Alternative Währungen boomen seit der Finanzkrise
Lokale Zahlungsmittel wie der Donau-Taler oder der Chiemgauer sind als Gegengewicht zum "offiziellen Geldsystem" entstanden, sagt der Ökonom Gerhard Rösl. Kaum einer der Nutzer glaube aber, dass man damit den Euro tatsächlich ablösen könne. Lokale Geldmittel seien eher Instrumente einer regionalen Wirtschaftsförderung.
Christine Watty: Mit was zahlen Sie denn so? Natürlich mit dem Euro. Aber auch, wenn Sie nicht schon mal einen Chiemgauer oder einen Rheingold oder eine Spreeblüte in der Hand hatten oder virtuell mit Bitcoins jongliert haben, dann ist Ihnen vielleicht schon einmal der Gedanke gekommen, wenn das mit der derzeitigen Währung nicht immer so gut läuft, wieso basteln wir uns nicht eine andere, siehe die Krise in Griechenland. Immerhin sind auch die Euros nur aus Messing zum Beispiel oder aus Papier.
Was so einfach klingt, wird mit uns jetzt der Volkswirtschaftler und ehemalige Mitarbeiter der Bundesbank Gerhard Rösl erörtern. Schönen guten Morgen!
Gerhard Rösl: Guten Morgen, Frau Watty!
Watty: Schon seit Beginn der Finanzkrise Anfang 2000 ploppen sie vermehrt auf in Deutschland, die Komplementärwährungen. Ich habe schon einfach mal so ein paar Namen in den Raum geworfen, aber vielleicht können wir anhand eines Beispiels einer dieser zusätzlichen Währungen noch mal definieren, was das genau ausmacht und wie die eigentlich funktionieren.
Rösl: Ja, wenn wir die Regionalgelder ansprechen, dann geht's im Kern um Bargeldsubstitute. Es sind Scheinchen, die eine Denomination haben, eins, zwei, fünf, zehn, zwanzig oder fünfzig, und die können Sie dann einsetzen, wie Sie Euro-Geldscheine auch einsetzen können, in der Region zum Bezahlen von Kaufvorgängen. Ausgegeben werden die Scheinchen von Regionalvereinen, die mit der Ausgabe der Scheinchen hoffen, die regionale wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
"Ergänzung des etablierten Geldsystems"
Watty: Was ist denn die Motivation Ihrer Einschätzung nach hinter diesen Komplementärwährungen. Jetzt sagen wir einfach mal, bleiben wir bei den Regionalwährungen, ein neues Modell zu schaffen, das irgendwann dann zum Beispiel den Euro ersetzen könnte oder tatsächlich parallel existierende Modelle zu kreieren, damit man eben unabhängig ist von einer Währung, die einem vielleicht gerade nicht ganz geheuer ist.
Rösl: Ja, also die Naivität, dass man mit Regionalgeld den Euro ablösen kann, die hab ich bisher noch nicht gesehen. Im Kern geht es um eine Ergänzung des etablierten Geldsystems, zumindest nach Auffassung der Regionalgeld-Emittenten, dass man eine Art Gegengewicht gegen die Globalisierung hier setzen will. Ob das immer ökonomisch so begründet ist, das kann jetzt mal dahingestellt bleiben, aber das ist so die Idee. Schon eher politisch motiviert, aber nicht unbedingt bösartig gegen das System gerichtet, sondern man ist auf der Suche nach einer regionalen Wirtschaftsförderung, die man dann über die Ausgabe von Regionalgeld bereitstellen will.
Watty: Der Boom solcher Währungen hat natürlich eingesetzt mit dem Beginn auch der Finanzkrise. Ist dieser Währungswettbewerb, diese Art des Wettbewerbes eigentlich eine gute Sache?
Rösl: Als Ökonom freut man sich ja immer über den Wettbewerb, und man kann also die Frage stellen, warum soll das beim Geld nicht auch der Fall sein. Generell ist es ja so, dass wir sagen können, dass es ja für die normalen Bürger überhaupt keinen Anreiz gibt, andere Geldformen als den etablierten Euro, den etablierten Dollar zu nehmen und zu verwenden bei Käufen, wenn denn nicht irgendwas im Hintergrund ist, was den Bürgern Sorge bereitet. Also, wenn wir zum Beispiel sehen, dass in einigen Ländern hohe Inflationsraten herrschen, dann greifen die Bürger schnell auf andere Geldarten zurück wie zum Beispiel den Euro in Osteuropa oder den US-Dollar in Südamerika.
Wenn man mit dem Euro als europäisches, technokratisches Kunstprodukt unzufrieden ist, weil die geliebte D-Mark nicht mehr da ist, dann greift man halt auf das emotionalere Produkt Regionalgeld zurück, und wenn man von den Staaten sich nicht überwachen lassen will, zunehmend, sei es über das Geldwäschegesetz, sei es über Trojaner, die Finanzminister einem auf die Festplatte setzen wollen, dann greift man eben auf Bitcoins zunehmend zu. Und so, glaube ich, kann man sagen, dass immer dann, wenn neben den etablierten Geldsystemen andere Geldformen auftreten, dass man das als Indikator interpretieren kann, dass zumindest eine Gruppe von Bürgern unzufrieden ist mit dem aktuellen Geldsystem, und dann gehen die eben auf die Suche nach Alternativen. Und das muss in einer freiheitlichen Gesellschaft ja möglich sein.
Watty: Sie bezeichnen das als Indikator für eine gewisse Unzufriedenheit mit der Währung, die man natürlich leicht auch als Nicht-Ökonom nachvollziehen kann – was könnte dieser Indikator denn bestenfalls erreichen? Ist die Situation so richtig, wie sie im Moment ist, dass es eben dann noch diese alternativen Modelle gibt, oder hat dieser Indikator beziehungsweise dieses Umschwenken zu anderen Währungen tatsächlich auch ein größeres zukünftiges Potenzial?
Rösl: Das hängt ganz davon ab, wie unsolide die offizielle Währung ist. Es ist jetzt beim US-Dollar und beim Euro die mangelnde Solidität nicht so gegeben, dass wir auf breiter Basis Komplementärwährungen erwarten können. Anders ist es vielleicht bei der Überwachung. Diese ganzen NSA-Skandale, die Abschaffung des Bankgeheimnisses haben doch die Sensibilität bei den Bürgern etwas erhöht, dass man sich nicht a priori mal einfach so von staatlicher Seite überwachen lassen will, und das bereitet dann schon, denke ich, das Feld für eine zunehmende Verwendung insbesondere der Bitcoins, sodass ich glaube, dass die Bitcoins durchaus eine größere Verbreitungschance haben als die Regionalgelder, die Sie in Deutschland finden.
"Bitcoins gibt wieder Anonymität"
Watty: Wir sprechen im Radiofeuilleton im Deutschlandradio Kultur mit dem Volkswirt Gerhard Rösl. Jetzt haben Sie die Bitcoins schon auch ins Rennen geworfen. Die sind natürlich nicht regional, sondern virtuell in erster Linie. Man sagt dem Bitcoin im Moment nach, er sei jetzt leider auch zum Spekulationsobjekt geworden. Die Idee aber ist die einer Community-Währung, die eben auch ohne Notenbank funktionieren kann. Jetzt haben Sie gerade schon hoffnungsfroh geklungen, als Sie über den Bitcoin gesprochen haben. Was trägt der denn Gutes in sich, Ihrer Meinung nach?
Rösl: Er gibt den Bürgern wieder Anonymität beim Zahlungsverkehr. Wir hatten ja früher mal ein Bankgeheimnis, das noch dem Namen gerecht wurde. Und heute hat man den Eindruck, dass staatliche Stellen, sei es im In- oder im Ausland mehr oder weniger willkürlich den Bürger einfach überwachen können über die Beobachtung seines Zahlungsverhaltens. Und vor dem Hintergrund ist Bitcoins in der freiheitlichen Gesellschaft durchaus zu begrüßen. Ich bin jetzt auch nicht naiv und will Bitcoins hier jetzt als die Lösung für die Zukunft propagieren, aber doch als Indikator dafür, dass die Staaten mal wieder darüber nachdenken sollen, ob wir nicht wieder zurückkehren können zum Bankgeheimnis und zu dem alten Prozedere, dass wir die Privatheit der Bürger erst mal schützen und nur in begründetem Verdacht dann, nach Rücksprache bei Richtern, diese Anonymität wieder in Frage stellen, indem wir dann per richterlichem Beschluss dann Kontobewegungen nachvollziehen können.
Watty: Das heißt, der Bitcoin würde für Sie stehen als Modell sozusagen mit dem Teil der Eigenschaften, der Unüberwachbarkeit, die Sie beschrieben haben. Sie haben aber auch mal gesagt, dass Sie sich vorstellen können, dass der Bitcoin tatsächlich verboten wird. Nicht nur, dass er nicht richtig funktioniert, weil, wie gesagt, er zum Spekulationsobjekt geworden ist und nicht zur wirklichen Community-Währung, sondern dass der womöglich gar nicht existieren darf. Warum denn eigentlich nicht?
Rösl: Vom Prinzip her, wenn Sie auf die Bitcoins zurückgreifen, dann brauchen Sie kein Buchgeld von Banken mehr. Und je mehr sich die Bitcoins verbreiten, desto mehr müssen die Banken natürlich um ihr normales Geschäft fürchten. Das heißt, Zinseinlagen gehen zurück, Überweisungsgebühren, wenn sie denn noch erhoben werden, gehen zurück. Und dann wird die Bankenlobby natürlich versuchen, sich das Geschäftsfeld nicht wegnehmen zu lassen, wird Druck ausüben auf die Regierungen, da entsprechend hemmend vorzugehen, indem man die Bitcoin-Annahme dann verbietet. Auch die Zentralbanken haben durchaus auch ein berechtigtes Interesse im Hinblick auf die Steuerung der Geldmenge, was die Bitcoin-Entwicklungsbeobachtung zumindest betrifft. Das können sie ja nicht leisten. Bitcoins sind ja anonym, da wissen sie nicht, wie viel letztlich dann monetär nachfragewirksam wird im Inland. Es kann durchaus Probleme für die Zentralbank bedeuten, sodass ich glaube, dass vonseiten der Zentralbanken und vonseiten der Banken letztlich so weit Druck ausgeübt wird, dass die Staaten zumindest die offizielle Verwendung von Bitcoins, denke ich, verbieten werden.
Watty: Das heißt aber, wenn wir in die Zukunft schauen, dass diese Komplementärwährungen, die können im Moment immer nur als Sinnbild für die Unzufriedenheit der Bürger stehen, und vielleicht eben den Markt quasi aufrütteln und zeigen, womit man gerade nicht zufrieden ist. Oder sehen Sie tatsächlich eine Zukunft, in der andere Währungsmodelle wirklich tragfähige Alternativen sind zu den Währungen, die wir haben?
Rösl: Das hängt ganz davon ab, wie verantwortungsvoll man mit dem offiziellen Geldsystem umgeht. Ich glaube nicht, dass unser offizielles Geldsystem eine eingebaute Instabilität hat, wie das einige Kollegen glauben. Das glaube ich nicht. Aber man muss verantwortungsvoll damit umgehen. Man muss die Unabhängigkeit der Zentralbank respektieren. Die Zentralbank darf nicht politisiert werden. Und das ist genau das, was wir im Moment sehen, weltweit. Sei es die amerikanische Zentralbank, sei es die EZB, wird letztlich instrumentalisiert, um marode Staatshaushalte, um marode Banken auch grenzüberschreitend in Europa zu finanzieren. Und dass dann die Bürger auf die Suche nach Alternativen gehen, ist irgendwie nachvollziehbar.
Watty: Danke schön an Gerhard Rösl, ehemals Mitarbeiter der Bundesbank, heute Professor an der Ostbayerischen Hochschule Regensburg. Und ich glaube, Sie müssen auch jetzt wieder zurück in den Hörsaal. Dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen und einen guten Tag und danke für das Gespräch!
Rösl: Vielen Dank! Wiederhören.
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