Ein Museum für Afrika
Zeitgenössische Kunst aus Afrika erlebt seit Jahren einen Boom, aber eine Art Tate Modern oder Guggenheim gab es auf dem Kontinent noch nicht. Nun eröffnet das "Zeitz MOCAA" in Kapstadt, ein ehrgeiziges Projekt, das schon im Vorfeld mit Superlativen auf sich aufmerksam machte.
Das neue Museum im alten Getreidesilo ist selbst ein Kunstwerk. Eher schlicht von außen, aber atemberaubend von innen. Wo einmal tonnenweise Maiskörner mächtige Betonröhren heruntergerutscht sind, schlägt nun das Herz des "Zeitz MOCAA". So jedenfalls bezeichnet der britische Star-Architekt Thomas Heatherwick das mächtige Atrium, das je nach Blickwinkel an einen Bienenstock, einen Sakralbau, eine überdimensionierte Halfpipe oder einen von Gaudì inspirierten Bunker erinnert.
"Wenn wir dieses Gebäude einfach abgerissen hätten und stattdessen ein glitzerndes Raumschiff gebaut hätten, dann wäre die Hemmschwelle für viele Besucher zu hoch gewesen, denn im südafrikanischen Kontext wirken solche Bauten eher abschreckend. Wir haben uns also nicht wie üblich auf ein unvergessliches Äußeres, sondern ein unwiderstehliches Inneres konzentriert. Auf ein Herz, das die Leute anzieht und neugierig macht, auch jene, die noch kaum mit zeitgenössischer Kunst in Berührung gekommen sind. Sobald sie einmal eingetreten sind, erledigt die Neugier den Rest."
Wendeltreppen und gläserne Aufzüge führen die alten Betonröhren
Wer dieses Museum besuchen wird, die Frage also des Zugangs, ist für die afrikanische Kunstszene eine der zentralen Fragen, auf die auch der Architekt eine Antwort gesucht hat. Tatsächlich entfaltet sein Bau eine fast magische Sogkraft. Wendeltreppen und gläserne Aufzüge führen die alten Betonröhren hinauf zu den Ausstellungsräumen. In 80 klimatisierten, Kunstlicht durchfluteten Galerien hängen neben temporären Ausstellungen auch die Werke aus der Sammlung von Jochen Zeitz, die er erst seit der Jahrtausendwende aufgebaut hat.
"Ich hab' ja gesagt, ich will eine Sammlung zusammenstellen. Nicht weil ich mich gern mit Kunst umgebe, oder Sammler für meine eigenen Zwecke werden wollte, sondern weil ich der Meinung war, dass Afrika irgendwo ein großes Museum für zeitgenössische Kunst braucht, um der großen Kreativität und der Vielfalt des Kontinents und der Diaspora einfach irgendwo eine Plattform zu bieten. Und insofern haben wir die Sammlung eben ganz gezielt fürs Museum aufgebaut."
Repräsentativ für das zeitgenössische Schaffen
Der Anspruch ist hoch. Die Werke sollen repräsentativ für das zeitgenössische Schaffen des gesamten Kontinents und seiner Diaspora sein. Immer wieder hatten afrikanische Kulturschaffende im Vorfeld kritisiert, dass zwei weiße Männer, Jochen Zeitz und Mark Coetzee in seiner Doppelrolle als Museumsdirektor und Chefkurator allein darüber entscheiden, welche Künstler und Werke repräsentativ seien. Coetzee bemüht sich merklich, diesen Vorwurf eines nahezu kolonialen Vorgehens zu entkräften:
"Wir hätten zwei bis vier Kuratoren fest anstellen können, um den Auftrag und die Inhalte des Museums zu definieren. Aber weil wir uns als panafrikanische Institution verstehen, wollten wir uns breiter aufstellen. Wir haben uns daher stattdessen für 'curators at large', also eine enge Zusammenarbeit mit führenden Kuratoren und Vordenkern entschieden. Sie werden regelmäßig von ihren Institutionen etwa aus Lagos, Harare oder New York zu uns kommen, Ausstellungen gestalten, Projekte entwickeln und uns über die Trends und Debatten in ihren Regionen auf dem Laufenden halten."
Die meist gestellte Frage sei gewesen: "Wie wird das Museum mich repräsentieren?", heißt es im Text zur Eröffnungsausstellung mit dem Titel "All things being equal…" nach einer Installation des afroamerikanischen Künstlers Hank Willis Thomas. Das egalitäre Motto der ersten Schau spiegelt eine der Gründungsideen wieder. Eine Begegnung auf Augenhöhe soll es sein, von Publikum und Kunst, Afrika und dem Rest Welt, von den Künstlern untereinander.
Ein ganzer Raum für eine geisterhaft-spielerische Panoramaprojektion
Dem berühmten William Kentridge und seiner geisterhaft-spielerischen Panoramaprojektion "More Sweetly Play the Dance" wird ebenso ein ganzer Raum gewidmet wie den futuristischen Masken-Portraits des international unbekannteren Kenianers Cyrus Kabiru. Auf die sich auflösenden, golden schimmernden Kontinente von El Anatsui folgt die verstörende, klaustrophobe Welt des Fotokünstlers Roger Ballen. Er hat dem Museum nicht, wie einige andere Künstler, einzelne Werke, sondern gleich sein gesamtes Archiv gespendet, seine Stiftung hat im "Zeitz MOCAA" ein Zentrum für Fotografie ins Leben gerufen. Denn das Museum möchte nicht nur Kunsttempel, sondern auch Bildungsinstitution sein, betont Mark Coetzee.
"Im Untergeschoss haben wir Klassenzimmer eingerichtet, in die wir Schulkinder einladen, um etwas über Kunst zu lernen und sich selbst kreativ auszuprobieren. Im Obergeschoss gibt es Räume zur Ausbildung von Nachwuchs-Kuratoren. Jedes Jahr werden wir 25 Stipendien vergeben; 50 internationale Mentoren betreuen die Studenten. Wenn, wie wir alle hoffen, weitere Museen in Afrika entstehen, haben unsere jungen Kuratoren das Rüstzeug, um diese neuen Institutionen aufzubauen."
Das "Zeitz MOCAA" sieht sich als Beginn einer neuen Ära, als Samenkorn für zeitgenössische Kunst in Afrika. Ob diese Saat auch tatsächlich aufgehen wird, bleibt für Künstler und Kritiker des Kontinents die Kernfrage.