Viva la Vulva!
Laura Méritt veranstaltet in Berlin den "Mösenmonat März", und das nun schon im zehnten Jahr. Ihre Hinwendung zur Vagina äußert sich aufklärerisch, künstlerisch, politisch - und nicht zuletzt lustvoll.
"Hab keine Furcht! - Oh mein Gott! - Erkenne meine Herrlichkeit. - Was bist Du? - Ich bin die Klitoris."
Als "Southpark – der Film" 1999 in die Kinos kam, konnten es die Filmemacher noch nicht besser wissen: Die Klitoris, der der Junge Stan im Laufe des Films begegnet, ist eine riesige, pinkfarbene, strahlende Halbkugel. Dass das weibliche Lustorgan in Wirklichkeit viel größer ist und neben der äußerlich sichtbaren Perle auch Arme und Schenkel oder sogenannte Bulben hat, hatte die Urologin Helen O’Conell erst kurz vor dem Kinostart herausgefunden.
Nicht zuletzt um dieses spät gewonnene Wissen unter die Leute zu bringen, veranstaltet die Berliner Sexaktivistin und Linguistin Laure Méritt seit nun 10 Jahren den Mösenmonat März in ihrer Wohnung.
Dem Kampftag fehlte ein bisschen Sex
"Also der Mösenmonat März MöMo ist tatsächlich vor zehn Jahren ausgerufen worden, weil wir gedacht haben: Boah, da ist immer dieser Frauenmonat und der Internationale Kampftag und eigentlich fehlt uns da so ein bisschen der Sex da dabei. Und dann gabs hier dieses Moma, da gab es Riesenschlangen hier vor diesem Museum und dann haben wir gedacht: eigentlich Moma - Mömo! Und eigentlich ist es ja ähnlich, wir sollten ein Museum daraus machen und diesen Reichtum, diese Schätze die eigentlich den meisten gar nicht bekannt sind, ausstellen."
Dabei ist die Arbeit in den letzten zehn Jahren nicht weniger geworden, obwohl sich natürlich einiges getan hat:
"Also ich bin sehr sehr stolz darauf, dass es wirklich schon zehn Jahre sind, aber für eine Klitoris sind zehn Jahre schon ziemlich viel, weil wir ja nach wie vor viel zu wenig wissen über die Klitoris haben und auch die Funktionen und die Bestandteile der Sexualorgane immer noch sehr sehr schlecht erklärt sind auch in unseren Bio-Anatomiebüchern, im Studium, in der Lehre, also überall ist es eigentlich noch sehr mangelhaft, und die Allgemeinbevölkerung redet auch nicht so detailliert drüber, weil auch viele das einfach nicht wissen."
Der Ausstellungsraum für den "Mösenmonat März" ist Laura Méritts Wohnzimmer, Berlin-Kreuzberg, fünfter Stock, mit riesiger Bücherwand, schwarzem Ledersofa und beigefarbenem Flauschteppich, der sich langsam mit Besucherinnen füllt.
Alles steht im Zeichen der Vulva, sie ist überall: auf Buchrücken, Bildern, in Skulpturen, in Kissenform. Und weil gerade Mömo ist, nun auch noch an der Wand über dem Sofa, denn hier stellt Laura Méritt Künstlerinnen vor, deren Arbeit im Zeichen des diesjährigen Mottos "Clitoral Rising" steht. Da ist zum Beispiel die Gruppe "Crop Clitoris" aus Frankreich:
"Das ist eine Gruppe, die haben so richtig in die Landschaft rein über hundert Meter große Klitorisse ins Kornfeld gemäht. So wie Stonehenge so ungefähr und da ist jetzt die Klitoris, weil sie sich so geärgert haben, dass die jungen Mädchen gar nicht wissen dass sie so ein tolles Organ haben und haben gedacht so think big, think clit, think positive, los - das ist zum Beispiel großartig."
In Ländern mit weniger liberaler Gesetzgebung müssen die Künstlerinnen zu anderen Mitteln greifen:
"Eigentlich kann man immer sagen, wenn die Ästhetik im Vordergrund steht, dann gibt es sicherlich eine restriktive Gesetzeslage."
Rituelles Entblößen der Vulva
Wie zum Beispiel in Polen, wo die Künstlerin Iwona Demko arbeitet. Sie hat eine Serie von Puppen entworfen, die in der Tradition der antiken Praxis des anasyrma stehen, dem Rituellen entblößen der Vulva, um Dämonen zu vertreiben oder Göttinnen zu ehren. Die rosaroten, etwa 30 cm großen Puppen aus Stoff ähneln prähistorischen Venusfigurinen und betreiben ganz nebenbei auch anatomische Aufklärung, sagt Laura Méritt:
"Das ist alles ganz filigran und ganz schön gemacht, so dann unterschiedliche Lippen, unterschiedliche Lippenlängen, dann auch mal mit Haaren dran, dann auch mal Plüschhaare dran, mal anders, also ganz unterschiedlich und dadurch kriegen die Leute dann mit, ah, die sehen ja auch auch wirklich ganz anders aus, und das ist zum Beispiel was Großartiges, über die Schiene dann auch Aufklärung zu machen vor allem in den Ländern, in denen das sonst eben nicht so möglich ist."
Gegenüber dem Sofa befindet sich ein kleiner, offener Glaskubus, der die Plüschpussy-Kollektion beherbergt: kleine Kissen von der US-amerikanischen Künstlerin Dorrie Lane, hergestellt aus angenehm anzufassenden Materialien wie Samt und Satin, mit allen anatomischen Bestandteilen der Vulva und viel Liebe zum Detail. Lara Méritt nimmt ein dunkelrotes Exemplar mit goldenen Lippen und rosa Rüschenklitoris heraus:
"Hier kann man das ... is wie sone Handpuppe und dann sehen wir auch innendrin zum Beispiel, wo diese Wasserstelle ist, wo diese G-Fläche is, dass die Klitorisperle is hier oben dass da ne Kapuze drüber ist, das ist einfach ne wunderbare Idee wie Frauen oder auch Personen sich ihrer Vulva wieder annähern können."
Sexspielzeug aus kleinen Köfferchen
Denn noch immer hätten viele insbesondere heterosexuelle Frauen nicht das Gefühl, allein eine Sexualität leben zu können:
"Das ist natürlich auch eine Jahrtausendealte Geschichte, wo gesagt wurde, also Vagina, das Wort heißt Scheide, und eine Scheide ist ohne ein Schwert nix, da kannste nix mit machen."
Gegen diese Vorstellung kämpft Laura Méritt nicht erst seit 10 Jahren, sondern schon ihr Leben lang. Am Anfang verkaufte sie Sexspielzeug von Frauen für Frauen aus einem kleinen Köfferchen, inzwischen hat sie in einem anderen Zimmer ihrer Wohnung einen ganzen Laden voller fair produzierter Vibratoren, frauenfreundlicher Pornofilme und Aufklärungsbücher – und einen großen Freundeskreis.
Den inzwischen recht bekannten PorYes-Award für frauenfreundliche Pornos hat sie selbst in Leben gerufen. Laura Méritt will, dass Frauen oder auch Transpersonen ein positives Gefühl zu Ihrer Sexualität, ihrer Vulva, ihrem ganzen Körper gewinnen. Sexpositiver Feminismus nennt sich das, und da geht es nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch zu, etwa in Kursen zur weiblichen Ejakulation oder so genannter Mösenmassage.
"Ich bin schon tatsächlich von der Fraktion, ich sage ganz klar das Private ist politisch, deswegen mach ich das auch hier in meiner Wohnung und das ist ein Salon, damit es nicht so eine offizielle Atmosphäre gibt. Und das sagen auch viele, dass sie nicht gedacht hätten, dass sie überhaupt über ihre eigene Sexualität reden können geschweige denn irgendwelche Beckenbodenübungen mitmachen oder so, und sie tuns aber."
Einladende Offenheit und unverwüstlicher Humor
Was aber sicher auch an Laura Méritts einladender Offenheit und ihrem unverwüstlichem Humor liegt.
"Bei den Projekten soll es ja auch um Spaß gehen, deswegen auch Mömo oder die Clitorale Wahrheit, nicht so eine die Vagina als was ernstes oder auch Ideologien aufzudecken, also mit Spaß ran und natürlich auch Informationen kriegen, klar."
Dieses Jahr freut sie sich vor allem auf die Mösendampfbäder am 24. März:
"Weil das ist was was viele auch noch nicht kennen und wir haben ja jedes Jahr was dabei, was ein bisschen neu ist oder wo sich Leute nochmal was ausgedacht ist. Und Mösendampfbäder ist halt sowas wo ich denke, boa, das ist so schön, dann sitzen wir hier über den Schüsseln die mit Kräutern so ein guten Geruch, ne wir sitzen dann wie früher die Priesterinnen über dem Spalt und orakeln dann. Da freu ich mich total drauf."