Leo Neugebauer

Der Zehnkämpfer träumt von Olympia-Gold

05:51 Minuten
Leo Neugebauer bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2023 in Budapest
Leo Neugebauer hatte im vergangenen Jahr den deutschen Zehnkampfrekord von Jürgen Hingsen gebrochen. © dpa / picture alliance / Matthias Schrader
Von Jürgen Kalwa · 21.07.2024
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Leo Neugebauer ist der stärkste deutsche Zehnkämpfer und ein Favorit bei Olympia in Paris. Was in ihm steckt, hat er bei Collegemeisterschaften gezeigt. Das Beispiel zeigt, wie US-Unis die ideale Leistungsschmiede für große Leichtathletiktalente sind.
Austin, Texas, 2023: Leo Neugebauer kommt in der Weltspitze an, als er bei den amerikanischen Collegemeisterschaften nicht nur fünf neue persönliche Bestleistungen aufstellt. Er radiert mit 8.836 Punkten eine uralte Marke aus den 80er-Jahren aus: den deutschen Zehnkampfrekord von Jürgen Hingsen. 

Mehrere Rekorde für Leo Neugebauer

Sichtlich erschöpft versprüht er abends den letzten Tropfen Energie in einem Video auf seinem Youtube-Kanal, Leo, the German. Spontan, ungefiltert und überschwänglich:

Er hatte “jeden verdammten Rekord gebrochen, den es zu brechen gab” - und darüber ein paar Freudentränen vergossen. Er war auf Platz acht der ewigen Weltbestenliste in der Königsklasse der Leichtathletik angekommen.         
Eugene, Oregon, Juni 2024: Wieder US-Collegemeisterschaften. Und wieder ein Rekord. Diesmal sind es 8961 Punkte und eine Jahresweltbestleistung.
Neugebauer avanciert damit in seinem letzten Wettkampf für die Universität Texas zu einem heißen Aspiranten auf die Goldmedaille in Paris. Seine Reaktion diesmal gegenüber den amerikanischen Journalisten: hochzufrieden, locker und souverän. Das Resultat, sagt er, “einfach nur großartig”. 

Kein Grund, irgendetwas in Frage zu stellen oder zu bedauern. Das was es noch zu verbessern gibt, will er bei den Olympischen Spielen umsetzen.
Es ist eine Sache, für die Universität gegen gleichaltrige Gegner aus einem einzigen Land anzutreten. Etwas anderes, sich mit den Besten der Welt zu messen. Wie im letzten Sommer in Budapest, als Neugebauer bei der Weltmeisterschaft am ersten Tag der gesamten Elite scheinbar uneinholbar enteilt war.
Doch am zweiten Tag kam er schon im ersten Wettbewerb aus dem Takt. Über die 110 Meter Hürden erzielte er nach einem Fehlstart schwache 14,75 Sekunden, rutschte auf den dritten Platz der Zwischenwertung ab, schlampte gleich danach in seiner Paradedisziplin, dem Diskuswurf, und landete schließlich nur auf Rang fünf. 

Vor einem Triumph gibt es oft ein Scheitern

Edrick Floréal, der Cheftrainer der Leichtathleten der Universität Texas, war in Budapest dabei und nahm das Ganze sportlich. So gut wie jeder Zehnkämpfer scheitert zunächst, ehe er schließlich triumphiert, sagte er vor ein paar Wochen im Interview.
Aber er werde in Paris seinen Schützling in Paris anders coachen: Er werde ihn zwingen, diesmal mit einer anderen Einstellung anzutreten. In Budapest hatte er ihm gestattet, der verspielte Leo zu sein. “Wir haben gelacht und herumgejuxt.” Das werde es bei Olympia nicht mehr geben.
Wie Neugebauer den verpatzten Auftritt wegsteckte, war bemerkenswert. Der in Görlitz geborene Sohn einer deutschen Mutter und eines Vaters aus Kamerun sagte tags darauf in einem Interview, dass er …

“… bewiesen hatte, dass ich echt auf dem Level bin und sogar noch mehr Potenzial habe. Und genau deswegen würde ich sagen, dass ich jetzt schon da oben mit dabei bin und dass die Leute jetzt bisschen mehr ein Auge auf mich haben.” 

Neugebauer kommt aus einem Stuttgarter Vorort

Was er ebenfalls bewiesen hat: Dass die Arbeit von Floréal und Techniktrainer Jim Garnham sich gelohnt hat. In vier Jahren hat der Rohdiamant aus dem Stuttgarter Vorort Stetten auf den Fildern jenen Feinschliff erhalten, mit dem er in Paris glänzen könnte.

Wozu in der Leistungsschmiede mit ihren erstklassigen Sportanlagen und einer exzellenten medizinischen Betreuung gehörte, Neugebauer zu den Spezialisten in jenen Disziplinen zu stecken, in denen er deutlichen Steigerungsbedarf hatte. Eine Herausforderung, die ihn motivierte, sagt sein Trainer: 

Meine Philosophie lautet: Wenn du immer nur mit anderen Zehnkämpfern trainierst, kommst du nicht sehr weit. Er hat mit den Hürdenläufern trainiert. Er springt mit den besten Weitspringern. Er trainiert mit unseren besten Sprintern. Und die 400 Meter, die er übrigens hasst, mit den besten 400-Meter-Läufern.

Neugebauer hat Wirtschaftswissenschaften studiert

All das wäre in Deutschland übrigens kaum zu schaffen gewesen. Neugebauer, der vor wenigen Wochen sein Studium im Fach Wirtschaftswissenschaften abschloss, erhielt ein volles Stipendium mit Kost und Logis und wohnte nur wenige Minuten von der Trainingsanlage entfernt.  

“Wenn alles an einem Campus ist, an einer Stelle, ist es schon sehr, sehr praktisch. Wenn ich mal überlege, wie viel ich von A nach B fahren müsste, von zu Hause zur Uni, zum Training. In Texas habe ich einen Scooter und wohne nur zwei Minuten vom Campus entfernt. Und die haben alles Mögliche, was ich mir so vorstellen kann und was man als Sportler braucht.”

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