Zehn Jahre Exzellenzinitiative

Wie viele Elite-Unis braucht Deutschland?

Die Stanford Universität in Kalifornien.
Mit über einer Milliarde Stiftungsmitteln pro Jahr bleiben amerikanische Elite-Unis für deutsche Hochschulen unerreichbar © picture alliance / dpa / Udo Bernhart
Manfred Prenzel im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Elf deutsche Hochschulen werden derzeit im Rahmen der Exzellenzinitiative als "Elite-Unis" gefördert. Diskutiert wird allerdings, diese Zahl um die Hälfte zu reduzieren. Dem widerspricht der Vorsitzende des Deutschen Wissenschaftsrats Manfred Prenzel.
Vor der Veröffentlichung des sogenannten "Imboden-Berichts", einer Bilanz von zehn Jahren Exzellenzinitiative an deutschen Hochschulen, warnt der Bildungsforscher Manfred Prenzel, Vorsitzender des Deutschen Wissenschaftsrats, davor, die Zahl der sogenannten Elite-Universitäten zu reduzieren.
"Es ging nicht darum, ein deutsches Harvard zu schaffen"
"Ich würde sehr vorsichtig sein, hier mit einer festen Zahl ins Gespräch zu gehen", sagt Prenzel. Es könne durchaus mehr als fünf, sechs oder sieben herausragende Universitäten in Deutschland geben. Man müsse sich im Rahmen eines Antragsverfahrens noch einmal vor Augen führen, inwieweit die Standorte durch ihre Forschungsqualität und ihre Nachwuchsförderung überzeugten: "In dieser Hinsicht, würde ich sagen, ist es gut, ein bisschen offen zu sein und lieber eben mal die verschiedenen Standorte gegeneinander antreten lassen, um zu sehen, wo sind denn tatsächlich jetzt die ganz großen Spitzen?"
Ziel der Exzellenzinitiative sei es nicht gewesen, ein deutsches Harvard oder Cambridge zu schaffen, so der Vorsitzende des Deutschen Wissenschaftsrates. Man müsse sich hier noch einmal die jeweiligen Größenordnungen vor Augen führen: Allein eine Universität Stanford werbe pro Jahr Stiftungsmittel "über der Milliardenschwelle" ein. Hingegen habe man in Deutschland über zehn Jahre 4,6 Milliarden über Wettbewerbe vergeben und das auch verteilt auf drei Förderlinien.

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Es gibt Länder, da reicht ein kurzer Hinweis darauf, wo jemand studiert hat, und Sie wissen, das kann nicht schlecht gewesen sein. Harvard, Cambridge, die ENA in Paris. Versuchen Sie das mal in Deutschland, das wird nicht weit tragen. Die gute Begründung wäre die: In Deutschland sind alle Universitäten gleichermaßen gut. Die schlechte: Uns fehlen die Eliteuniversitäten. Oder muss man mittlerweile sagen, sie fehlten uns?
Die deutsche Wissenschaftspolitik hat vor zehn Jahren die sogenannte Exzellenzinitiative gestartet, Milliarden zur Förderung der Eliteidee in der Wissenschaft. Heute wird Bilanz gezogen im sogenannten Imboden-Bericht, der Bericht einer Expertenkommission um den Forschungsmanager Dieter Imboden, der bewerten wird, was bisher geklappt hat, und Empfehlung für eine Weiterführung des Programms geben soll. Den Bericht kennen wir noch nicht, aber der Bildungsforscher Manfred Prenzel, der Vorsitzende des Deutschen Wissenschaftsrats, hat bestimmt zu beiden Aspekten eine Meinung. Guten Morgen, Herr Prenzel!
Manfred Prenzel: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Das Geld wurde "sehr gut angelegt"
Frenzel: 4,6 Milliarden Euro wurden in die Hand genommen für die Förderung deutscher Elite-Unis. War das gut investiertes Geld?
Prenzel: Es wurde aus meiner Wahrnehmung wirklich sehr gut angelegt. Man muss sich noch mal vor Augen führen, dass wir in Deutschland ja ein Hochschulsystem haben, das so, wie Sie es gerade genannt haben, insgesamt eigentlich eine sehr homogene Qualität aufweist. Die ist auch nicht schlecht, keine Frage, aber wir haben Entwicklungsmöglichkeiten nach oben.
Und wir haben eine ganze Reihe von Instrumenten in den letzten Jahren erlebt, in denen die Politik eben auch versucht hat dazu beizutragen, dass sich das Hochschulsystem stärker differenziert, dass es sich stärker profiliert, dass die Leistungsfähigkeit steigt. Und natürlich gibt es dann auch das Interesse, dass man international vielleicht ein bisschen sichtbarer werden will.
Die Qualität der Forschung in Deutschland ist durch die Exzellenzinitiative gestiegen
Frenzel: Also haben wir mittlerweile das deutsche Harvard oder Cambridge?
Prenzel: Ich glaube, dass das nicht das Ziel war. Wenn Sie ein bisschen die Bilanz sehen, der Wissenschaftsrat und die DFG haben ja einen fast 1.000-seitigen Bericht im Sommer vorgelegt, in dem wir die Entwicklungen in diesen verschiedenen drei Förderungssträngen beschrieben haben. Wir haben ja eine wirklich überzeugende Bilanz dahingehend, dass die Qualität der Forschung angestiegen ist.
Wenn man das einfach reduzieren wollte auf die Frage, haben wir es geschafft, innerhalb von zehn Jahren ein Harvard in Deutschland zu produzieren, dann muss man einfach sich noch mal die Größenordnungen vor Augen führen, Größenordnungen in den Finanzierungsmodellen, die in den amerikanischen Spitzenuniversitäten gegeben sind und in Deutschland. Von daher gesehen ist das Geld, das wir hier investiert haben, wenn Sie gerade die Zahlen gestern noch mal gesehen haben, wie groß die Summen sind, die allein Stanford von Stiftern einwirbt, da sind Sie alleine an so einem Standort über der Milliardenschwelle an Stiftungen, an einem Standort!! Und wir haben hier über zehn Jahre 4,6 Milliarden über Wettbewerbe vergeben und das auch verteilt auf drei Förderlinien. Von daher ...
Frenzel: Herr Prenzel, Sie haben gesagt, die Qualität der Forschung ist besser geworden, ist angestiegen, ...
Prenzel: Deutlich besser.
Frenzel: ... da gab es ja auch Exzellenzcluster, fachübergreifende Forschungsprojekte auch mit der Wirtschaft.
Prenzel: Genau.
Modelle, wie sich die Universität weiterentwickeln soll
Frenzel: Daran gab es aber auch immer wieder Kritik, dass dabei die Lehre zu kurz kommt. Wenn ich recht informiert bin, hatten Sie auch Bedenken. Ist die Lehre zu kurz gekommen?
Prenzel: Wir haben neben der Exzellenzinitiative auch den Qualitätspakt Lehre. Das ist auch ein Förderprogramm, das vom Bund aufgelegt wurde, vom Umfang nicht ganz so groß, vielleicht auch nicht mit der großen Sichtbarkeit. Das, was mich natürlich auch persönlich mit dem Bildungshintergrund immer interessiert, ist, nicht nur alleine auf die Forschung zu sehen, sondern sich die Institutionen anzuschauen, die ja verschiedene Aufgaben haben, neben der Forschung eben auch sicherzustellen, dass die Lehre sehr gut ist, dass es so was wie einen Transfer gibt, dass die Erkenntnisse auch weitergetragen werden. Und diese Kriterien waren in der Exzellenzinitiative nicht so stark im Vordergrund gestanden, da ging es primär um die Forschung.
Und ich denke, man kann natürlich auch überlegen, inwieweit man in der Zukunft sich hier noch ein bisschen stärker mit der Frage beschäftigen muss, dass man keine negativen Nebeneffekte hat von einer Forschungsförderung, zum Beispiel auf die Lehrqualität, sondern das möglichst integriert. Deswegen waren wir ja sehr daran interessiert, institutionelle Strategien der Hochschulen, der Universitäten kennenzulernen, die dazu beitragen, dass sie insgesamt die Rahmenbedingungen auch für ihre Forschung verbessern für den Nachwuchs, die Nachwuchsförderung in den Blick nehmen. Das ist zum Teil mit Graduiertenschulen passiert, aber wir erkennen ja auch neue Tenure-Track-Modelle, die gerade in der Exzellenzinitiative entwickelt wurden.
Da sind also eine ganze Menge an neuen Entwicklungen auf der Ebene der Einrichtungen vorangebracht worden im Rahmen dieser sogenannten Zukunftskonzepte. Das war eine Gruppe jetzt von zuletzt elf Standorten, die diese Zukunftskonzepte gefördert haben. Aber wenn Sie das anschauen, haben wir da überall sehr, sehr schöne Beispiele, man könnte sagen Modelle, wie sich eine Universität weiterentwickeln kann.
Große Erwartungen an den Imboden-Bericht
Frenzel: Die Zukunft beschreiben wird ja heute dieser genannte Imboden-Bericht, Empfehlungen abgeben, wie es weitergehen soll. Was erhoffen Sie sich denn?
Prenzel: Zunächst mal, denke ich, muss man sehen, dass dieser Termin heute, ja, insofern eine wichtige Rolle spielt, als die Politik sich festgelegt hat, dass sie vor dem Imboden-Bericht sich nicht zur Art der Fortsetzung äußern wird. Von daher warten natürlich alle auf den Bericht. Ich hatte bereits erwähnt, dass wir bereits im Sommer über 1.000 Seiten Bericht mit vielen Daten bereitgestellt hatten, ich denke, dass wir heute von der Imboden-Kommission einige weitere Blicke, Perspektiven von außen kennenlernen werden.
Aber die große Herausforderung wird jetzt eben sein, gerade für die Bildungspolitik oder für die Forschungspolitik sich Gedanken zu machen, wie möglichst schnell ein neues Konzept etabliert werden kann, das eben auch einen Anschluss, eine Anschlussmöglichkeit gibt für die derzeitig arbeitenden Kolleginnen und Kollegen in den Clustern, möglicherweise auch auf der Ebene der Zukunftskonzepte.
Offen bleiben in der Frage der Elite-Unis
Frenzel: Herr Prenzel, es gibt eine konkrete Frage, die die Politik umtreibt: Wie viel Elite soll es denn sein? Wenn wir uns mal die Universitäten angucken, zurzeit sind es elf, andere sagen: maximal fünf. Was sagen Sie?
Prenzel: Ich würde sehr vorsichtig sein, hier mit einer festen Zahl ins Gespräch zu gehen. Ich denke, man muss die Frage stellen: Welche Kriterien legen wir an an Universitäten, von denen wir sagen, das sind solche, die tatsächlich herausragen? Und das könnten eben durchaus mehr als fünf oder sechs sein oder sieben. Das muss man einfach, glaube ich, noch mal im Rahmen eines Antragsverfahrens sich vor Augen führen, inwieweit tatsächlich diese Standorte überzeugen durch ihre Forschungsqualität, durch ihre Strategien, durch ihre Nachwuchsförderung. Also, in dieser Hinsicht, würde ich sagen, ist es gut, ein bisschen offen zu sein und lieber eben mal die verschiedenen Standorte gegeneinander antreten zu lassen, um zu sehen, wo sind denn tatsächlich jetzt die ganz großen Spitzen?
Frenzel: Manfred Prenzel, der Vorsitzende des Deutschen Wissenschaftsrats. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Prenzel: Ich danke Ihnen, Herr Frenzel!
Frenzel: Und heute wird Bilanz gezogen, der Imboden-Bericht wird veröffentlicht. Mit welchen Ergebnissen, das hören Sie in "Studio 9 am Mittag" nach 12:00 Uhr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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