"Boys": Sieben Episoden in der ZDF-Mediathek und am 12. Juli, 23.50 Uhr auch im TV. Buch, Schnitt, Kamera, Regie: Felicitas Sonvilla und Nina Wesemann.
Lieber abwägen, säuseln und sinnieren, als den Macho geben
06:43 Minuten
Was denken Männer über Themen wie Sex, Körper, Vaterschaft und Feminismus? Zwei Regisseurinnen haben für die Dokureihe "Boys" 30 Männer befragt. Die Interviewten präsentieren sich sehr nachdenklich. Womöglich auch eine Pose?
Ein Stuhl. Ein Studio, verhangen mit silbergrauem Stoff. Und 30 Männer, die sich in Einzelgesprächen oft um Kopf und Kragen reden, zu sieben Themen: Männlichkeit, Sex, Väter, Liebe, Feminismus, Körper und Fußball. Am Ende stehen sieben schlichte, einladende Folgen, bis auf die kürzere "Fußball"-Folge jeweils 15 Minuten lang, gratis in der ZDF-Mediathek.
Die Regisseurinnen Felicitas Sonvilla und Nina Wesemann fanden Gesprächspartner zwischen 20 und 45: Ein Mann hat eine sichtbare Behinderung, zwei sprechen Englisch (alle Folgen sind auf Wunsch Deutsch oder Englisch untertitelt), mehrere sind schwul oder bisexuell, etwa ein Viertel sind of Color.
Die Regisseurinnen Felicitas Sonvilla und Nina Wesemann fanden Gesprächspartner zwischen 20 und 45: Ein Mann hat eine sichtbare Behinderung, zwei sprechen Englisch (alle Folgen sind auf Wunsch Deutsch oder Englisch untertitelt), mehrere sind schwul oder bisexuell, etwa ein Viertel sind of Color.
Trotzdem wirken die Männer oft traurig gleich: in ihrem Zögern und Herumdrucksen. In ihren Hemmungen oder beim Zweifeln. Oder auch in ihrer Art, einen Zweifel besonders zu betonen. Wer von zwei Frauen und einer Kamera beobachtet wird - das zeigt das Experiment "Boys" - will lieber abwägen, säuseln und sinnieren, als allzu selbstsicher und breitbeinig als Macho aufzufallen.
Niemand soll vorgeführt werden
"Boys" nennt keine Namen, kein Alter und keine Berufe: Kevin Kühnert ist als SPD-Politiker bekannt, der trans Mann Henri Jakobs und der Rapper Kelvyn Colt als Musiker. Viele haben kaum zwei Minuten Redezeit.
Man lernt hier keine besonders auffälligen Typen besonders auffällig gut kennen, sondern sieht eine (meist unkommentierte) Bandbreite aus Gesten, Abwehrmechanismen, "performter" Männlichkeit, "performter" Softness: Alle Teilnehmer sind eingeladen, auch wild zu tanzen.
Ein Boxer boxt lieber, Kühnert lehnt melancholisch am Lautsprecher. Zwar soll niemand vorgeführt werden, doch schon Kleidung, Körperhaltung und das oft nervöse Schweigen verraten viel über Unsicherheiten.
"Stark formatiert und seriell gebaut ist ein Format entstanden, das große Fragen der gesellschaftlichen Geschlechterrealität niedrigschwellig und durch die einzelnen Protagonisten persönlich erfahrbar macht", erklärt das ZDF eher trocken. "Boys" könnte auch nur zehn Minuten lang sein statt 95. Oder jahrelang immer weiter laufen: Das "stark formatierte" Format lädt zum Darüber-Reden ein, zum Miteinander-Sehen, manchmal zum Augenrollen oder Lästern.
Sonderlich stärkend, schlau oder "empowernd" hätte ich die 30 Männer mit 12 oder mit 20 nicht gefunden: Formate, die eine Menschengruppe in ihrer Vielfalt, Bandbreite und Widersprüchlichkeit zeigen, haben oft die Kraft, dabei auch zu vermitteln "Schau! Es gibt so viele Wege und Arten, ein Mann, eine Frau, nicht binär, Künstler*in usw. zu sein!" Doch schon als Kind hätte "Boys" für mich wohl eher wie eine Sammlung abschreckender Beispiele gewirkt: "Du willst allen zeigen, dass du ein nachdenklicher, moderner Mann bist? Schau zu, wie sich die anderen verhaspeln, oder hilflos herumdrucksen!"
Selbstkritische Männer
Sehenswert? Ja! Denn immer noch viel netter, selbstkritischer, produktiver als die vielen anderen Orte, an denen man Männer in großer Masse hören kann: Online-Kommentarspalten oder -Foren zum Beispiel. Ein journalistisches Versagen aber ist für mich die Szene, in der ein Mann über Schubladen und Rollen sagt:
"'Cis Mann' habe ich vor zwei Jahren das erste Mal gehört. Dann wurde mir das erklärt. Oder vielleicht auch nicht erklärt, sondern einfach gesagt: Du bist ein cis Mann, du musst dich so-und-so verhalten! Und ich so: Was heißt das jetzt? Weißer Mann, der sich seiner Privilegien in der Welt nicht bewusst ist, oder so? Also: Ich bin mir meiner Privilegien bewusst. Und ich bin heterosexuell. Okay: Was ist jetzt? Bin ich jetzt immer noch das, was du dachtest, was ich bin?"
"Cis" ist ein Adjektiv und schlicht das Gegenteil von "trans": Alle Leute, die nicht trans sind, sind cis. Jeder Mann zum Beispiel, der von sich und allen in seinem Geschlecht erkannt, verstanden, akzeptiert wird. Mit Weißsein, Heterosexualität oder der Frage, wer sich wessen Privilegien bewusst ist, hat der Begriff nichts zu tun.
Wer aushalten kann, dass solche Sätze unkommentiert im Raum bleiben, findet in "Boys" einen oft etwas engen und kurzen Blick auf Taktiken, die Männer 2021 nutzen, wenn sie vor Frauen als "bedacht" und "kritisch" auffallen wollen. Gerne mehr, gerne tiefer!
Wer aushalten kann, dass solche Sätze unkommentiert im Raum bleiben, findet in "Boys" einen oft etwas engen und kurzen Blick auf Taktiken, die Männer 2021 nutzen, wenn sie vor Frauen als "bedacht" und "kritisch" auffallen wollen. Gerne mehr, gerne tiefer!