Ein Extra-Lesefest in Leipzig
Am Freitag wurden der Preis der Leipziger Buchmesse und der Kurt-Wolff-Preis vergeben. Das Publikum kann sich trotz mäßigen Wetters über Live-Lesungen freuen. Zur Eröffnung von "Leipzig liest" bekamen zwei Autoren den Buchpreis zur Europäischen Verständigung.
Am Donnerstag, nach dem großen Regen, las "Babylon Berlin"-Autor Volker Kutscher vor 20 Leuten, ganz ungewohnt für ihn. Lokalmatador Clemens Meyer sagt: "Das Buchmessen-Feeling stellt sich nicht ein, dazu fehlt einfach alles. Aber es fängt langsam an, wieder ein bisschen zu summen, und nächstes Jahr brummt es richtig." Doch die Schriftsteller freuen sich, überhaupt wieder vor Publikum auftreten zu können. Die Autorin Kaśka Bryla bringt es auf den Punkt:
"Ich war freudig aufgeregt, nicht mehr in einen Computer reinlesen zu müssen. Das war schon super." [AUDIO]
Der Verlag Ulrich Keicher wurde am Freitag mit dem Kurt-Wolff-Preis 2021 geehrt. Der 1943 geborene Verleger aus Leonberg nahm die mit 35.000 Euro dotierte Auszeichnung entgegen. Seit fast vier Jahrzehnten schlügen Keichers sorgfältig gestaltete schmale Bände Brücken zwischen Literatur und bildender Kunst, betonte die Stiftung. Der Literaturwissenschaftler Lothar Müller sagte in seiner Laudatio, Keichers Ehrung für hunderte von ihm verlegte Gedichte, Essays, Kommentare und Briefe sei ganz im Sinne des Stiftungsziels, Vielfalt in der Verlagslandschaft zu fördern.
Der mit 15.000 Euro dotierte Förderpreis ging an Monika Lustigs "Edition Converso". Sie bringe dem deutschsprachigen Publikum seit 2018 die Vielfalt der Kulturen des Mittelmeerraums in erzählender Prosa, Lyrik und gehaltvollen Sachbüchern näher, lobte die Stiftung.
Kleine Sonderausgabe von "Leipzig liest"
Wohlgemerkt: Dies ist nicht die Leipziger Buchmesse, denn die ist abgesagt - wegen der Pandemie war das auch bereits im März 2020 der Fall. Auf dem Messegelände findet erneut kein Buchmessentrubel statt. Ganz ohne einen Bücherfrühling soll 2021 aber nicht bleiben. Die Messe veranstaltet vom 27. bis 30. Mai eine kleine Sonderausgabe des Literaturfestes "Leipzig liest". Etwa 350 Veranstaltungen stehen auf dem Programm; zu etwa 100 Lesungen ist auch Publikum zugelassen.
Der Großteil der Lesungen wird online aufgenommen und gestreamt, doch inzwischen steht fest, dass einige Veranstaltungsorte auch Publikum unter freiem Himmel zulassen können. Die sinkenden Corona-Inzidenzen in Leipzig machen das möglich, teilte die Leipziger Buchmesse mit. Persönlich zu erleben sind zum Beispiel Christoph Hein, Sebastian Fitzek, Dmitrij Kapitelman und Hengameh Yaghoobifarah.
Was es auch dieses Mal gibt: Ausführliche Gespräche mit Autorinnen und Autoren auf dem Blauen Sofa, das in der Kongresshalle in Leipzig steht. So sprachen zum Beispiel Shida Bazyar über ihren zweiten Roman
"Drei Kameradinnen" [AUDIO]
und Lena Gorelik über ihr autobiografisch inspiriertes Buch
"Wer wir sind" [AUDIO]
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Der Auftakt von "Leipzig liest extra" hatte am Mittwoch unter dem ausgesprochen schlechten Wetter gelitten; einige Lesungen fanden unter freiem Himmel bei starkem Regen statt. So musste auch Star-Autorin
Judith Hermann gegen eine ungewohnte Geräuschkulisse ankämpfen. [AUDIO]
Geehrt wurden am Mittwoch in der Nikolaikirche der britische Essayist und Fotograf Johny Pitts sowie nachträglich der Preisträger von 2020, László Földényi aus Ungarn. Sie erhalten jeweils 20.000 Euro Preisgeld.
Dankesworte nach einem Jahr Stillstand: Die
Preisverleihung in der Leipziger Nikolaikirche [AUDIO]
war ein Hoffnungszeichen für die Buchbranche. Sie fand im Livestream statt. In der Leipziger Nikolaikirche anwesend war nur ein kleines Publikum, darunter Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der Preisträger Pitts konnte nur per Video zugeschaltet werden, da Großbritannien kürzlich erneut zum Virusmutationsgebiet erklärt worden war. László Földényi war hingegen in Leipzig persönlich anwesend und hielt seine Dankesrede natürlich auf Deutsch – er ist Germanist und Herausgeber der Werke Heinrich von Kleists in ungarischer Sprache.
Johny Pitts beschreibt in dem Buch "Afropäisch" seine Reise durch das schwarze Europa. Was hat ihn dazu bewegt? "Ich wuchs mit dem Gefühl auf, dass ich nirgendwo hinpasste",
sagt Pitts im Gespräch [AUDIO]
. Pitts bereiste für sein Buch europäische Städte wie Paris, Brüssel, Berlin, Moskau und Lissabon und erkundete die Viertel, wo Menschen afrikanischen Ursprungs leben. "Ich bin nur pro-schwarz, weil ich pro Gleichheit bin", sagt der 34-jährige Autor.
Der ungarische Essayist, Kunsttheoretiker und Übersetzer László Földényi wird mit einem Jahr Verspätung geehrt. Die Jury hob vor allem Földényis Buch "Lob der Melancholie" hervor. "László Földényi ist für mich einer der wichtigsten – oder vielleicht der wichtigste – ungarische Intellektuelle und das schon seit vielen Jahrzehnten",
sagt sein deutscher Verleger Andreas Rötzer im Gespräch [AUDIO]
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15 Bücher, drei Preise, 60.000 Euro
Am Freitag wurde der Preis der Leipziger Buchmesse in drei Kategorien – Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung – verliehen. Die mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Auszeichnung zählt zu den renommiertesten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum. Ausgezeichnet wurden Iris Hanika, Heike Behrend und Timea Tankó.
Die fünf Nominierten und ihre Bücher in der Belletristik
stellen wir in Gesprächen vor [AUDIO]
: Iris Hanika, Judith Hermann, Christian Kracht, Friederike Mayröcker und Helga Schubert.
Der Preis der Leipziger Buchmesse für das beste Sachbuch des Jahres ist umkämpft. Was allen fünf nominierten Autorinnen und Autoren gemeinsam ist: Sie betrachten ihr Thema aus verblüffenden Perspektiven und kommen zu erstaunlichen Erkenntnissen. Wir sprachen mit
Armin Nassehi, Bettina Hitzer, Jan Wenzel, Julia Voss, Michael Martens [AUDIO]
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Der Preis wird auch für eine herausragende Übersetzungsleistung vergeben. Wir stellen die Nominierten und ihre erfolgreichen Projekte vor:
Hinrich Schmidt-Henkel, Ann Cotton, Sonja Finck und Frank Heibert, Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren sowie Timea Tankó [AUDIO]
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