Zeitzeuge Wilhelm Große

04.05.2009
Wilhelm Große, 1921 geboren, ist gelernter Koch und hat wegen einer Kriegsverletzung ein Jahr lang wieder in Westerhausen/Harz bei seinen Eltern gelebt und später dann in Staßfurt die Fächer Mathematik und Geografie für das Lehramt studiert.
Versorgungslage nach dem Krieg

Mein Vater hat alte Bäume umgemacht zu Feuerholz. Und wir haben nicht gefroren. Denn die Städter kamen ja aufs Land mit Beuteln und wollten tauschen und wollten verschenken und wollten was zu essen haben. Und wir hatten Viehzeug, wir hatten Kaninchen, wir hatten Hühner, wir hatten Schweine, wir hatten eine Ziege. Also, die Eltern lebten gut damals. Das war eben auf dem Lande möglich. Es sind viele gekommen aus Großstädten und auch aus dem Osten. Die haben dann bei Bauern Arbeit gefunden. Die Bauern brauchten ja Arbeitskräfte. Aber viele, die aus Städten kamen und keine Arbeit gewöhnt waren auf dem Lande, denen ist das sehr, sehr schwer gefallen - war gar nicht einfach.

Entnazifizierung

Westerhausen, ich glaube, das ist heute noch so, wie es damals war. Da waren sie sich einig, dass also in Westerhausen nun keiner irgendwelche Kriegsverbrechen begangen hat. Und wenn da einer nun mal einen schwarzen Punkt hatte, na ja, na das ist jetzt nun anders. Da waren sie an und für sich sehr großzügig in Westerhausen. Die Nazis, die es in Westerhausen gab, die haben nebenbei ihre Wirtschaft gemacht und haben gearbeitet. Und in einem Ort ist der eine auf den anderen angewiesen.

Nazi-Opfer

Es gab ein Konzentrationslager in Langenstein, Langenstein-Zwieberge. In Langenstein-Zwieberge, das wusste kein Mensch, das war hermetisch abgeschlossen. Ich bin 1947 noch zu einer Veranstaltung gewesen in Langenstein-Zwieberge, wo dann noch ehemals Inhaftierte da gewesen sind. Ich weiß, dass man erzählt hat von einem hohen sowjetischen Offizier, der in dieses Lager gekommen ist, und dass dieser Offizier dann sein Grab selber schaufeln musste und dann auch erschossen wurde und da beigesetzt ist. Und ich glaube, das ist heute noch zu sehen in Langenstein-Zwieberge.

Verhältnis zur Besatzungsmacht UdSSR

Also, in Westerhausen haben wir von Russen nichts gemerkt. Mein Verhältnis zu den Russen war gut, weil ich erst mal mit meiner Feldküche nicht unmittelbar an der Front gewesen bin, weil wir eine Infanteriedivision waren, die in keinem Angriff eingesetzt wurde. Ich war ein paar Wochen zu Hause, da kam der von der sozialistischen Einheitspartei: Wilhelm!. Ich sage: Natürlich, Vater war Mitglied, Onkel Hermann, na ja, das kannst du deinem Onkel Hermann nicht antun. Ich sage, natürlich nicht.

SED und SPD

1947, als ich nach Hause gekommen bin, bin ich in die SED eingetreten, Sozialistische Einheitspartei Deutschland, und war bis das jetzt aufgelöst wurde. So lange war ich Mitglied.

Die SPD war für die KPD damals eigentlich eine Partei, die versuchte bei den Großen zu kratzen. Wobei das nun im Ort, wie Westerhausen, schon wieder etwas anders war. Der 1. Mai wurde gefeiert von der KPD im Forsthaus, von der SPD im "Eselsstall", so nannte sich das. Aber wenn es abends nach Hause ging, na, das war dann die gleiche Zeit, na dann zogen sie zusammen. Na, Wilhelm, wie hat's euch denn gefallen… So ging das dann los. Deshalb waren die sich nicht böse. Nein, die haben keinen Klassenkampf gemacht.