Zeitgenössische Kunst im Dialog mit historischen Bildern

Rezensiert von Rudolf Schmitz |
Jan Nicolaisen hat Gespräche mit zeitgenössischen Künstlern über ihre Lieblingsbilder alter Meister geführt. In diesen Gesprächen messen sich die Künstler an ihren Vorbildern und zeigen, was für sie das immer noch Aktuelle an den Bildern ist. Das Buch "Das Museum der Künstler" begleitet die Gespräche mit ausführlichen und oft detaillierten Abbildungen und ist ein verblüffendes, argumentstarkes Plädoyer für die Zukunft der Malerei.
Das Museum der bildenden Künstler in Leipzig hat nach Jahrzehnten des Provisoriums seit dem Jahr 2004 wieder ein eigenes Haus von den Architekten Hufnagel, Pütz und Rafaelian gebaut. Um dem reichen Schatz an Alten Meistern einen tatsächlichen Ort in der Gegenwart zu geben, sind dort Werke der zeitgenössischen Kunst in Dialog mit historischen Bildern gesetzt worden.

Dabei handelt es sich nicht nur um Gemälde von Bernhard Heisig, Volker Stelzmann, Neo Rauch oder Matthias Weischer, sondern auch um Installationen (Stephan Huber) oder fotografische Konzeptkunst (Tim Rautert).

Jan Nicolaisen, Kurator der Alten Meister, hat Gespräche mit zeitgenössischen Künstlern über ihre Lieblingsbilder in der Sammlung geführt. In diesen Gesprächen messen sich die Künstler an ihren Vorbildern, sie zeigen, was für sie das Prickelnde und immer noch Aktuelle an den jeweiligen Bildern ist.

Sie äußern sich über den Wert des Museums heute und die Wichtigkeit einer traditionellen, handwerklich orientierten Kunsthochschule, wie sie die Leipziger Kunstakademie noch heute ist. Die "neue Leipziger Schule" (Neo Rauch, Matthias Weischer, Christoph Ruckhäberle) gilt bekanntlich am Kunstmarkt als Garant für qualitativ hochwertige, gut verkäufliche Gegenwartsmalerei.

Wenn Bernhard Heisig, der sich für ein Bild von Adolph Menzel von 1847 entschieden hat, sagt: "Es gibt diese furchtbare Frage, was wollte uns der Künstler damit sagen", dann ist der Tenor dieser Bildbefragungen angeschlagen: es geht nicht um akademisches Wissen oder vermeintliche Hierarchien, sondern um das vitale Interesse derjenigen, die schauen, wie etwas "gemacht" ist, welche Künstlerentscheidungen zu dem Bild geführt haben, das wir vor uns haben.

Heisigs Atelier ist voll von Reproduktionen Alter Meister, weil er sich dort "bedient", zu ihnen ein "produktives Verhältnis" pflegt. Auch Stephan Huber, der mit seiner Berg-Installation auf eine Alpenlandschaft von Joseph Anton Koch (1811) reagiert, betont, dass die Kunstgeschichte für ihn "ein großer Steinbruch, ein Reservoir" ist.

Abgesehen von der Abklärung der jeweils eigenen Position und dem "Verflüssigen" der Alten Meister sind es einige beiläufige Bemerkungen in diesen lebhaften Gesprächen, die für neue Fragestellungen sorgen: Angesichts eines Bildes von Hans Baldung (1544), "Die sieben Lebensalter des Weibes" äußert Volker Stelzmann seine Verwunderung, warum ausgerechnet in der DDR die gegenständliche Kunst gefordert wurde. Wäre es doch viel einfacher gewesen, abstrakte Dekoration zu fördern.

Der Fotograf Tim Rautert, der sich dem Bild "Unterricht im Laufen" (1665) von Pieter de Hooch widmet, fragt sich angesichts dieses "Schnappschussbildes", warum die Fotografie nicht bereits im 17. oder 18. Jahrhundert erfunden wurde. Matthias Weischer, Spezialist für Innenräume, hat sich für Hendrick Cornelisz. an Vliet, "Inneres der Alten Kirche in Delft", 1654, entschieden. Er fühlt sich dem Erstaunen der Niederländer über die gegenständliche Welt sehr nah und möchte für die Gegenwart diesen Blick und diesen Raum zurückerobern.

Auch das Plädoyer für die anachronistische Institution Museum verblüfft: Neo Rauch vergleicht es mit einer Kirche, weil dort ebenfalls lebens- und geistrettendes Angebot gemacht und Entschleunigungstherapien angeboten würden.

Das Buch, das die Gespräche mit ausführlichen und oft detaillierten Abbildungen begleitet, ist nicht nur ein lebendiger und origineller Wegweiser zu den Alten Meistern im Museum der bildenden Künste zu Leipzig, nicht nur eine Ermunterung zum vorbehaltlosen Sehen, sondern auch ein verblüffendes, argumentstarkes Plädoyer für die Zukunft der Malerei.

Jan Nicolaisen: Das Museum der Künstler
Zeitgenössische Künstler über Alte Meister
Deutscher Kunstverlag, Leipzig 2005