Zeichen des Respekts und der Versöhnung
Ein dauerhaftes Zeichen zur Versöhnung von Juden und Christen soll ein Kunstwerk werden, das in der Berliner St. Matthäuskirche entsteht. Der israelische Künstler Micha Ullman hat schon auf dem Bebelplatz in Berlin ein Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung vom Mai 1933 geschaffen.
Im Moment ist nur ein Loch im Kirchenboden zu sehen: zwei Meter tief, zwei Meter lang, einen Meter breit wird Micha Ullmans Bodenskulptur "Stufen" sein; sieben Stufen sollen hinunterführen, zwei Kubikmeter rotbrauner Sand aus Israel soll diese Stufen bedecken und damit die Hälfte des Innenraumes füllen. Ein begehbares Glas auf der Höhe des Kirchenbodens deckt die Skulptur ab, es reflektiert die Kirche, macht die Wände, die Decke, die Fenster, den Zug der Wolken im Untergrund sichtbar - auch den Betrachter, wenn er nicht drüber hinweggeht, sondern stehen bleibt: Er erkennt sich wieder, wird Teil des Kunstwerks.
Nichts Dekoratives hat diese Arbeit, auch nicht Plakatives, sie setzt ganz auf die Einbildungskraft der Besucher, durch die Spiegelung soll, wer mag, in seiner Fantasie ebenso nach unten wie nach oben gehen können. Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz:
"Faszinierend ist für mich die Beobachtung, dass Micha Ullman sein ganzes künstlerisches Leben lang sich mit dem Graben beschäftigt und uns jetzt auch wieder lockt mit seiner Skulptur, den Dingen quasi wörtlich auf den Grund zu gehen. Jeder, der gräbt, stößt auf etwas Hinterlassenes, auf Vergessenes, auf Verschüttetes, das kann man jetzt schon erkennen, wo der Boden geöffnet worden ist - Graben hilft immer der Erinnerung auf und allein schon, dass hier der Boden geöffnet wurde, ist also ein ganz sprechendes Zeichen."
Pfarrer Christhard-Georg Neubert, der Direktor der Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: Er spricht zunächst von einem kulturpolitischen Signal. Rund um die St. Matthäuskirche befand sich einst eines der renommiertesten Stadtquartiere Berlins, der Mittelpunkt des jüdischen Lebens der Stadt. Ganz in der Nähe unterhielten Bruno und Paul Cassirer ihren Kunsthandel, ihren Verlag und ihren Salon, im frühen 20 Jahrhundert einer der schillerndsten Berlins. Als Christhard-Georg Neubert eines Tages einer Nachgeborenen der Cassirer-Familie begegnete, kam ihm der entscheidende Gedanke.
"Da ist mir durch den Kopf gegangen, dass wir hier auf dem Kulturforum nicht eine einzige Erinnerungstafel haben, keine Pflasterstelle, nichts, gar nichts, was an diese große Tradition erinnert, und mir ist deutlich geworden, dass wir zunächst mal als Kirche in der Aufgabe stehen, ein deutliches Zeichen zu setzen jenseits aller theologischen Gutachten, jenseits aller Schuldbekenntnisse: ein sinnliches deutliches Zeichen."
Und: ein "künstlerisches Zeichen des Respekts und der Versöhnung zwischen Juden und Christen" soll es sein. In seinem Nachdenken kam Christhard-Georg Neubert schnell auf den israelischen Künstler Micha Ullman, der 1995 schon das Mahnmal zur Bücherverbrennung auf dem Berliner Bebelplatz errichtet, bzw. ergraben hatte: eine unterirdische "Bibliothek".
"Meine Anfrage an Micha Ullman hatte damit zu tun, dass wir in der christlichen Ikonografie die Figuren Ecclesia und Synagoga kennen, Bamberger Dom, Straßburger Münster und anderswo. Und diese beiden Figuren sind so gebaut, dass sie das Jüdische immer ein Stück herabsetzen. Das hab ich ihm geschrieben als Ausdruck unserer eigenen christlichen Problemgeschichte. Und ich würde gerne ein Gegenzeichen finden mit seiner Hilfe. Und er ist völlig frei in dem, was ihm dazu einfällt.
Und vielleicht war es genau dieser Impuls, ein Gegenzeichen zu setzen, was aber nun nicht propagandistisch, nicht narrativ zu lesen ist, sondern im Grunde ein freies, ein autonomes Kunstwerk bleibt – und doch auf eine unterirdische (lacht) Weise anknüpft an diese Thematik: Christen, Juden, Vergangenheit, Zukunft – und ich glaube, wir sind da auf einem sehr guten Weg."
Der Fortgang der Bauarbeiten kann schon jetzt besichtigt werden; im Oktober wird der in Tel Aviv lebende Micha Ullman in Berlin erwartet, Ende November sollen die "Stufen" der Öffentlichkeit übergeben werden.
Nichts Dekoratives hat diese Arbeit, auch nicht Plakatives, sie setzt ganz auf die Einbildungskraft der Besucher, durch die Spiegelung soll, wer mag, in seiner Fantasie ebenso nach unten wie nach oben gehen können. Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz:
"Faszinierend ist für mich die Beobachtung, dass Micha Ullman sein ganzes künstlerisches Leben lang sich mit dem Graben beschäftigt und uns jetzt auch wieder lockt mit seiner Skulptur, den Dingen quasi wörtlich auf den Grund zu gehen. Jeder, der gräbt, stößt auf etwas Hinterlassenes, auf Vergessenes, auf Verschüttetes, das kann man jetzt schon erkennen, wo der Boden geöffnet worden ist - Graben hilft immer der Erinnerung auf und allein schon, dass hier der Boden geöffnet wurde, ist also ein ganz sprechendes Zeichen."
Pfarrer Christhard-Georg Neubert, der Direktor der Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: Er spricht zunächst von einem kulturpolitischen Signal. Rund um die St. Matthäuskirche befand sich einst eines der renommiertesten Stadtquartiere Berlins, der Mittelpunkt des jüdischen Lebens der Stadt. Ganz in der Nähe unterhielten Bruno und Paul Cassirer ihren Kunsthandel, ihren Verlag und ihren Salon, im frühen 20 Jahrhundert einer der schillerndsten Berlins. Als Christhard-Georg Neubert eines Tages einer Nachgeborenen der Cassirer-Familie begegnete, kam ihm der entscheidende Gedanke.
"Da ist mir durch den Kopf gegangen, dass wir hier auf dem Kulturforum nicht eine einzige Erinnerungstafel haben, keine Pflasterstelle, nichts, gar nichts, was an diese große Tradition erinnert, und mir ist deutlich geworden, dass wir zunächst mal als Kirche in der Aufgabe stehen, ein deutliches Zeichen zu setzen jenseits aller theologischen Gutachten, jenseits aller Schuldbekenntnisse: ein sinnliches deutliches Zeichen."
Und: ein "künstlerisches Zeichen des Respekts und der Versöhnung zwischen Juden und Christen" soll es sein. In seinem Nachdenken kam Christhard-Georg Neubert schnell auf den israelischen Künstler Micha Ullman, der 1995 schon das Mahnmal zur Bücherverbrennung auf dem Berliner Bebelplatz errichtet, bzw. ergraben hatte: eine unterirdische "Bibliothek".
"Meine Anfrage an Micha Ullman hatte damit zu tun, dass wir in der christlichen Ikonografie die Figuren Ecclesia und Synagoga kennen, Bamberger Dom, Straßburger Münster und anderswo. Und diese beiden Figuren sind so gebaut, dass sie das Jüdische immer ein Stück herabsetzen. Das hab ich ihm geschrieben als Ausdruck unserer eigenen christlichen Problemgeschichte. Und ich würde gerne ein Gegenzeichen finden mit seiner Hilfe. Und er ist völlig frei in dem, was ihm dazu einfällt.
Und vielleicht war es genau dieser Impuls, ein Gegenzeichen zu setzen, was aber nun nicht propagandistisch, nicht narrativ zu lesen ist, sondern im Grunde ein freies, ein autonomes Kunstwerk bleibt – und doch auf eine unterirdische (lacht) Weise anknüpft an diese Thematik: Christen, Juden, Vergangenheit, Zukunft – und ich glaube, wir sind da auf einem sehr guten Weg."
Der Fortgang der Bauarbeiten kann schon jetzt besichtigt werden; im Oktober wird der in Tel Aviv lebende Micha Ullman in Berlin erwartet, Ende November sollen die "Stufen" der Öffentlichkeit übergeben werden.