Wer bezahlt den Journalismus?
Sinkende Werbeerlöse, Konkurrenz aus dem Netz, der Mindestlohn für Zusteller - die Zeitungsbranche steht vor großen Herausforderungen. Verleger haben in Berlin Bilanz gezogen und einen Ausblick auf die Zukunft der Branche gewagt. Über allem steht die Frage: Wer bezahlt für guten Journalismus in Deutschland?
Ein paar Zahlen vorneweg: Um mehr als drei Prozent sind die Auflagen der Zeitungen im vergangenen Jahr zurückgegangen, besonders hart traf es die Boulevardzeitungen, auch die überregionalen und die Sonntagszeitungen mussten mit mehr als fünf Prozent weniger Auflage deutlich Federn lassen. Dementsprechend gingen auch die Umsätze der Zeitungen zurück. All das steht im eklatanten Widerspruch zur Nutzung der Zeitungen und der Websites insgesamt – denn mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen täglich oder zumindest regelmäßig die Print- oder Onlineausgaben der Zeitungen. Da kann man wahrlich nicht von einem Bedeutungsverlust sprechen. Allerdings: Eine stärkere Diversifizierung der Angebote tue Not, sagte Dietmar Wolff, der Geschäftsführer des Verbands der Zeitungsverleger:
"Das werden wir in Zukunft mehr und mehr sehen, andere Branchen haben das auch, die viel mehr diversifizieren, das wird sich in der Verlagsbranche mit Sicherheit in Zukunft auch abzeichnen, so dass für jeden Leser, für jeden Nutzer auch das Angebot am Markt ist, was er sich wünscht, und wofür er dann auch bereit ist, zu bezahlen."
Eine Studie des Medienwissenschaftlers Andreas Vogel hatte vor einer Woche für Aufsehen in der Branche gesorgt: Darin belegte Vogel, dass die Zeitungsauflagen bereits seit 30 Jahren zurückgehen, und dass der Trend nicht nur dem Internet, sondern auch der allgemeinen demografischen Entwicklung geschuldet ist: Menschen heiraten später im Leben, es gibt mehr Bürger mit Migrationshintergrund, ausdifferenziertere Lebensmodelle. Diese verschiedenen Milieus bedienen die Zeitungen nur unzureichend, so Vogel. Da kommt noch viel Arbeit auf die Verleger zu.
Übergangsregelung beim Mindestlohn für Zeitungszusteller
Auf politischer Ebene haben die Verlage einen Achtungserfolg beim Thema Mindestlohn erreicht: Sie erwirkten beim Arbeitsministerium eine Ausnahmeregelung für Nachlässe bei den Sozialabgaben für die Zeitungszusteller. Doch diese Übergangsregelung soll nur zwei Jahre gelten, nicht wie ursprünglich geplant fünf Jahre. Da werden erhebliche Mehrausgaben auf die Verlage zukommen – Geld, das womöglich in den Redaktionen fehlt. Weniger Recherche gleich weniger journalistische Angebote, könnte die Folge sein. Auch Google knabbert an den Einnahmen: Derzeit ist noch immer ein Beschwerdeverfahren der Verleger in Brüssel anhängig, der Vorwurf: Google bevorzugt in den Suchergebnissen eigene Angebote und nicht die Websites der Verlage.
Das größte Problem der Zeitungen ist auch nach jahrelanger Diskussion: Viele Leser nehmen Journalismus offensichtlich als gegeben hin und sind gerade im Netz wenig oder gar nicht bereit, dafür auch zu bezahlen. Zeitungsverbands-Geschäftsführer Dietmar Wolff:
"Es besteht natürlich eine große Herausforderung, diese Angebote im Netz refinanzieren zu können, wie das im gedruckten Bereich auch der Fall ist, und das braucht noch eine Zeit, aber wir sind da auf gutem Wege, die Zahlungsbereitschaft, für guten Journalismus, die ist vorhanden, und das muss jetzt schrittweise ausgebaut werden."
Neue Einnahmequellen erschließen
Doch bislang funktionieren die sogenannten "Pay-Walls" - die Bezahlschranken im Internet - nicht, zumindest als Erfolg kann man sie kaum bezeichnen: Gerade einmal eine halbe Million Leser sind bereit, für sogenannte "E-Paper" im Netz zu bezahlen. Derzeit beobachtet die Branche sehr genau, was sich bei der "BILD"-Zeitung tut: Sie hatte vor einem Jahr ein Bezahlmodell eingeführt, das, je nach Modell, zusammen mit einem iPad oder einem Bundesliga-Abo verkauft wurde, mit dem man Fußball im Netz schauen konnte. 200.000 Leser begeisterten sich dafür. Ein Achtungserfolg, ganz egal, was man von der "BILD"-Zeitung nun hält. Das Beispiel ist für die Branche insofern wichtig, weil ganz offenbar ein rein journalistisches Angebot im Netz nicht mehr ausreicht, um die Leser davon zu überzeugen, dafür auch zu bezahlen. Extra-Angebote wie Museumstickets, Konzertkarten, Abos für den öffentlichen Nahverkehr und anderes werden im Internet zusammen mit dem Zugang zur Zeitungswebsite verkauft.
Hans-Joachim Fuhrmann, Leiter des Bereichs Multimedia im Zeitungsverlegerverband, meint, dass die Verlage noch stärker in neue Geschäftsfelder investieren müssen:
"Da ist eine 'FAZ', die geht in den Bildungsbereich rein, da gibt es Reiseangebote, es wird Wein verkauft, und, und, und, das sind alles Nischengeschäfte, aber glauben sie mir, diese Branche wird sich in Zukunft aus vielen Quellen speisen müssen."
Am Ende des Tages, so Fuhrmann, müsse man die Frage beantworten, wofür die Branche noch stehe. Hoffentlich nicht für den Verkauf von Hundefutter – das können andere sicher besser.