Zapsu: Für die Türkei war die Frage "todernst"
Der ehemalige außenpolitische Berater des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, Cüneyd Zapsu, hat den Widerstand der Türkei gegen den neuen NATO-Generalsekretär Rasmussen verteidigt. Als dänischer Ministerpräsident habe er im Verhältnis zu den islamischen Ländern nichts zu Stande gebracht, sagte Zapsu. Zugleich wies er den Vorwurf der Erpressung zurück.
Birgit Kolkmann: Wer hat die Türken am Samstag wieder ins NATO-Boot geholt? – Obama war es höchstpersönlich, so hieß es. Berlusconi rief nach gestenreicher Handy-Diplomatie "mein Verdienst". Am Ende stimmte die Türkei doch zu, dass Dänemarks bisheriger Regierungschef neuer NATO-Generalsekretär wird. Kein Gesichtsverlust also für Abdullah Gül in Straßburg. Und es gab jede Menge Zugeständnisse an die Türken: hohe Posten in der NATO, heute soll sich der designierte Chef Rasmussen beim Besuch in Istanbul für die Mohammed-Karikaturen entschuldigen und der Kurden-Sender Roj TV in Dänemark soll geschlossen werden. – Cüneyd Zapsu ist der ehemalige außenpolitische Berater des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Ihn begrüße ich in der "Ortszeit". Schönen guten Morgen!
Cüneyd Zapsu: Guten Morgen.
Kolkmann: Herr Zapsu, haben die Türken wieder einmal mit Erfolg ganz hoch gepokert?
Zapsu: Pokern ist meiner Meinung nach, wenn man in ein Risiko hineingeht. Das heißt, man könnte das so auffassen, als ob es ein Bluff wäre. So weit ich die Situation – Sie wissen, ich bin jetzt Privatier – kenne, war das todernst. Das war kein Bluff. Das war das erste Mal, glaube ich, in der NATO, dass wir darauf bestanden haben, dass die Sache in Ordnung gehen musste.
Kolkmann: Der NATO-Gipfel war damit an den Rand des Scheiterns gebracht. Das hat einen kleinen Hauch von Erpressung, mindestens aber einen unschönen Beigeschmack. Sehen Sie das ähnlich?
Zapsu: Ich sehe das nicht so ähnlich. Wissen Sie, wenn das von uns aus gemacht wird, heißt es Erpressung; wenn das aber vom Westen, von irgendeinem anderen Land gemacht wird, ist es nur verhandeln. Das finde ich eben unschön, dass man das gleich als Erpressung auffasst. Wenn man sich nur die letzten 10, 20, 30 Jahre NATO beziehungsweise andere Sachen ansieht, dann gibt man und nimmt man was. Von der Türkei ist man aber immer seit Anfang der NATO gewöhnt, dass die Türkei immer gibt, und zwar Soldaten und dies und jenes und so weiter, aber jetzt in den letzten Jahren hat die Türkei auch gezeigt, hey, das läuft nicht mehr so. Deswegen bin ich total anderer Meinung, als wenn man Erpressung sagt. Warum soll das Erpressung sein, wenn man an jemand denkt, der sagt, okay, wenn er nicht mal in seinem eigenen Land etwas zu Stande bringt – das ist meine persönliche Meinung -, wie soll er dann die NATO führen.
Kolkmann: Also Sie sind der Meinung, dass Rasmussen in seinem eigenen Land als Ministerpräsident nichts zu Stande gebracht hat und deswegen auch nicht geeignet ist für den NATO-Vorsitz?
Zapsu: Nichts zu Stande gebracht hat im Verhältnis zu den islamischen Ländern. Und wenn die NATO jetzt etwas in Afghanistan tun soll, was sie jetzt auch tut, dann ist das sehr, sehr wichtig. Glauben Sie das nicht?
Kolkmann: Wenn Sie das vielleicht noch mal spezifizieren könnten? Was meinen Sie, was hat Rasmussen nicht zu Stande gebracht im Verhältnis zu den islamischen Ländern? Ich nehme an, Sie sprechen den Streit um die Mohammed-Karikaturen an, die ja in Dänemark erstmals erschienen waren.
Zapsu: Ja. Dieser Streit konnte gleich am Anfang schon gar nicht erst entstehen, wenn die Reaktion, die viel zu spät und zu wenig kam, am Anfang gemacht werden könnte. Wir wissen alle inzwischen, was das für verheerende Folgen haben kann. Ich glaube nicht, dass es Erpressung war. Ich glaube, dass es die Richtigkeit hatte und dass es die richtige Folgerung auch gegeben hat. Das heißt, Rasmussen wird halt seine Haltung gegenüber den islamischen Ländern hier in dieser Konferenz in Istanbul ganz offen darlegen und ich hoffe, dass es so sein wird, wie man es uns gesagt hat.
Kolkmann: Glauben Sie, dass sie in US-Präsident Obama jemanden gefunden haben, der mehr das große Ganze im Sinn hat und nicht so sehr das Trennende, das es ja auch innerhalb der EU und auch im Verhältnis zur Türkei gibt, betont?
Zapsu: Ich glaube, mit Präsident Obama haben wir einen neuen Anfang für die bilateralen Verhältnisse. Ihre Frage, ob Herr Obama das große Ganze besser sieht, das ist nur zu hoffen. Aber wenn er jetzt in die Türkei kommt, gleich nach G-20, nach NATO, dann nach Prag, dann glaube ich schon, dass es so aussieht, als ob es in Ordnung wäre. Wir werden halt dann sehen, was er heute noch sagt.
Kolkmann: Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen Obama mehr Wertschätzung entgegenbringt als zum Beispiel doch die Kritiker eines Beitritts wie Frau Merkel und Präsident Sarkozy?
Zapsu: Nein, auf keinen Fall. Warum? Sie dürfen nicht Präsident Sarkozy und die Bundeskanzlerin Merkel als Türkei-Gegner setzen. Es sind ganz andere Sachen, die da laufen. Sie wissen das. Wir haben jetzt Wahlen in Deutschland.
Kolkmann: Aber ich glaube nicht, dass die Wahlen in Deutschland etwas mit den Vorbehalten des französischen Präsidenten zu tun haben, die er ja wieder erneuert hat und wo er gesagt hat, die Türkei ist ein muslimisches Land und insofern passt es nicht wirklich zur Europäischen Union und deswegen sei er gegen einen Beitritt.
Zapsu: Präsident Sarkozy hat sich in den letzten Monaten – haben Sie das nicht bemerkt? – schon etwas anders verhalten als vor einem Jahr, also nicht mehr so negativ gegenüber der Türkei.
Kolkmann: Der Besuch von Barack Obama in der Türkei heute und morgen, ist das für Sie auch ein wichtiger Beitrag für eine weitere Kooperation Richtung Frieden im Mittleren und im Nahen Osten?
Zapsu: Auf jeden Fall, auf jeden Fall! Ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben. Die letzten drei, vier, fünf Jahre, also seit Erdogan Premierminister geworden ist, haben wir wirklich sehr viel versucht, hier im Nahen Osten zu tun. Wir haben die ersten Verhältnisse im Verhältnis zu Syrien geschafft, wenn Sie sich vielleicht daran erinnern. Vor acht Jahren hatten wir fast einen Krieg mit Syrien und jetzt sind wir die besten Freunde. Letzte Woche, vor ein paar Tagen erst, war ein Afghanistan-Meeting zwischen Afghanistan und Pakistan hier in der Türkei, ein Gipfel. Es wurde sehr viel getan und ich glaube, die Regierung Obama hat das sehr, sehr gut beobachten können und möchte daraus noch mehr Nutzen ziehen. Ich meine, es nützt uns am meisten, denn wir sitzen hier - wir sind deren erster Handelspartner, wir sind deren Nachbarn -, dass es dort Frieden gibt, und das ist ganz normal, dass wir unsere Verhältnisse benützen müssen.
Kolkmann: Zum Besuch von Barack Obama in der Türkei war das der ehemalige außenpolitische Berater des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, Cüneyd Zapsu. Ganz herzlichen Dank fürs Gespräch!
Zapsu: Bitte sehr.
Das Interview mit Cüneyd Zapsu können Sie mindestens bis zum 6. September 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Cüneyd Zapsu: Guten Morgen.
Kolkmann: Herr Zapsu, haben die Türken wieder einmal mit Erfolg ganz hoch gepokert?
Zapsu: Pokern ist meiner Meinung nach, wenn man in ein Risiko hineingeht. Das heißt, man könnte das so auffassen, als ob es ein Bluff wäre. So weit ich die Situation – Sie wissen, ich bin jetzt Privatier – kenne, war das todernst. Das war kein Bluff. Das war das erste Mal, glaube ich, in der NATO, dass wir darauf bestanden haben, dass die Sache in Ordnung gehen musste.
Kolkmann: Der NATO-Gipfel war damit an den Rand des Scheiterns gebracht. Das hat einen kleinen Hauch von Erpressung, mindestens aber einen unschönen Beigeschmack. Sehen Sie das ähnlich?
Zapsu: Ich sehe das nicht so ähnlich. Wissen Sie, wenn das von uns aus gemacht wird, heißt es Erpressung; wenn das aber vom Westen, von irgendeinem anderen Land gemacht wird, ist es nur verhandeln. Das finde ich eben unschön, dass man das gleich als Erpressung auffasst. Wenn man sich nur die letzten 10, 20, 30 Jahre NATO beziehungsweise andere Sachen ansieht, dann gibt man und nimmt man was. Von der Türkei ist man aber immer seit Anfang der NATO gewöhnt, dass die Türkei immer gibt, und zwar Soldaten und dies und jenes und so weiter, aber jetzt in den letzten Jahren hat die Türkei auch gezeigt, hey, das läuft nicht mehr so. Deswegen bin ich total anderer Meinung, als wenn man Erpressung sagt. Warum soll das Erpressung sein, wenn man an jemand denkt, der sagt, okay, wenn er nicht mal in seinem eigenen Land etwas zu Stande bringt – das ist meine persönliche Meinung -, wie soll er dann die NATO führen.
Kolkmann: Also Sie sind der Meinung, dass Rasmussen in seinem eigenen Land als Ministerpräsident nichts zu Stande gebracht hat und deswegen auch nicht geeignet ist für den NATO-Vorsitz?
Zapsu: Nichts zu Stande gebracht hat im Verhältnis zu den islamischen Ländern. Und wenn die NATO jetzt etwas in Afghanistan tun soll, was sie jetzt auch tut, dann ist das sehr, sehr wichtig. Glauben Sie das nicht?
Kolkmann: Wenn Sie das vielleicht noch mal spezifizieren könnten? Was meinen Sie, was hat Rasmussen nicht zu Stande gebracht im Verhältnis zu den islamischen Ländern? Ich nehme an, Sie sprechen den Streit um die Mohammed-Karikaturen an, die ja in Dänemark erstmals erschienen waren.
Zapsu: Ja. Dieser Streit konnte gleich am Anfang schon gar nicht erst entstehen, wenn die Reaktion, die viel zu spät und zu wenig kam, am Anfang gemacht werden könnte. Wir wissen alle inzwischen, was das für verheerende Folgen haben kann. Ich glaube nicht, dass es Erpressung war. Ich glaube, dass es die Richtigkeit hatte und dass es die richtige Folgerung auch gegeben hat. Das heißt, Rasmussen wird halt seine Haltung gegenüber den islamischen Ländern hier in dieser Konferenz in Istanbul ganz offen darlegen und ich hoffe, dass es so sein wird, wie man es uns gesagt hat.
Kolkmann: Glauben Sie, dass sie in US-Präsident Obama jemanden gefunden haben, der mehr das große Ganze im Sinn hat und nicht so sehr das Trennende, das es ja auch innerhalb der EU und auch im Verhältnis zur Türkei gibt, betont?
Zapsu: Ich glaube, mit Präsident Obama haben wir einen neuen Anfang für die bilateralen Verhältnisse. Ihre Frage, ob Herr Obama das große Ganze besser sieht, das ist nur zu hoffen. Aber wenn er jetzt in die Türkei kommt, gleich nach G-20, nach NATO, dann nach Prag, dann glaube ich schon, dass es so aussieht, als ob es in Ordnung wäre. Wir werden halt dann sehen, was er heute noch sagt.
Kolkmann: Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen Obama mehr Wertschätzung entgegenbringt als zum Beispiel doch die Kritiker eines Beitritts wie Frau Merkel und Präsident Sarkozy?
Zapsu: Nein, auf keinen Fall. Warum? Sie dürfen nicht Präsident Sarkozy und die Bundeskanzlerin Merkel als Türkei-Gegner setzen. Es sind ganz andere Sachen, die da laufen. Sie wissen das. Wir haben jetzt Wahlen in Deutschland.
Kolkmann: Aber ich glaube nicht, dass die Wahlen in Deutschland etwas mit den Vorbehalten des französischen Präsidenten zu tun haben, die er ja wieder erneuert hat und wo er gesagt hat, die Türkei ist ein muslimisches Land und insofern passt es nicht wirklich zur Europäischen Union und deswegen sei er gegen einen Beitritt.
Zapsu: Präsident Sarkozy hat sich in den letzten Monaten – haben Sie das nicht bemerkt? – schon etwas anders verhalten als vor einem Jahr, also nicht mehr so negativ gegenüber der Türkei.
Kolkmann: Der Besuch von Barack Obama in der Türkei heute und morgen, ist das für Sie auch ein wichtiger Beitrag für eine weitere Kooperation Richtung Frieden im Mittleren und im Nahen Osten?
Zapsu: Auf jeden Fall, auf jeden Fall! Ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben. Die letzten drei, vier, fünf Jahre, also seit Erdogan Premierminister geworden ist, haben wir wirklich sehr viel versucht, hier im Nahen Osten zu tun. Wir haben die ersten Verhältnisse im Verhältnis zu Syrien geschafft, wenn Sie sich vielleicht daran erinnern. Vor acht Jahren hatten wir fast einen Krieg mit Syrien und jetzt sind wir die besten Freunde. Letzte Woche, vor ein paar Tagen erst, war ein Afghanistan-Meeting zwischen Afghanistan und Pakistan hier in der Türkei, ein Gipfel. Es wurde sehr viel getan und ich glaube, die Regierung Obama hat das sehr, sehr gut beobachten können und möchte daraus noch mehr Nutzen ziehen. Ich meine, es nützt uns am meisten, denn wir sitzen hier - wir sind deren erster Handelspartner, wir sind deren Nachbarn -, dass es dort Frieden gibt, und das ist ganz normal, dass wir unsere Verhältnisse benützen müssen.
Kolkmann: Zum Besuch von Barack Obama in der Türkei war das der ehemalige außenpolitische Berater des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, Cüneyd Zapsu. Ganz herzlichen Dank fürs Gespräch!
Zapsu: Bitte sehr.
Das Interview mit Cüneyd Zapsu können Sie mindestens bis zum 6. September 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio