Marc Brost, geboren 1971 in Mannheim, ist Ressortleiter im Hauptstadtbüro der Wochenzeitung "Die Zeit". Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim und absolvierte nach seinem Abschluss als Diplom-Ökonom ein Volontariat an der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Seit 1999 arbeitet er für "Die Zeit", seit 2010 leitet er das Hauptstadtbüro, derzeit gemeinsam mit Tina Hildebrandt. Er wurde für seine journalistische Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2006 mit dem Theodor-Wolff-Preis.
"Wir lassen uns blenden"
Viele halten Angela Merkel immer noch für das starke Zentrum der Bundesregierung. Für den Journalisten Marc Brost hat sie diese Stärke jedoch eingebüßt - bei all ihren Wählergruppen hinterlasse ihre Regierungserklärung vermutlich eher Verwirrung.
Vielen Wählern erscheint Angela Merkel immer noch als Fels in der Brandung - zumal vor dem Hintergrund der mit Lust an der Kontroverse agierrenden Minister Jens Spahn (CDU) und Horst Seehofer (CSU). Für unseren heutigen Studiogast Marc Brost trügt dieses Bild. Für den "Zeit"-Redakteur zeigt die Bundeskanzlerin zu Beginn ihrer vierten Amtszeit deutliche Abnutzungserscheinungen. Merkel befinde sich erkennbar in ihrer letzten Amtszeit: Ihre Zögerlichkeit, noch einmal anzutreten, die lange Regierungsfindungsphase, die inneren Konflikte in der CDU - all dies belegt für Brost, dass sich die Ära Merkel ihrem Ende zuneigen könnte. Ihre Regierungserklärung sei "wortreich, aber schwach".
Die Unruhe in der Fraktion nähmen jedoch viele nicht wahr. Brost: "Ich glaube, dass wir uns blenden lassen von der Regierungserklärung der Kanzlerin (...), in der sie andere Töne angeschlagen hat, aber damit ja in gewisser Weise ihre bisherige zwölfjährige Amtszeit dementiert." Was Jens Spahn und Horst Seehofer anbelange: "Es sind nicht die Mächtigen, die im Kabinett im Augenblick eine Rolle spielen, sondern es sind die Lautesten. Und das sind diese beiden. Die haben eine Rolle, und die füllen sie aus."
Merkel zeigt nicht Stärke, sondern Schwäche
Demzufolge sei es keine Stärke vom Merkel, "dass sie diese beiden sprechen lassen muss, sondern es ist eine Schwäche. Dass sie ihre beiden stärksten Widersacher ins Kabinett holen muss, ist eine Schwäche."
Und egal, welcher Wählergruppe Merkels man angehöre - die Regierungserklärung der Kanzlerin hinterlasse Irritationen. Als CDU-Wähler vernehme man die Botschaft, zwar könne man in Deutschland gut leben, aber dennoch sei in den letzten Jahren nicht alles gut gelaufen. Als Muslim höre man, dass der Islam zu Deutschland gehöre, doch falle kein Wort darüber, wie man den von den jüngsten Anschlägen auf Moscheen betroffenen Menschen helfen wolle. Für CSU-Wähler wiederum sei nicht erkennbar, ob Merkel nun eine härtere oder eine weichere Gangart etwa beim Thema Flüchtlingspolitik anstrebe.
Die kompette Sendung mit Marc Brost hören Sie hier:
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