre Wäsche auf den Röhren, die sich immer wieder verzweigen.
Wie Kapillare strecken sie sich über dutzende Kilometer zu den "Pozos"; hunderte von Ölbrunnen zwischen Baumriesen, Schlingpflanzen und Sümpfen.
Längst reicht das Adergeflecht der Pipelines in den Yasuni hinein. Für knapp die Hälfte des Parks gibt es schon Förderkonzessionen. Für Naturschutz und Wirtschaft sind in Ecuador unterschiedliche Ministerien zuständig - nur dass bislang immer die Ökonomie das letzte Wort hatte.
Alle paar Kilometer fauchen Flammen durch das Blätterdach. Tag und Nacht wird ungenutztes Gas abgefackelt, das aus den Bohrlöchern strömt.
Abrupt endet die Fahrt an einem Zaun- "propiedad privado", Privatbesitz – mitten im Nationalpark. Das Öl Camp wird von einer privaten Sicherheitsfirma bewacht. Der Wächter ist mit einer Pumpgun bewaffnet. Nur ungern verlässt er den Schatten seines Unterstands. Nach fünf Minuten in der Sonne ist seine Uniform durchgeschwitzt. Über Funk meldet er die ungebetenen Gäste - die Verhandlungen ziehen sich hin.
Ein nahe gelegener Turm entpuppt sich als eine Reparaturanlage. In 3000 Metern Tiefe muss eine Ölpumpe ausgetauscht werden. Zum achten Mal während der 12 jährigen Betriebszeit. Für die Dutzend Männer, die eingepfercht in drei Containern im Drei-Schicht-System leben, bedeutet das zwei Wochen Arbeit. Annehmlichkeiten, wie sie die Provinzstadt Coca bietet, gibt es hier im Ölgebiet nicht. Mürrisch gibt der diensthabende Ingenieur Auskunft. Immerhin ist sein Container auf 20 Grad heruntergekühlt. Außen ist Feindesland.
"Jede Lagerstätte enthält neben Öl auch Gas. Und Wasser. Wir versuchen, beim Bohren möglicht genau die Öl fördernde Schicht zu treffen, um nicht Wasser zu fördern. Unsere Felder haben nicht mehr viel Druck, deswegen setzen wir elektrische Pumpen ein. Die andere Methode ist, eine bestimmte Sorte schweres Öl mit Druck einzuspritzen, um eine andere Sorte Öl zu fördern."
Weiter geht die Fahrt, mal inner-, mal außerhalb des Nationalparks. In einigen Senken am Pistenrand schimmern Öllachen. Manchmal leckt eine Pipeline wochenlang. Juan Coquinche, Vorsteher der Siedlung Tarracoa am Rande des Yasuni hat die Folgen für die Umwelt erlebt
"Das Öl läuft in die Lagune und anschließend in den Napo-Fluss. Vor etwa zwei Jahren sind hier die Fische gestorben, und wenn man gebadet hat, gab es einen Ausschlag."
Zum Beweis entblößt Juans Frau ihren Bauch, wo sich ein Exzem bis hin zum Rücken zieht.
"Ich habe meine Frau ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte haben gesagt, dass operiert werden müsse. Aber ich habe kein Geld. Wir wollten mit der Ölfirma sprechen, eine Entschädigung verlangen. Aber man hat uns gesagt, dass der Zuständige in Quito ist. Er hat sich bis heute nicht blicken lassen."
Fälle wie diese sind Alltag in Ecuador, seit in den Sechzigerjahren im nördlichen Amazonas-Gebiet Öl gefunden wurde. Jahrzehntelang wurden selbst toxische Bohrrückstände in die Sümpfe gekippt. Doch inzwischen wächst der Widerstand. Ureinwohner haben Straßen blockiert. Umwelt und Menschenrechtsgruppen den Konzern auf 27 Milliarden Dollar Schadensersatz verklagt.
Als Rafael Correa mit seiner Forderung nach einem "Sozialismus des 21.Jahrhunderts" vor gut 2 Jahren die Wahlen gewann, tat er etwas Unerhörtes. In einem Land, in dem der Rohölexport immer noch zu den wichtigsten Einnamequellen gehört, ernannte er Alberto Acosta, einen prominenten Wachstumskritiker, zum Minister für Bodenschätze.
"Die Erfahrungen mit Texaco waren drastisch. Mehr als vier Milliarden Barrel Erdöl sind seit den Siebzigerjahren gefördert worden. Nominal hat unser Land 90 Milliarden Dollar eingenommen. Trotzdem hat sich Ecuador nicht entwickelt. Dafür hat es eine ungeheure Umweltzerstörung gegeben: Entwaldung, Erosion, Vergiftung des Bodens, des Wassers, der Luft. Wir haben in einigen Gebieten eine Krebsrate von 30 Prozent. Zwei der indigenen Völker sind komplett verschwunden. Vor diesem Hintergrund ist unser Umweltschutz-Projekt entstanden, zumindest für das Kerngebiet des Yasuni mit seiner enormen Biodiversität. Außerdem bliebe der Welt die Emission von gut 400 Millionen CO2 erspart."
Der Vorschlag, von dem der Minister spricht: Ecuador lässt eine Million Barrel Öl, rund ein Viertel seiner Reserven, im Boden, wenn die internationale Gemeinschaft die Hälfte der daraus zu erwartenden Einnahmen in einen Fond zahlt: 10 Jahre lang 350 Millionen Dollar, damit die grüne Lunge im Kerngebiet des Yasuni weiteratmet, drei Ethnien ihren Lebensraum behalten und Ecuador in alternative Energien und Biotechnologie investieren kann. Acostas Idee fand zunächst ein geteiltes Echo - auch in Ecuador selbst.
"Anfangs haben wir gesagt: Wir wollen eine Entschädigung, sonst fördern wir. Das ist letztlich zu Recht als eine Art Erpressung verstanden worden. Aber die Diskussion im In- und Ausland hat ergeben, dass es um etwas anders geht Wir müssen die Angelegenheit zur eigenen Sache machen. Natürlich sind die Industriestaaten, die sich entwickelt haben, ohne auf das ökologische Gleichgewicht zu achten, aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Aber es geht heute nicht um Kompensierung, sondern um ökologische Gerechtigkeit und um konkrete Ideen für eine Post-Petroleum-Gesellschaft - nicht nur in Ecuador."
Erste Unterstützung - 30 Millionen Dollar im Jahr - hat die deutsche Bundesregierung in Aussicht gestellt. Die Vereinten Nationen wollen den Fond verwalten.
Doch was in Quito zu Papier gebracht wird, ist im Amazonastiefland noch lange nicht Gesetz. Juan Vargaz arbeitet als Ranger und soll den Yasuni überwachen. Neun Mann sind zuständig für eine Million Hektar Land, auf die nicht nur die Ölsucher ein Auge geworfen haben.
"Manchmal kommt eine Nachricht, dass irgendwo Edelhölzer gefällt werden. Wir müssen alles stehen und liegen lassen, um dem nachzugehen. Und schon bleibt ein Kontrollposten unbesetzt. Außerdem fehlt uns oft schlicht das Benzin."
Es sei demütigend, bei genau den Ölfirmen um Benzin betteln zu müssen, die sie oft genug vor dem Zaun stehen lassen, bemerkt Juan bitter. Regelmäßig besucht der Mann von der Umweltbehörde die Huaoranie, einen Stamm, der bis vor wenigen Jahrzehnten mit hölzernen Lanzen jagte. Ihre Siedlungen liegen in der Zone des Parks, in der bereits Öl gefördert wird.
"Früher hörten wir nur die Geräusche der Vögel und des Windes. Jetzt dröhnt es 24 Stunden lang. Es ist, als ob wir in der Großstadt leben. Ein paar kleine Tierarten wie Affen gibt es noch, aber viele größere Tiere haben sich tief in den Wald zurückgezogen."
Doch nicht nur Tiere sind auf der Flucht, berichtet Carlos, ein schmächtiger Mann in T-Shirt und Jeans. Auch drei mit den Huaoranie verwandte Völker ziehen die Isolierung im Regenwald der Moderne vor.
"Sie meiden den Kontakt, weil sie ohne Krankheiten leben wollen. Sie wollen auch nicht, dass Flugzeuge oder Hubschrauber ihr Gebiet überfliegen - sie sprechen von Apparaten, nicht von Flugzeugen. Sie sagen, wenn ihr hierherkommt, dann werden wir euch töten, egal ob Colonos, Huaoranies oder Quichuas."
Carlos Vater, der 70-jährige Dorfchef, verteidigt sein Territorium nur noch symbolisch. Eine Kette hat er über den Weg gespannt. Wer passieren will, muss zahlen. Mal eine Cola, mal 25 Dollar. Spanisch hat Davo nie gelernt.
"Ich hoffe, dass die Ölgesellschaften gehen, solange ich noch lebe.
Ich würde gerne zu unserem alten Leben zurückkehren. Aber das ist schwierig. So vieles hat sich verändert. Jetzt sollen die Firmen wenigstens ihre Zusagen einhalten und uns unterstützen."
Dass die Uhr nicht zurückgedreht werden kann, denkt auch Glenda Picuita. Die junge Soziologin untersucht die Auswirkungen der Ölförderung im Yasuni-Park.
Die Huaorani Kultur geht Stück für Stück verloren. Schon durch den Kontakt mit der Außenwelt werden neue Bedürfnisse geschaffen, die zu Problemen führen. Zum Beispiel zu Unter- und Fehlernährung. Früher brauchten die Einheimischen keinen Thunfisch und keine Nudeln, weil sie Yuca und Bananen aus dem Wald aßen.
Jetzt brauchen sie Geld, um sich zu ernähren. Es ist eine Art Zwangsintegration in die Marktwirtschaft. Die Menschen werden daran gewöhnt, von den Ölgesellschaften abhängig zu sein. Wenn sie Jobs vergibt, zahlt die Petrolera 25 Dollar am Tag. Warum sollen sich die Leute um Alternativen bemühen.
Carlos, der Sohn des Kaziken, stand früher selbst auf dem Gehaltszettel der Company, hat Wege gelichtet, und Geologen den Weg gezeigt. Heute hilft er der Umweltbehörde. Im Gegensatz zu seinem Vater sieht er Chancen, Teile der Hauoranie-Kultur in die Moderne hinüberzuretten.
"Woanders auf der Welt gibt es doch auch Projekte, wo Menschen von der Regierung oder der internationalen Gemeinschaft dafür bezahlt werden, dass sie die Landschaft und den Lebensraum der Tiere schützen. Wir haben auf vielen Versammlungen über die Yasuni-Initiative diskutiert. Wir könnten neue Einkommensquellen erschließen, den Tourismus ausbauen. Aber dafür muss das Öl im Boden bleiben."
Gegen neun kommt Stimmung auf in Coca. Allradgetriebene Landcruiser zirkeln um die Häuserblocks. An der Open Air Bar ist trotz der immer noch drückenden Schwüle kein Platz mehr frei. Prostituierte flanieren über den Malecon. Holzverschläge mit chinesischer Ramschware stehen neben klimatisierten Vier-Sterne-Hotels; dazwischen Schrottplätze, auf denen Planierraupen und Bohrtürme vor sich hin rosten.
Coca, die Hauptstadt der Dschungelprovinz Orellana, liegt im wilden Osten Ecuadors.
"Wir hängen zu 80 Prozent von den Ölfirmen ab; die Hotels, die Geschäfte und Supermärkte - alles."
Erläutert Marialuiz, Managerin des Hotels Missiones, das am Ufer des Napo, einem Zufluss des Amazonas liegt. Das Ölgeld habe das Leben angenehmer gemacht, räumt sie ein, gepflasterte Straßen; Müllabfuhr. Nur das Benzin sei seltsamerweise oft rationiert.
Dass im Ölland Ecuador der Treibstoff fehlt, hat System. Es ist Ergebnis einer Wirtschaftsordnung, die jahrzehntelang ausschließlich auf den Export von Rohstoffen gesetzt hat. Das Land verfügt über so gut wie keine eigenen Raffinerien. Das Öl wird über die Anden gepumpt und ins Ausland verschifft - Benzin und Diesel muss aus den Nachbarstaaten Peru und Kolumbien importiert werden. Ein Stück flussabwärts, beginnt der Yasuni, mit fast einer Million Hektar der größte Nationalpark Ecuadors, und nach Einschätzung des Biologen Bernardo Ortiz ein einzigartiges Biosphärereservat.
"Es gibt hier die größte Artenvielfalt der Tropen, wenn nicht der ganzen Welt; mehr unterschiedliche Baumarten pro Hektar als irgendwo sonst auf dem Planeten. Das gilt auch für die Pflanzen oder die Kriechtieren. Es ist ein ganz außergewöhnlicher Ort."
Wer die Brücke über den Napo überquert, ist im Kriegsgebiet: Bohrtrupps gegen Regenwald; Huaoranie-Krieger gegen Siedler und Holzfäller; Befürworter des alten Entwicklungsmodells gegen Anhänger eines neuen Denkens, das erst in Ansätzen formuliert ist.
Die Via Auca, eine Trasse, die Ölgesellschaften in den Dschungel geschlagen haben, führt entlang der Grenzen des Yasuni, des größten Nationalparks im ecuadorianischen Amazonien. Auf einem Quadratkilometer soll es hier mehr Pflanzenarten geben, als in ganz Nordamerika. "Willkommen im Block 16-" grüßt eine überdimensionale Tafel am Straßenrand. Andespetrol markiert ihr Terrain - ein chinesisches Konsortium. Das Fimenlogo prangt auf den Schulen und wenigen Zementhäusern der Dörfer.
Rechts und links säumen Pipelines die Piste - mal dünn wie Kinderarme, mal dick wie Baumstämme. "Colonos", Siedler, die aus dem Hochland kommen und entlang der Trasse den Urwald roden, trocknen ihre Wäsche auf den Röhren, die sich immer wieder verzweigen.
Wie Kapillare strecken sie sich über dutzende Kilometer zu den "Pozos"; hunderte von Ölbrunnen zwischen Baumriesen, Schlingpflanzen und Sümpfen.
Längst reicht das Adergeflecht der Pipelines in den Yasuni hinein. Für knapp die Hälfte des Parks gibt es schon Förderkonzessionen. Für Naturschutz und Wirtschaft sind in Ecuador unterschiedliche Ministerien zuständig - nur dass bislang immer die Ökonomie das letzte Wort hatte.
Alle paar Kilometer fauchen Flammen durch das Blätterdach. Tag und Nacht wird ungenutztes Gas abgefackelt, das aus den Bohrlöchern strömt.
Abrupt endet die Fahrt an einem Zaun- "propiedad privado", Privatbesitz – mitten im Nationalpark. Das Öl Camp wird von einer privaten Sicherheitsfirma bewacht. Der Wächter ist mit einer Pumpgun bewaffnet. Nur ungern verlässt er den Schatten seines Unterstands. Nach fünf Minuten in der Sonne ist seine Uniform durchgeschwitzt. Über Funk meldet er die ungebetenen Gäste - die Verhandlungen ziehen sich hin.
Ein nahe gelegener Turm entpuppt sich als eine Reparaturanlage. In 3000 Metern Tiefe muss eine Ölpumpe ausgetauscht werden. Zum achten Mal während der 12 jährigen Betriebszeit. Für die Dutzend Männer, die eingepfercht in drei Containern im Drei-Schicht-System leben, bedeutet das zwei Wochen Arbeit. Annehmlichkeiten, wie sie die Provinzstadt Coca bietet, gibt es hier im Ölgebiet nicht. Mürrisch gibt der diensthabende Ingenieur Auskunft. Immerhin ist sein Container auf 20 Grad heruntergekühlt. Außen ist Feindesland.
"Jede Lagerstätte enthält neben Öl auch Gas. Und Wasser. Wir versuchen, beim Bohren möglicht genau die Öl fördernde Schicht zu treffen, um nicht Wasser zu fördern. Unsere Felder haben nicht mehr viel Druck, deswegen setzen wir elektrische Pumpen ein. Die andere Methode ist, eine bestimmte Sorte schweres Öl mit Druck einzuspritzen, um eine andere Sorte Öl zu fördern."
Weiter geht die Fahrt, mal inner-, mal außerhalb des Nationalparks. In einigen Senken am Pistenrand schimmern Öllachen. Manchmal leckt eine Pipeline wochenlang. Juan Coquinche, Vorsteher der Siedlung Tarracoa am Rande des Yasuni hat die Folgen für die Umwelt erlebt
"Das Öl läuft in die Lagune und anschließend in den Napo-Fluss. Vor etwa zwei Jahren sind hier die Fische gestorben, und wenn man gebadet hat, gab es einen Ausschlag."
Zum Beweis entblößt Juans Frau ihren Bauch, wo sich ein Exzem bis hin zum Rücken zieht.
"Ich habe meine Frau ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte haben gesagt, dass operiert werden müsse. Aber ich habe kein Geld. Wir wollten mit der Ölfirma sprechen, eine Entschädigung verlangen. Aber man hat uns gesagt, dass der Zuständige in Quito ist. Er hat sich bis heute nicht blicken lassen."
Fälle wie diese sind Alltag in Ecuador, seit in den Sechzigerjahren im nördlichen Amazonas-Gebiet Öl gefunden wurde. Jahrzehntelang wurden selbst toxische Bohrrückstände in die Sümpfe gekippt. Doch inzwischen wächst der Widerstand. Ureinwohner haben Straßen blockiert. Umwelt und Menschenrechtsgruppen den Konzern auf 27 Milliarden Dollar Schadensersatz verklagt.
Als Rafael Correa mit seiner Forderung nach einem "Sozialismus des 21.Jahrhunderts" vor gut 2 Jahren die Wahlen gewann, tat er etwas Unerhörtes. In einem Land, in dem der Rohölexport immer noch zu den wichtigsten Einnamequellen gehört, ernannte er Alberto Acosta, einen prominenten Wachstumskritiker, zum Minister für Bodenschätze.
"Die Erfahrungen mit Texaco waren drastisch. Mehr als vier Milliarden Barrel Erdöl sind seit den Siebzigerjahren gefördert worden. Nominal hat unser Land 90 Milliarden Dollar eingenommen. Trotzdem hat sich Ecuador nicht entwickelt. Dafür hat es eine ungeheure Umweltzerstörung gegeben: Entwaldung, Erosion, Vergiftung des Bodens, des Wassers, der Luft. Wir haben in einigen Gebieten eine Krebsrate von 30 Prozent. Zwei der indigenen Völker sind komplett verschwunden. Vor diesem Hintergrund ist unser Umweltschutz-Projekt entstanden, zumindest für das Kerngebiet des Yasuni mit seiner enormen Biodiversität. Außerdem bliebe der Welt die Emission von gut 400 Millionen CO2 erspart."
Der Vorschlag, von dem der Minister spricht: Ecuador lässt eine Million Barrel Öl, rund ein Viertel seiner Reserven, im Boden, wenn die internationale Gemeinschaft die Hälfte der daraus zu erwartenden Einnahmen in einen Fond zahlt: 10 Jahre lang 350 Millionen Dollar, damit die grüne Lunge im Kerngebiet des Yasuni weiteratmet, drei Ethnien ihren Lebensraum behalten und Ecuador in alternative Energien und Biotechnologie investieren kann. Acostas Idee fand zunächst ein geteiltes Echo - auch in Ecuador selbst.
"Anfangs haben wir gesagt: Wir wollen eine Entschädigung, sonst fördern wir. Das ist letztlich zu Recht als eine Art Erpressung verstanden worden. Aber die Diskussion im In- und Ausland hat ergeben, dass es um etwas anders geht Wir müssen die Angelegenheit zur eigenen Sache machen. Natürlich sind die Industriestaaten, die sich entwickelt haben, ohne auf das ökologische Gleichgewicht zu achten, aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Aber es geht heute nicht um Kompensierung, sondern um ökologische Gerechtigkeit und um konkrete Ideen für eine Post-Petroleum-Gesellschaft - nicht nur in Ecuador."
Erste Unterstützung - 30 Millionen Dollar im Jahr - hat die deutsche Bundesregierung in Aussicht gestellt. Die Vereinten Nationen wollen den Fond verwalten.
Doch was in Quito zu Papier gebracht wird, ist im Amazonastiefland noch lange nicht Gesetz. Juan Vargaz arbeitet als Ranger und soll den Yasuni überwachen. Neun Mann sind zuständig für eine Million Hektar Land, auf die nicht nur die Ölsucher ein Auge geworfen haben.
"Manchmal kommt eine Nachricht, dass irgendwo Edelhölzer gefällt werden. Wir müssen alles stehen und liegen lassen, um dem nachzugehen. Und schon bleibt ein Kontrollposten unbesetzt. Außerdem fehlt uns oft schlicht das Benzin."
Es sei demütigend, bei genau den Ölfirmen um Benzin betteln zu müssen, die sie oft genug vor dem Zaun stehen lassen, bemerkt Juan bitter. Regelmäßig besucht der Mann von der Umweltbehörde die Huaoranie, einen Stamm, der bis vor wenigen Jahrzehnten mit hölzernen Lanzen jagte. Ihre Siedlungen liegen in der Zone des Parks, in der bereits Öl gefördert wird.
"Früher hörten wir nur die Geräusche der Vögel und des Windes. Jetzt dröhnt es 24 Stunden lang. Es ist, als ob wir in der Großstadt leben. Ein paar kleine Tierarten wie Affen gibt es noch, aber viele größere Tiere haben sich tief in den Wald zurückgezogen."
Doch nicht nur Tiere sind auf der Flucht, berichtet Carlos, ein schmächtiger Mann in T-Shirt und Jeans. Auch drei mit den Huaoranie verwandte Völker ziehen die Isolierung im Regenwald der Moderne vor.
"Sie meiden den Kontakt, weil sie ohne Krankheiten leben wollen. Sie wollen auch nicht, dass Flugzeuge oder Hubschrauber ihr Gebiet überfliegen - sie sprechen von Apparaten, nicht von Flugzeugen. Sie sagen, wenn ihr hierherkommt, dann werden wir euch töten, egal ob Colonos, Huaoranies oder Quichuas."
Carlos Vater, der 70-jährige Dorfchef, verteidigt sein Territorium nur noch symbolisch. Eine Kette hat er über den Weg gespannt. Wer passieren will, muss zahlen. Mal eine Cola, mal 25 Dollar. Spanisch hat Davo nie gelernt.
"Ich hoffe, dass die Ölgesellschaften gehen, solange ich noch lebe.
Ich würde gerne zu unserem alten Leben zurückkehren. Aber das ist schwierig. So vieles hat sich verändert. Jetzt sollen die Firmen wenigstens ihre Zusagen einhalten und uns unterstützen."
Dass die Uhr nicht zurückgedreht werden kann, denkt auch Glenda Picuita. Die junge Soziologin untersucht die Auswirkungen der Ölförderung im Yasuni-Park.
Die Huaorani Kultur geht Stück für Stück verloren. Schon durch den Kontakt mit der Außenwelt werden neue Bedürfnisse geschaffen, die zu Problemen führen. Zum Beispiel zu Unter- und Fehlernährung. Früher brauchten die Einheimischen keinen Thunfisch und keine Nudeln, weil sie Yuca und Bananen aus dem Wald aßen.
Jetzt brauchen sie Geld, um sich zu ernähren. Es ist eine Art Zwangsintegration in die Marktwirtschaft. Die Menschen werden daran gewöhnt, von den Ölgesellschaften abhängig zu sein. Wenn sie Jobs vergibt, zahlt die Petrolera 25 Dollar am Tag. Warum sollen sich die Leute um Alternativen bemühen.
Carlos, der Sohn des Kaziken, stand früher selbst auf dem Gehaltszettel der Company, hat Wege gelichtet, und Geologen den Weg gezeigt. Heute hilft er der Umweltbehörde. Im Gegensatz zu seinem Vater sieht er Chancen, Teile der Hauoranie-Kultur in die Moderne hinüberzuretten.
"Woanders auf der Welt gibt es doch auch Projekte, wo Menschen von der Regierung oder der internationalen Gemeinschaft dafür bezahlt werden, dass sie die Landschaft und den Lebensraum der Tiere schützen. Wir haben auf vielen Versammlungen über die Yasuni-Initiative diskutiert. Wir könnten neue Einkommensquellen erschließen, den Tourismus ausbauen. Aber dafür muss das Öl im Boden bleiben."