Zeitumstellung
Im Oktober stellen wir die Uhren zurück, im März wieder vor. Wie lange soll das noch so weitergehen? © IMAGO / Future Image / IMAGO / Burkhard Schubert
Winterzeit, Sommerzeit ... Muss das sein?
Es ist nicht sinnvoll, die Uhren regelmäßig zu verstellen, darin besteht in der EU große Einigkeit. Doch die unbeliebte Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und wieder zurück wird wohl nicht abgeschafft. Warum?
Warum drehen wir immer weiter an der Uhr? Kaum jemand findet den Wechsel von Sommer- und Winterzeit gut. Bereits 2018 hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Zeitumstellung abzuschaffen, und in einer Online-Umfrage der Kommission stimmte die große Mehrheit – 84 Prozent der Teilnehmer – dafür. Passiert ist danach trotzdem nichts. Das Thema genießt keine Priorität. Und ein Wechsel zu einer festen Sommer- oder Winterzeit ist auch nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick scheint.
Wann wird die Uhr vor- und wann zurückgestellt?
Am letzten Sonntag im Oktober (am 27. Oktober 2024) wird die Uhrzeit von 3:00 Uhr auf 2:00 Uhr zurückgestellt, dann haben wir Normalzeit – beziehungsweise umgangssprachlich Winterzeit. Auf Funkuhren und anderen elektronischen Zeitmessern muss man dafür nichts tun. Wer die Zeit an seiner Uhr noch per Hand einstellt, muss den Stundenzeiger eine Stunde zurückdrehen.
Am letzten Sonntag im März (am 30. März 2025) wird die Uhrzeit dann von 2:00 Uhr auf 3:00 wieder vorgestellt. Dann herrscht Sommerzeit.
Rein technisch ist die Zeitumstellung unproblematisch: Taktgeber für die Zeit sind in Deutschland die Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Von dort gesendete Signale passen die Funkuhren automatisch an Winter- und Sommerzeit an.
Warum wird die Zeitumstellung nicht abgeschafft?
In der EU wird schon lange über ein Ende der Zeitumstellung diskutiert. Die Europäische Kommission präsentierte 2018 einen entsprechenden Gesetzentwurf. Das Europäische Parlament stimmte zu, doch die Mitgliedsstaaten zogen nicht mit und legten die Pläne auf Eis.
Grönland wechselt dauerhaft zur Sommerzeit
Eine Änderung gibt es seit Oktober 2023 in Grönland: Auf der Insel, die als autonomes Gebiet Dänemarks nicht zur EU gehört, bleiben die Uhren seitdem auf Sommerzeit. Damit ist Grönland in eine neue Zeitzone übergegangen. Das bedeutet: Die Grönländer sind eine Stunde näher an Dänemark und den Rest Europas herangerückt.
Das Kernproblem in der EU-Debatte über die Zeitumstellung ist die Uneinigkeit, welche Zeit sich durchsetzen soll – die sogenannte Normalzeit, also die Winterzeit oder die Sommerzeit. Ein Flickenteppich mit mehreren Zeitzonen soll in jedem Fall vermieden werden. Manche EU-Staaten sind auch grundsätzlich gegen das Ende der Zeitumstellung.
Dennoch ließe sich vermutlich eine Einigung finden – doch dafür müsste man eben auch Zeit und Kraft aufwenden. Die Zeitumstellung hat im politischen Tagesgeschäft aber einfach keine Priorität. Ob Corona, Russlands Krieg gegen die Ukraine oder die damit einhergehende Energiekrise – in den europäischen Hauptstädten hat man stets größere Sorgen.
Der heutige Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, war zuvor lange CDU-Europaabgeordneter und hat sich in dieser Zeit den Beinamen „Mr. Sommerzeit“ erarbeitet. „Das ist ein Thema, bei dem man einen langen Atem braucht“, sagte er 2018 dem Deutschlandfunk.
Das Thema stehe eben nie im Fokus, man müsse politisch geschickt agieren, um es am Laufen zu halten. Im März 2023 – fünf Jahre später – äußerte sich Reul dann erneut: Dass es noch immer keine Lösung gebe, darüber könnten er und viele Millionen Menschen nur den Kopf schütteln, schimpfte er.
Doch auch das Kopfschütteln hilft nicht. Aktuell sieht es nicht danach aus, als käme man einer Lösung näher. Zur Realität gehört allerdings auch, dass das Thema in keinem Land der EU so sehr die Gemüter bewegt wie in Deutschland: Allein drei Millionen der EU-weit 4,6 Millionen Teilnehmer an einer Onlinebefragung, die das Thema 2018 ins Rollen brachte, kamen aus der Bundesrepublik. Weitere 500.000 Teilnehmer kamen aus Österreich.
In den beiden Ländern haben also drei beziehungsweise vier Prozent der Einwohner an der Umfrage der EU-Kommission teilgenommen. In Spanien und den Niederlanden stimmten hingegen nur 0,2 Prozent ab. Schlusslicht mit einer Wahlbeteiligung von weit unter einem Promille war das Vereinigte Königreich, das damals noch zur EU gehörte.
Wie wirkt sich der Zeitwechsel auf verschiedene Länder aus?
Die Zeitumstellung abzuschaffen ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Denn man müsste sich einigen, welche Zeit dann gelten soll - dauerhaft Sommerzeit oder dauerhaft Winterzeit? Ohne eine solche Einigung würde jedes EU-Land einzeln darüber entscheiden. Die Folge wäre ein Flickenteppich, bei jedem Grenzübertritt müsste möglicherweise an der Uhr gedreht werden.
In der EU gibt es insgesamt drei Zeitzonen, der Großteil der Länder von Spanien bis Polen liegt dabei in der gleichen Zone. Doch selbst hier gibt es unterschiedliche Interessenlagen: Bei einer dauerhaften Winterzeit ginge im Osten von Polen im Sommer schon um kurz nach drei Uhr in der Nacht die Sonne auf und um halb acht schon wieder unter. Bei einer dauerhaften Sommerzeit hingegen wäre es im Westen von Spanien im Winter zeitweise erst nach zehn Uhr hell.
Kein Wunder, dass es schwer ist, sich zu einigen. Also bleibt eben alles so, wie es ist: Uhr vor, Uhr zurück; Uhr vor, Uhr zurück.
Spart der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit Energie?
Energie zu sparen: Das war die Idee hinter der Sommerzeit. In Deutschland wurde die Zeitumstellung erstmals im Ersten Weltkrieg praktiziert, um abends weniger Energie für Licht zu verbrauchen. Die Maßnahme war aber unbeliebt, wurde nach dem Krieg abgeschafft, im Zweiten Weltkrieg dann wieder eingeführt – und danach erneut abgeschafft. 1980 kam die Sommerzeit in Deutschland zurück, andere europäische Länder hatten sie wegen der Ölkrise eingeführt, und Deutschland zog nach. Seit 1996 stellen alle Mitglieder der EU die Uhren Ende März und Ende Oktober um.
Ob durch die Sommerzeit tatsächlich Energie gespart wird, ist umstritten. Das Umweltbundesamt weist darauf hin, dass es hier gegenläufige Effekte gibt: Es sei zwar richtig, dass abends Strom gespart werde, weil es länger hell sei. Dieser Effekt sei allerdings nicht mehr so relevant wie früher, weil die Effizienz der Leuchtmittel stark zugenommen habe. Auf der Gegenseite werde durch die Umstellung mehr geheizt. Denn morgens müsse man früher aufstehen und im Frühling und Herbst sei es dann eben auch noch kälter.
2016 kam das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag in einer Überblicksanalyse zu dem Ergebnis, der wissenschaftliche Kenntnisstand zu der Frage sei begrenzt, unvollständig oder widersprüchlich. Die Auswirkungen auf den Energieverbrauch seien allerdings „mit ziemlicher Sicherheit in den meisten Fällen sehr gering“.
Schadet die Zeitumstellung der Gesundheit?
Laut dem Chronobiologen Achim Kramer von der Charité Berlin stört das Hin und Her die innere Uhr der Menschen. Man brauche jedes Mal zwischen zwei und vier Tagen, um sich an die neue Zeit zu gewöhnen, betont er. Kramer plädiert für eine Umstellung auf permanente Winterzeit. Ständige Sommerzeit führe dazu, dass die Menschen nicht genügend Morgenlicht bekämen.
Das Morgenlicht sei für die meisten wichtiger als das Abendlicht, weil die Gesellschaft sich entschieden habe, morgens früh mit Arbeit und Schule zu beginnen, so Kramer. Generell rät er dazu, morgens nach dem Aufstehen viel Licht zu tanken. Das sei besonders nach der Umstellung Ende März auf die Sommerzeit wichtig. Sein Tipp: Jeden Tag zehn Minuten früher aufstehen und ins helle Badezimmer gehen, um der inneren Uhr zu zeigen: „Jetzt geht's los!“
pto