Die Katastrophe ist noch nicht überwunden
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Am 3. März 2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv in sich zusammen. Es starben zwei Menschen und Tausende Archivbestände wurden verschüttet. Auch zehn Jahre später fehlt der Überblick, was gerettet werden konnte und was für immer verloren ist.
An dem Tag des Einsturzes war Bettina Schmidt-Czaia im Archiv. Sie konnte sich gerade noch rechtzeitig nach draußen retten, erzählt die Leiterin des Historischen Archivs Köln. Der Tag belastet sie bis heute:
"Man kann da schon von einem Trauma reden. Ich war so beeinträchtigt, dass ich einen Notruf tätigen wollte und nicht mehr wusste, wie mein Handy funktioniert. Das muss man sich wirklich extrem vorstellen, ich stand in dem Moment total neben mir."
Statt bewahren, musste Schmidt-Czaia nun suchen, retten und den Archivbestand wiederherstellen. Rund 95 Prozent konnten zumindest geborgen werden. Verschüttet wurden rund 30 Kilometer Archivmaterial. 20 andere Archive geben dem geretteten Bestand aus Köln derzeit Asyl. Doch der inhaltliche Überblick fehlt auch zehn Jahre nach der Katastrophe, so Schmidt-Czaia:
"Wir können eigentlich nur anhand der laufenden Meter in den Archiven der Kollegen sagen, dass da fünf Prozent fehlen müssten. Was das im Einzelnen ist, können wir bis heute nicht sagen. Dafür müssten wir alles erfasst, identifiziert und zugeordnet haben. Und soweit sind wir noch lange nicht."
Jedes Blatt Papier muss per Hand gerettet werden
Die Vielfalt des Kölner Stadtarchivs machte es attraktiv. Selbst den Zweiten Weltkrieg überlebte es nahezu unbeschadet. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die geretteten Archivbestände auch restauriert sind, erklärt Schmidt-Czaia:
"Wir haben gehofft, dass man automatisierte Verfahren erfindet, die die Trockenreinigung, die über jedes Stück, jedes Blatt gehen muss, dass sich dieser Prozess beschleunigen lässt. Doch das funktioniert nicht. So sind wir zur händischen Reinigung zurück gekehrt. Das bedeutet aber, dass wir noch mindestens 30 Jahre brauchen."
2020 soll der Neubau des Kölner Stadtarchivs eröffnen. Für die Zukunft möchte Schmidt-Czaia, dass alle Bestände, wie Nachlässe, die das Archiv bekommt, zeitnah gesichtet werden. Das war vor dem Einsturz nicht der Fall und kann nun zu Problemen führen:
"Normalerweise ist es so, dass immer große Teile des übernommenen Archivgutes noch auf die Erschließung warten. Das heißt, man hat immer Bestände, die zum Zeitpunkt 'jetzt' noch nicht erschlossen sind. Wir wissen heute aber, dass das unbedingt passieren muss, weil wir sonst einer Katastrophe wie dieser ausgesetzt sind. Sowohl bei Wassereinbruch oder auch bei einem Brand - das, was nicht erschlossen ist, kann im Falle einer Havarie weniger gut rekonstruiert und zusammengefügt werden."
(nh)