Zahnhygiene und Porträtkunst

Besser den Mund geschlossen halten

Vier Detailaufnahmen des Gesichts der Mona Lisa, aus dem gleichnamigen Gemälde von Leonardo da Vinci, in Infrarot, den ursprünglichen, heutigen und falschen Farben sind am 09.04.2014 in Nürnberg (Bayern) während der Ausstellung "Da Vinci - das Genie" zu s
Ob sie mit offenem Mund auch noch schön gewesen wäre? Detailaufnahmen der Mona Lisa aus der Nürnberger "Da Vinci"-Ausstellung © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Valentin Groebner im Gespräch mit Gesa Ufer |
Dass Menschen auf Porträts lächeln, ist eine vergleichsweise junge Erscheinung. Sie hat auch damit zu tun, dass es vor dem 20. Jahrhundert eigentlich keinen vernünftigen Zahnersatz gab, meint der Luzerner Historiker Valentin Groebner.
Ob in der Malerei oder der Fotografie – Porträts sind gar nicht so individuell, wie man auf den ersten Blick vielleicht denkt. Vielmehr hat jede Zeit ihre "Porträtkonventionen", denen die Porträtierten auch genügen wollten, sagt der Historiker Valentin Groebner von der Universität Luzern.
Die Reichen hatten sogar schlechtere Zähne als die Armen
Beispielsweise sind auf alten Porträts die Münder meist geschlossen. Auch weil die meisten Menschen gar keine vorzeigbaren Zähne gehabt hätten, sagt Groebner. "Es gibt keinen vernünftigen Zahnersatz vor dem 20. Jahrhundert." Reiche Leute hätten wegen ihres höheren Zuckerkonsums sogar sehr viel schlechtere Zähne gehabt als die Armen. "Und sie haben auch den Mund nicht so gern geöffnet, sie müssen alle schrecklich aus dem Mund gerochen haben," so der Historiker.
"Die wenigsten Mittelalter-Fans denken darüber nach, wie Braveheart ohne Zahnpasta und ohne Shampoo gerochen hat."
Zähne standen für Hinfälligkeit
Lediglich auf Bildern, die Hinfälligkeit thematisierten, seien Zähne dargestellt worden, etwa in den "Memento mori"-Porträts, die an den eigenen Tod erinnern sollten, oder auf Bilder von Leichnamen, die in der katholischen Kultur eine große Rolle gespielt hätten. "Oder die Bilder der alten Frau, wo man sieht, der sind die Zähne ausgefallen", sagt Groebner. "Das ist eine relativ starke Bildtradition."
"Individualität ist eine Gruppeneigenschaft"
Auch auf Fotos beginnen die Menschen erst ab den 1920er-Jahren beginnen Menschen vermehrt zu lächeln und Grimassen zu zeigen. Damals habe sich eine "Kultur des Knipsens und der lockeren, informellen, privaten Fotografie" entwickelt. Die damit angedeutete Individualität der Erscheinung ist Groebner zufolge jedoch nur eine weitere Porträtkonvention. "Individualität ist nie etwas, was nur eine Einzelperson hat, sondern immer eine Gruppeneigenschaft. Etwas, von dem alle glauben, dass nur sie es zeigen."
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