Zauberei und Militär
Das Theaterkollektiv Rimini Protokoll holt sich nach langen Recherchen stets "Experten des Alltags" auf die Bühne, die ohne zusätzliche Dramatisierung aus ihrem Leben erzählen. Goethes "Zauberlehrling" war bei dem neuesten Projekt nur der Anlass, um die Verknüpfung von Zauberkunst und militärischem Einsatz zu demonstrieren.
In Goethes Ballade ruft ein Zauberlehrling nach Geistern, die er dann nicht mehr kontrollieren kann. Das Produktionskollektiv "Rimini Protokoll" beruft Experten des Alltags, die möglichst geistvoll aus ihrem Leben erzählen. In Stücken der Gruppe spielen keine gelernten Schauspieler, sondern Menschen, die biographisch etwas Besonderes zu bieten haben. Die "Spezialisten" sind in diesem Fall eine Isländerin, ein Russe und zwei Deutsche. Sie verbinden auf assoziative und überraschende Weise Zauberei und Militär. Goethes Ballade vom "Zauberlehrling" wird nicht gespielt oder illustriert, sie gibt nur den Anstoß.
Als ein Art Conferencier fungiert der "Zauberkönig von Berlin", Günter Klepke, fast 80 Jahre alt. Er besitzt in der Hauptstadt einen Laden gleichen Namens. Ihm zur Seite steht sein jüngerer Kollege Markus Kompa, der beeindruckende Tricks auf Lager hat und als Rechtsanwalt unter anderem Uri Geller vertritt. Die beiden Zauberkünstler vermitteln Varieté-Atmosphäre. Da wird das "indische Seil" mehrfach zerschnitten und wächst auf geradezu wundersame Weise wieder zusammen, ein Spazierstock tanzt und ein Tisch schwebt.
Die Zauberkünste, so wissen sie zu erzählen, standen immer wieder in Verbindung mit militärischen Anliegen. Die Franzosen etwa schickten den Zauberer Robert Hondin nach Algerien, um den einheimischen Magiers ihre Überlegenheit zu demonstrieren und beendeten dadurch Aufstände in der Wüste.
In die Wüste führte auch die Mission der blonden isländischen Journalistin Herdis Sigurgrimsdottir. Sie ging 2007 für ihr Land als "Eine-Seele-Armee" in den Irak. Island ist Mitglied der NATO, hat aber keine Streitkräfte. Deshalb werden für internationale Einsätze Zivilisten rekrutiert.
Die junge Frau trainierte im Jahr 2007 in Bagdad Offiziere und Beamte in Medienkompetenz. Also, wie erzählt man sein Kriegshandwerk den Journalisten; welche Künste muss man einsetzen, um den Eindruck zu vermitteln, dass man alle beschworenen Geister im Griff hat; wie gibt man einem dunklen Kollateralschaden einen hellen Schein.
Zum Stoff der "Geister, die ich rief" passt haargenau die Geschichte vom ehemaligen russischen Oberstleutnant Stanislav Petrov. Seine Geschichte ging Ende der Neunziger durch die Presse. Er ist der Mann, der den Dritten Weltkrieg verhinderte. Im September 1983 war er leitender Offizier im Überwachungszentrum der UdSSR, als die Computer einen Atomraketenangriff aus den USA meldeten. Es war die Zeit, als Ronald Reagan die Sowjetunion als Reich des Bösen bezeichnete, in Amerika die Möglichkeit eines "Enthauptungsschlages" diskutiert wurde und die Sowjets tatsächlich mit einem Krieg rechneten.
Petrov interpretierte das Geschehen dennoch als Fehlalarm. Das war richtig, wie sich später herausstellte. Der Computer hatte Sonnenreflektionen falsch interpretiert. "Wo wart ihr, meine Mitspieler, an diesem Tag?", fragt der 70-Jährige. Nun, der Zauberkönig machte Spaß mit Kindern auf einer Schiffsreise, die anderen beiden waren noch klein und träumten von Kindergarten und Grundschultaten.
Stanislav Petrov tritt ganz bescheiden erzählend auf. Die kleine Bühne ist einem Fronttheater nachgebaut, mit Holzverschlag, rotem Vorhang und Blinkebirnchen. Das vermittelt etwas mehr Bühnenzauber als sonst bei der Gruppe "Rimini Protokoll" üblich. Das Regieteam Helgard Haug und Daniel Wetzel nutzt die hohe Bühnenpräsenz der beiden Zauberkünstler, die schon lange öffentlich auftreten, gut auf den Brettern stehen und Tricks bieten, aber nicht deren Auflösung verraten. Und auch der isländischen Ex-Soldatin macht das Spiel auf der Bühne merkbar Spaß. Sie assistiert beim Geräusche machen oder als geheimnisvolle Dame, die man verschwinden lässt.
Mit "Der Zauberlehrling" ist den "Riminis" wieder ein Wurf gelungen. Sie haben originelle Figuren gefunden und deren Geschichten theatralisch wirkungsvoll ineinander verwoben. Zauberkunst und Militär berühren sich wie Sein und Schein. Das ist ja ein Thema, das das Theater immer bewegt hat. Und hier wird eine neue Variante hinzugefügt.
"Der Zauberlehrling"
von Helgard Haug & Daniel Wetzel / Rimini Protokoll
Uraufführung am Düsseldorfer Central
Konzept und Inszenierung Helgard Haug/ Daniel Wetzel
Darsteller:
Günter Klepke, Markus Kompa, Herdis Sigurgrimsdottir und Stanislav Petrov
Als ein Art Conferencier fungiert der "Zauberkönig von Berlin", Günter Klepke, fast 80 Jahre alt. Er besitzt in der Hauptstadt einen Laden gleichen Namens. Ihm zur Seite steht sein jüngerer Kollege Markus Kompa, der beeindruckende Tricks auf Lager hat und als Rechtsanwalt unter anderem Uri Geller vertritt. Die beiden Zauberkünstler vermitteln Varieté-Atmosphäre. Da wird das "indische Seil" mehrfach zerschnitten und wächst auf geradezu wundersame Weise wieder zusammen, ein Spazierstock tanzt und ein Tisch schwebt.
Die Zauberkünste, so wissen sie zu erzählen, standen immer wieder in Verbindung mit militärischen Anliegen. Die Franzosen etwa schickten den Zauberer Robert Hondin nach Algerien, um den einheimischen Magiers ihre Überlegenheit zu demonstrieren und beendeten dadurch Aufstände in der Wüste.
In die Wüste führte auch die Mission der blonden isländischen Journalistin Herdis Sigurgrimsdottir. Sie ging 2007 für ihr Land als "Eine-Seele-Armee" in den Irak. Island ist Mitglied der NATO, hat aber keine Streitkräfte. Deshalb werden für internationale Einsätze Zivilisten rekrutiert.
Die junge Frau trainierte im Jahr 2007 in Bagdad Offiziere und Beamte in Medienkompetenz. Also, wie erzählt man sein Kriegshandwerk den Journalisten; welche Künste muss man einsetzen, um den Eindruck zu vermitteln, dass man alle beschworenen Geister im Griff hat; wie gibt man einem dunklen Kollateralschaden einen hellen Schein.
Zum Stoff der "Geister, die ich rief" passt haargenau die Geschichte vom ehemaligen russischen Oberstleutnant Stanislav Petrov. Seine Geschichte ging Ende der Neunziger durch die Presse. Er ist der Mann, der den Dritten Weltkrieg verhinderte. Im September 1983 war er leitender Offizier im Überwachungszentrum der UdSSR, als die Computer einen Atomraketenangriff aus den USA meldeten. Es war die Zeit, als Ronald Reagan die Sowjetunion als Reich des Bösen bezeichnete, in Amerika die Möglichkeit eines "Enthauptungsschlages" diskutiert wurde und die Sowjets tatsächlich mit einem Krieg rechneten.
Petrov interpretierte das Geschehen dennoch als Fehlalarm. Das war richtig, wie sich später herausstellte. Der Computer hatte Sonnenreflektionen falsch interpretiert. "Wo wart ihr, meine Mitspieler, an diesem Tag?", fragt der 70-Jährige. Nun, der Zauberkönig machte Spaß mit Kindern auf einer Schiffsreise, die anderen beiden waren noch klein und träumten von Kindergarten und Grundschultaten.
Stanislav Petrov tritt ganz bescheiden erzählend auf. Die kleine Bühne ist einem Fronttheater nachgebaut, mit Holzverschlag, rotem Vorhang und Blinkebirnchen. Das vermittelt etwas mehr Bühnenzauber als sonst bei der Gruppe "Rimini Protokoll" üblich. Das Regieteam Helgard Haug und Daniel Wetzel nutzt die hohe Bühnenpräsenz der beiden Zauberkünstler, die schon lange öffentlich auftreten, gut auf den Brettern stehen und Tricks bieten, aber nicht deren Auflösung verraten. Und auch der isländischen Ex-Soldatin macht das Spiel auf der Bühne merkbar Spaß. Sie assistiert beim Geräusche machen oder als geheimnisvolle Dame, die man verschwinden lässt.
Mit "Der Zauberlehrling" ist den "Riminis" wieder ein Wurf gelungen. Sie haben originelle Figuren gefunden und deren Geschichten theatralisch wirkungsvoll ineinander verwoben. Zauberkunst und Militär berühren sich wie Sein und Schein. Das ist ja ein Thema, das das Theater immer bewegt hat. Und hier wird eine neue Variante hinzugefügt.
"Der Zauberlehrling"
von Helgard Haug & Daniel Wetzel / Rimini Protokoll
Uraufführung am Düsseldorfer Central
Konzept und Inszenierung Helgard Haug/ Daniel Wetzel
Darsteller:
Günter Klepke, Markus Kompa, Herdis Sigurgrimsdottir und Stanislav Petrov