Kulturelles Erbe der Native Americans
Innenministerin Deb Haaland ist die erste Native American in einer US-Regierung. Sie kämpft dafür, die heiligen Stätten der Native Americans zu schützen. © Getty Images for Native Organize / Jemal Countess
Der Kampf um die Rückgabe heiliger Objekte
29:48 Minuten
Mehr als 100 Jahre hat sich niemand in der US-Provinzstadt Barre daran gestört, dass gestohlene Artefakte der Lakota Nation als Kuriositätenkabinett präsentiert wurden. Nun fordern Native Americans ihre Kulturschätze zurück.
Ein großer Tag steht an in dem kleinen historischen Provinzstädtchen Barre, ganz im Westen von Massachusetts. Vor der Bibliothek, an einem typisch neuenglischen Common, dem zentralen Stadtpark, wird noch geplaudert. Als einer der angereisten Gäste, Lakota-Chief Wendell Yellow Bull – dunkler Anzug, die Haare streng zum Zopf zurückgebunden – auch schon aufbricht, von der Bibliothek rüber zur Ruggles Lane School.
Kindermokassins und Zeremoniepfeifen
Dort ist die Sporthalle zur Verfügung gestellt worden für den historischen Moment, wie es heißt. Die Rückgabe von 140 indigenen Artefakten an die Nation der Lakota. 130 Jahre waren sie ausgestellt auf dem Dachboden von Barres Bibliothek in einer Art Kuriositätenkabinett: kleine Kindermokassins, ein sogenanntes Ghost-Dance-Shirt, kugeldurchlöchert, eine Babytrage, Zeremoniepfeifen – von Opfern des "Wounded Knee"-Massakers. Über 300 Lakota, vor allem Frauen und Kinder, wurden am 29. Dezember 1890 in Wounded Knee – im "Pine Ridge"-Reservat in South Dakota – vom US-Militär bestialisch niedergemetzelt.
Die Sporthalle ist schon halb gefüllt. Aufgereiht 300 Stühle, auf den Sitzflächen liegen Faltblätter, überschrieben mit: „The Journey home, The Return of the Wounded Knee Artifacts“. Vor den Stühlen stehen Tische, alles ganz feierlich. Auch die Senatorin von Massachusetts wird kommen. Es ist ein Tag der Versöhnung.
Eine nicht enden wollende Unterdrückung
Den weiten Weg von South Dakota nach Massachusetts sind über 20 Delegierte von drei Lakota-Tribes angereist, 2700 Kilometer, einmal quer durch die halbe USA. Namensschilder werden verteilt. Die beiden „Tribal Elders“ haben an einem der Tische bereits Platz genommen, ihr Kopf leicht eingeknickt, als würden sie dösen, aber hellwach: Kraftvoll und melodisch werden sie gleich ihre Stimmen heben, daran erinnern, was die Rückkehr ihrer Objekte für sie und ihre Communitys bedeutet, für eine nächste Generation.
Die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren müssen heimkehren, um Ruhe finden zu können, sagt Ivan Looking Horse. Als Volk seien sie beinah ausgerottet worden, ihre Kultur habe man ihnen genommen. Ihre Objekte in Museen empfindet er als eine nicht enden wollende Unterdrückung. Bis Anfang 2022 hatte sich an Barres Dachbodensammlung kaum jemand gestört: Gestohlenes von Massakrierten in Vitrinen neben ausgestopften Vögeln zu zeigen.
Privatsammlungen mit "Kriegsbeute"
Elaine, eine Neuengländerin aus Barre mit graugelocktem Pagenschnitt, ist mit ihrer Freundin da. Herzensangelegenheit sei es ihr, bei der Rückgabe dabei sein zu dürfen. Komisch sei es ihr vorgekommen, als sie vor einigen Jahren zum ersten Mal die indigene Sammlung sah. „Was macht die hier?“
Dachböden wie der in Barre sind keine Ausnahme. In den USA lagert noch vieles insbesondere in Privatsammlungen. Schon seit Ende der 60er-Jahre – dem Beginn des „American Indian Movement“ – kämpfen Native Americans um ihr kulturelles Erbe: ihre heiligen Objekte und die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren aus den Sammlungen und Schaukästen von Museen zurückzubringen.
Kriegsbeute, sagt Chief Wendell Yellow Bull, ganz ruhig und bedacht. In Museen lägen ihre Kulturgüter, als wären sie Ancient people. Ancient – ein altes, antikes Volks – aber seien sie nicht. Er selbst habe seine Ur-Großeltern noch erlebt, die im 19. Jahrhundert geboren wurden, die das Massaker von Wounded Knee überlebten. Es gehe hier um eine Entscheidung im Sinne der Menschlichkeit, und jeder, sagt Wendell Yellow Bull, habe die für sich selbst zu treffen.
Eine neue Dringlichkeit
Noch bis in die 80er-Jahre gruben in den USA Hobbyarchäologen und Forscher indigene Gräber aus. 1990, dem Jahr, als sich die USA offiziell für Wounded Knee entschuldigten, trat der sogenannte „Native American Graves Protection and Repatriation Act“ (NAGPRA) in Kraft. Damals ein wichtiger Schritt, eine Anerkennung der Menschenrechte und dass die sterblichen Überreste von Native Americans keine Dinge sind, die sich beliebig ausgraben und in Museen verfrachten lassen.
Jetzt ist eine neue Dringlichkeit zu spüren. Immer mehr Tribes stellen Anträge auf Repatriierung. Ein Renewal, ein Wiederaufleben der eigenen Kultur ist im Gange.
Vor der Ruggles Lane School sind zwei Busse eingetroffen. Aus Boston sind die Studenten, 120 Kilometer nach Barre gekommen. Alle mit großen Ohrringen, als hätten sie es vorher abgesprochen. Alle indigenen Nationen seien unterschiedlich, das Trauma, das sie erlebten, sehr ähnlich, sagt einer der Studenten, der an der Harvard University Stadtplanung studiert. Kulturell bedeutsame Objekte hält er bei ihren eigenen Communitys für besser aufgehoben als in Museen. Dahin werde die Entwicklung gehen, wenn auch nicht über Nacht.
Die Rückgabe der "Wounded Knee"-Objekte aus Barres kleinem Privatmuseum, so die Hoffnung, könnte beispielhaft sein und dazu führen, dass einige Dachböden jetzt gelüftet werden. Noch 780.000 indigene Artefakte, darunter 110.000 sterbliche Überreste befinden sich in den Sammlungen von US-Museen und Universitäten und hätten nach dem für öffentlich finanzierte Institutionen geltenden NAGPRA-Gesetz längst zurückgegeben werden sollen.
US-Innenministerin Deb Haaland, die erste Native American in einer US-Regierung, hat bereits Reformen angekündigt und auch die Bußgelder hochgesetzt. In der Kritik stehen renommierte Universitäten wie die UC Berkeley und auch Harvard.
"Es ist Zeit für die Rückkehr"
Der rote Backsteinbau des Peabody Museums für Archäologie und Ethnografie befindet sich am Harvard Campus in Cambridge/Boston. Das Museum hat eine der größten indigenen Sammlungen. Für seine imperialistische und koloniale Sammlungspraxis hat sich das Mitte des 19. Jahrhunderts gegründete Peabody wie viele US-Museen bereits entschuldigt. Direktorin Jane Pickering hat ihr Büro im ersten Stock. Sie arrangiert die Stühle in Coronaabstand fürs Gespräch.
Da kommt Philip Deloria, Mitglied des Standing Rock Sioux Tribe, Autor und Harvard-Professor für Native American History. Sein Vater war der große Sioux-Intellektuelle und Aktivist Vine Deloria, eine der zentralen Stimmen der indigenen Bürgerrechtsbewegung American Indian Movement. Phil leitet am Peabody jetzt die neue NAGPRA-Beratungskommission, wie sie sich nennt: initiiert auch infolge der laut gewordenen Kritik. Denn mit dem bisherigen Tempo würden die Repatriierungen noch bis 2080 brauchen, weswegen der Interessensvertretung „Association on American Indian Affaires“ 2021 der Kragen platze: „Genug der Berichte und Studien: Es ist Zeit für die Rückkehr.“
Alles ist hochemotional, vor allem die Rückführungen von Grabbeilagen und sterblichen Überresten. In der Vergangenheit hatte Forschung meist Vorrang. In den nächsten drei Jahren werde das Peabody die 6500 sterblichen Überreste von Native Americans, die sich derzeit noch in der Sammlung befinden, zurückführen.
Offener Dialog mit den Tribes
Jane, erst seit 2019 Direktorin am Peabody, hat die Aufgabe, eine neue Richtung einzuschlagen. Alles ist in Bewegung. Angestrebt wird ein offener Dialog mit den Tribes. Im Flur hängen weiße Kittel: Das Peabody ist sowohl Forschungseinrichtung als auch Publikumsmuseum. Die im Erdgeschoss gezeigte Native American Collection, das scheint klar, wird nicht bleiben, wie und was sie ist.
Dunkel, irgendwie verstaubt sehen die Ausstellungsräume aus. Sammlungspraxis und Herkunft werden kaum thematisiert. Für jedes einzelne Artefakt sei eine Rückgabe vorstellbar. Sobald ein Tribe Ansprüche einreicht, sagt Phil Deloria. Im Sommer 2022 gab das Peabody relativ zügig den Pipe-Tomahawk des Bürgerrechtlers Chief Standing Bear an dessen Nachfahren des Ponca Tribes in Nevada zurück. Doch oft ziehen sich die Verhandlungen über Jahre hin.
Unterstützung für Tribes wäre wichtig, meint Jane. Denn Rückführungen verlangen Geduld und Ressourcen: Anträge zu stellen und zu reisen, ein versprengtes kulturelles Erbe zurückzuholen und die Objekte überhaupt zu finden: wo sich in welchen Museen was befindet. Oft ein Zufallsgeschäft. Ein Zufall war es auch, der die Lakota vor Jahren zu der indigenen Sammlung nach Barre führte.
Die Haarsträhne des Häuptlings
Am Telefon ist Manny Iron Hawk aus dem "Cheyenne River Sioux"-Reservat in South Dakota. Iron Hawk war bereits im April 2022 mit seiner Frau Renee Fasthorse und dem Lakota Chief Henry Red Cloud die 2700 Kilometer ins kleine Barre nach Massachusetts gereist. In Anwesenheit diverser Medien, die dann für viel negative Presse sorgten, von einem „makabren Dachboden“ berichteten, baten sie um Rückgabe. Eine Haarsträhne des in Wounded Knee ermordeten Lakota Sioux Chiefs und spirituellen Führers Spotted Elk – auch Big Foot genannt – hatte bereits im Jahr 2000 heimkehren können. Bis dahin die einzige Repatriierung aus Barre.
Leonard Little Finger, ein Nachfahre von Spotted Elk, hatte 1999 ganz zufällig von einem Freund erfahren, was sich in Barre da auf dem Dachboden befindet: Zurück in South Dakota wurde das Haar von Spotted Elk verbrannt, erzählt Iron Hawk. Die Flamme nahm eine bläuliche Färbung an, etwas stieg auf. Eine grausige Sensationsfotografie, aufgenommen von dem Deutschen George Trager, zeigt Spotted Elks malträtierten Körper nach dem Massaker im Schnee. Ein Tuch verdeckt sein skalpiertes Haupt.
Grabräuber auf Trophäentour
Objekte von Wounded Knee befänden sich leider überall auf der Welt. Grabräuber gingen nach dem Massaker auf Trophäentour, entrissen den Toten Artefakte einer vermeintlich vernichteten Kultur. Damals spielten Wild-West-Shows wie die von Buffalo Bill Cody noch Millionen ein. So gelangte einiges auch ins ferne Neuengland nach Barre – zu dem Schuhverkäufer Frank Root, der Geplündertes für seine eigenen Wild-West Shows erwarb und später dann dem Dachbodenmuseum in Barre stiftete.
Die Ur-Großmutter von Iron Hawk gehörte zu den Überlebenden. Zwölf Jahre war sie alt. Sein Großvater zeichnete ihre Erzählung auf, in der Sprache der Lakota. Wichtig sei, zu heilen und auch zu verzeihen. Das sei schwer. Ein erster Schritt, sagt Iron Hawk, sei ihr Treffen mit Nachfahren von James Forsyth gewesen, der die mordende 7. US-Kavallerie – mit 760 Mann – anführte, bewaffnet mit Maschinengewehren.
Forderung nach Land und Sprache
Panik, Paranoia hatte der sogenannte Ghost Dance bei den US-Soldaten entzündet. Die Lakota, eingepfercht wie in Konzentrationslagern, erschöpft von Hunger, Gewalt und Unterdrückung, fanden im Geistertanz wieder Hoffnung. Die aus Washington hinbeorderten 9000 US-Soldaten fürchteten Revolte. Am 15.12.1890 wurde Sitting Bull ermordet, zwei Wochen später folgte Wounded Knee. Bis heute hat die USA die 20 verliehenen Tapferkeitsmedaillen der 7. US-Kavallerie nicht aberkannt.
Dafür kämpfen wir seit Jahren, sagt Iron Hawk: den sogenannten „Remove the Stain Act“ durch den Senat zu bringen. Ein nächster Schritt sei, Reparationsforderungen zu stellen, Land in den heiligen Black Hills einzufordern und Sprachschulen aufzubauen für ein Wiederbeleben ihrer Communitys, ein Rückbesinnen auf Kultur und spirituelle Traditionen, um Wunden zu heilen. Ein Heilen und Stärken kultureller Identität ist für Native Americans ohne Anerkennung und Rückgabe ihres „Sacred Land“ kaum vorstellbar. Auch hier bewegt sich etwas. Doch von einer Aufarbeitung der von der US-Regierung immer wieder gebrochenen Landverträge kann noch keine Rede sein.
Gedenkzeremonie des Narragansett-Tribes
An der Ostküste in Neuengland wurde 2021 dem "Narragansett Indian"-Tribe, der einzig staatlich anerkannte Tribe des US-Bundesstaats Rhode Island, nun – nach 350 Jahren – ein Teilstück ihres als heilig verehrten Landes zurückgegeben. In einem Sumpfgebiet liegt es, dem Great Swamp, nahe der Fjordlandschaft der Narragansett Bay: Schauplatz des mörderischsten Massakers des sogenannten ersten Indianerkriegs 1675, einer der blutigsten Kriege auf nordamerikanischen Boden.
Ein schmaler Pfad führt in den Wald. Grillen zirpen, in der Ferne tschilpt ein Vogel. Seit den Dreißigern versammeln sich hier die Narragansetts jedes Jahr Ende September zu einer Gedenkzeremonie. Um 1 Uhr soll die losgehen. Es ist das erste Jahr nach der Rückgabe. Eigenartig verlassen wirkt es, dann kommen die ersten PKW den schmalen Pfad entlang. „Wollen sie mitfahren“, fragt eine festlich geschminkte Frau im blauen Mitsubishi, zwei kleine Mädchen turnen auf der Rückbank.
1000 Tote – verbrannt, erschossen, erfroren
Nach drei Kilometern öffnet sich im Wald eine Lichtung, ein kleines Rondell, leicht erhaben wie ein Hügel. Über 80 Narragansetts haben sich versammelt: jung, alt, manche traditionell in rehbraunem Wildleder, andere in Turnschuhen. Alle reden, begrüßen sich, ein Wiedersehen. Nancy sitzt in einem Klappstuhl, den sie sich für die Zeremonie extra zuvor gekauft hat. Auf ihren grauen Haaren trägt sie einen hellen Strohhut mit weißer Feder.
Wo genau das Massaker stattfand, ist nie rekonstruiert worden. Vor allem Frauen, Kinder und Ältere befanden sich in dem von englischen Kolonisten in der Winternacht des 19. Dezembers 1675 überfallenen Camp der Narragansetts. Über 1000 starben – verbrannt, erschossen, erfroren im Sumpf. Es sei heilig, sagt Mia. Wenn sie herkomme, dann denke sie an all die, die hier wehrlos abgeschlachtet wurden. Leider hätten sie nicht das gesamte Gebiet zurückbekommen, nur eine zwei Hektar große Parzellen, und auch nur in Form eines unbegrenzten Pachtvertrags. An der Ministrel Road sehe man ja schon die Einfamilienhäuser. Es befinde sich heute in Privatbesitz.
Ein Feuer für die Vergangenheit
Fünf dicke Steinbrocken liegen auf der Lichtung im Wald um eine meterhohe Granit-Steele: „We crashed the Narragansetts.“ Ein Siegermonument, das der Bundesstaat Rhode Island im Jahr 1906 errichtete – in dem Jahr, als die Narragansetts offiziell zu Ausgestorbenen erklärt wurden. Das Denkmal ist für den Tribe, der zu den ersten Nordamerikas gehörte, der Eroberung und Kolonialisierung ausgesetzt war und heute wieder 2400 Mitglieder zählt, ein Symbol – ein Symbol für ihr Überleben und auch ein Symbol für ihren Widerstand gegen Landnahme und andauernde kulturelle Unterdrückung.
Dann, gegen 1 Uhr, zündet Medizinmann John Brown das erste von drei Feuern an: ein Feuer für die Vergangenheit. Chief-Sachem Anthony Dean Stanton, Crawling Wolf, in Wildleder und als prachtvollen Kopfschmuck eine mit braunen Federn geschmückte sogenannte Roach, raucht die Zeremoniepfeife an. Dann sagt er leise: „Tretet ein in den Kreis, kommt hinein.“ Andere stimmen ein: „Familie, tretet ein.“
"Wir sind gut, denn wir sind noch da"
Sein gesamtes Leben komme er her, sagt Hiawatha Brown, im burgunderbraunen Shirt mit schwarzem Rabenvogelaufdruck. Ohne die Vergangenheit würde keiner von ihnen hier stehen. Er dankt den Vorfahren. Es sei so wichtig zu wissen, woher man kommt.
Die Rückgabe ihres Landes im Großen Sumpf ist bloß ein Anfang, eine erste symbolische Geste. 2022 wurde den Narragansetts – nach jahrelangem Kampf – freier Zugang zum Atlantik gewährt, sonst nur Anwohnern erlaubt. „Das Wasser, das sind die Narragansetts“, sagt ein in rehbrauner Regalia gekleideter Councilman. „Was für euch die Kathedralen sind, ist für uns der Atlantik.“ Dann ernst, als sei es das Einzige, was zählt: „Wir sind gut, denn wir sind noch da.“
"Wir müssen Frieden finden"
Zurück in Barre in Massachusetts. Es gibt über eine Stunde Gesang und berührende Ansprachen, auch von der Präsidentin des Dachbodenmuseums in Barre, mit Tränen in den Augen, als hätte sie einen „Change of Heart“ erlebt, wie es in Amerika heißt: Sie wünscht den Lakota, wieder die große starke Nation zu werden, die sie einst waren. Ivan Looking Horse singt für den Geist der Vorfahren. Heiliger Salbei wird entfacht, die rauchende Friedenspfeife berührt alle Schultern. Symbolisch wird ein Pappkarton überreicht, aufgelistet die 140 Objekte, die am nächsten Tag ihre Reise antreten werden: in zwei Transportern, von Barre nonstop die 2700 Kilometer zurück nach South Dakota.
Anwesend ist auch Michael He Crow, ein Nachfahre von Spotted Elk, ernst und nachdenklich im blauen Hemd. Nach alten Vorlagen fertigt er in fantastischer Handarbeit traditionelle Objekte – Gewänder, alte Waffen für die Bogenjagd, Mokassins – eins schöner als das andere, um die Kunst wieder aufleben zu lassen, zu bewahren.
Auch in Europa, sagt Michael He Crow, befänden sich noch viele ihrer Artefakte. Auf internationaler Ebene gibt es für indigene Repatriierungen im Grunde keine Gesetzgebung. Als das Weltkulturerbemuseum in Frankfurt 2021 ein Lederhemd des Lakota-Chief Daniel Hollow Horn Bear an dessen Nachfahren zurückgab, geschah es freiwillig, wie es hieß, aus moralisch-ethischen Gründen. Sieben Jahre vergingen, bis das Karl-May-Museum bereit war, einen über 100 Jahre gehorteten Skalp zurückzugeben.
Spenden werden gesammelt – warme Kleidung für das Pine Ridge Reservat: mit über 90 Prozent Armut. Hoffnung ist wichtig. Die eigentliche Homecoming-Zeremonie der "Wounded Knee"-Objekte wird in South Dakota sein, am 28. Dezember, am Ende des sogenannten Big Foot Ride: Seit den 80er-Jahren reiten in Gedenken an die Opfer von Wounded Knee in der eisigen Kälte der Great Plains Hunderte die 200 Kilometer, die damals, 1890, geleitet von Big Foot, die über 300 Lakota zu Fuß zurückgelegt hatten, bis Wounded Knee Creek. „Balance“ sei wichtig, sagt Ivan Looking Horse. "We need to find peace."