Zeichnerin Katja Klengel über Comic-Festival in Angoulême

"Comic hat in Frankreich anderen Stellenwert"

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Selbstporträt von Katja Klengel mit rauchender Katze.
Katja Klengel am Schreibtisch. © Katja Klengel
Katja Klengel im Gespräch mit Gesa Ufer |
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Katja Klegel wurde wegen ihrer Bücher auf das größte Comic-Festival der Welt eingeladen - ins französischen Angoulême. Von dort berichtet sie von Straßen, die nach Comic-Zeichnern benannt sind und überfüllten Illustrationsausstellungen.
Gesa Ufer: Um die 40.000 Menschen leben in Angoulême, der Hauptstadt des französischen Departements Charente, und genau dort findet traditionell das mit Abstand größte Comicfestival Europas statt. Die Berliner Comiczeichnerin Katja Klengel ist auch gerade in Angoulême und jetzt am Telefon. Ich grüße Sie, hallo Frau Klengel!
Katja Klengel: Hallo!

Straßen benannt nach Comic-Zeichnern

Ufer: Das ist ja eine vergleichsweise kleine Stadt. Wie müssen wir uns die jetzt vorstellen dieser Tage? Da tummeln sich doch wahrscheinlich deutlich mehr Comicfans als Einwohner, oder?
Klengel: Ja, ich glaube, das ist schon so. Wenn man in Angoulême ankommt mit dem Zug, ist die Stadt einfach proppevoll. Man wird sofort von Comiczeichnern begrüßt und von Comicfiguren, die im Schaufenster prangen. In jedem Bäcker und in jedem Schuster sind Comicdekorationen aufgebaut, weil sich diese Stadt einfach zu dem Festival komplett dem Comic verschrieben hat. In der ganzen Zeit, das ist eigentlich so eine kleine mittelalterliche Stadt, findet man auch überall Straßennamen, die nach namhaften Comiczeichnern benannt sind. Zum Beispiel gibt es eine Straße, die heißt Rue Ergé, nach dem Comiczeichner von "Tim und Struppi", und man läuft dann so durch diese Straßen und überall sind Zelte aufgebaut, die sich verschiedenen Comicbereichen widmen. Also zum Beispiel gibt es ein Festivalzelt, wo die ganzen großen Comicverlage sind wie Casperman und Dupuis. Es gibt aber auch Indie-Zelte. Neben diesen ganzen Zelten findet man natürlich in der ganzen Stadt überall auch Comicausstellungen. So hat man also viel zu tun, und ich habe auf jeden Fall noch nie so viele Menschen im Museum gesehen.
Ufer: Jetzt sind Sie eingeladen worden von einem dieser großen Verlage, Casterman, und zwar unter anderem auch, weil Ihr Comic "Girlsplaining" in zahlreichen Bestenlisten aufgetaucht ist im vergangenen Jahr und aber auch für Ihren großen Comic "Als ich so alt war". Der wird jetzt in Frankreich veröffentlicht. Worum geht es in der Geschichte?
Klengel: Diese Geschichte ist eigentlich eine Generationsgeschichte. Es geht um die ältere Frau Kintzmann, die gerade erst ihren Mann an Krebs verloren hat und irgendwie nicht über diesen Tod hinwegkommt und sich sehr in sich zurückgezogen hat, und es geht gleichzeitig um ihre Enkelin, die Lily, die Sängerin und Anfang 20 ist und gerade nicht mit ihrem jetzigen Leben klarkommt. Als Frau Kintzmann einen Herzinfarkt bekommt, verbindet dieses Schicksal diese beiden Frauen im Grunde wieder, und sie teilen ihre Einsamkeit und versuchen sich gegenseitig Halt zu geben, sodass am Ende Frau Kintzmann es schafft, über den Tod des Mannes hinwegzukommen und Lily auch einen Ausweg aus ihrer Misere findet.
Besucher auf dem Comic-Festival in Angoulême, Frankreich.
Das Comic-Festival in Angoulême Frankreich.© picture alliance/Renaud Joubert/MAXPPP/dpa

Comic-Verlagsprogramme für Leute, die keine Comics lesen

Ufer: Diese Geschichte lief als Comicserie in der "FAZ". Warum fand sich denn eigentlich Ihrer Ansicht nach bis heute kein deutscher Verlag dafür, wenn sogar die Franzosen das gerne drucken möchten?
Klengel: Ich glaube einfach, dass der Comic in Frankreich vielleicht noch einen ganz anderen Stellenwert hat als in Deutschland. In Frankreich ist es eigentlich so, dass jeder Mensch dort Comics liest, und beim deutschen Comicmarkt ist es so, dass sie natürlich versuchen, ihr Verlagsprogramm auch auszurichten auf Leute, die eben keine Comics lesen. Das heißt, sie müssen natürlich oft auch Themen bedienen, um diesen nicht-Comicleser abzuholen und reißerische gesellschaftspolitische Themen vielleicht auch ansprechen. "Als ich so alt war", würde ich sagen, ist eher eine kleine alltägliche Geschichte über große Emotionen, der man jetzt nicht so dieses Label verpassen kann. Als ich angefangen habe, mich nach Verlagen umzuschauen, gab es auch oft genau diesen Kritikpunkt, dass man kein Label draufpacken kann, und da die Geschichte in Dresden spielt, war zum Beispiel ganz oft der Wunsch, das noch ein bisschen historischer zu machen, vielleicht sogar noch die Bombennächte mit hineinzumachen, und ich empfand, das passt nicht ganz zur Geschichte mehr. So hatte sich bisher noch nichts gefunden, hoffe aber, dass es natürlich noch passieren wird.
Ufer: Das hoffen wir auch! Was fällt Ihnen, wenn Sie jetzt so in Angoulême rumlaufen, noch ins Auge? Kann man da so richtiggehend Trends ausmachen?
Klengel: Ja, also ich würde sagen, dass der Trend irgendwie dieses Jahr stark in Richtung Manga geht. Es gibt zwei richtig große Manga-Ausstellungen von Tsutomu Nihei und Taiyô Matsumoto, und das ist eigentlich ganz großartig, weil wenn man zum Beispiel auf dem deutschen größten Comicfestival ist beim Comicsalon Erlangen, hat man immer so ein bisschen das Gefühl, dass der Manga etwas unterrepräsentiert ist, was doch recht schade ist. Der Trend hat sich auch jetzt dahingehend bestätigt, dass zum Beispiel die deutsche Mangazeichnerin Rumiko Takahashi jetzt gerade einen Grand Prix gewonnen hat für ihr Lebenswerk sozusagen. Das ist also eine Mangazeichnerin, was auch noch mal doppelt toll ist, weil erst zum zweiten Mal eine Frau diesen Grand Prix gewonnen hat.
Ufer: Aha. Lassen Sie uns noch mal ganz kurz über diese Serie sprechen von dem Tsutomu Nihei, die ja, glaube ich, auch bei Netflix verfilmt werden sollen, "Blame". Was ist das Besondere daran?
Klengel: Also ich kann mich noch erinnern, als Teenager hatte ich in den 90ern diesen Band in der Hand, und ich fand den sehr atmosphärisch dicht und besonders. Es ist eine Geschichte, die in einer postapokalyptischen, ganz technologischen Welt spielt und futuristisch ist, und es geht ums Überleben der Menschheit, und man merkt einfach, dass Tsutomu Nihei früher mal Architekt war, weil er total den Spaß daran hat, diese futuristischen Welten zu erschaffen. Wenn man dann zum Beispiel in der Ausstellung ist und sich diese Originale mal anschauen darf, sieht man einfach, wie virtuos der Mann mit Pinsel und Feder und Tusche umgehen kann und wie der eigentlich diese Maschinenlabyrinthe entwickelt. Das ist total spannend.
Ufer: Die Berliner Comiczeichnerin Katja Klengel mit Eindrücken von Europas größten Comicfestival im französischen Angoulême. Ganz herzlichen Dank!
Klengel: Ja, vielen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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