Zeitzeugin Maria Köster

04.05.2009
Maria Köster, geboren von Vagedes, Jahrgang 1927. Wurde 1947 nach einer kurzen Ausbildung als Lehrerin in Ulm eingesetzt; sie war mit verletzten Soldaten nach Kriegsende in den Südwesten gekommen - ursprünglich kommt sie aus Brandenburg.
Ausbildung nach dem Krieg

Dann machte ich eine einjährige Ausbildung als Lehrerin für Grund- und Hauptschule. Das war das erste Mal nach dem Krieg, dass so eine Ausbildung stattfand. Man suchte sehr viel Lehrer, weil sie entweder Parteigenossen gewesen waren und deshalb nicht mehr Lehrer sein durften. Und viele waren ja auch gefallen im Krieg. Und wer das Abitur hatte, konnte sich da melden. Und wenn er Glück hatte, kam er an. Und da war ich in Esslingen an der PH. Viele wohnten im Internat dort, ich auch. Ich musste mich verpflichten, 10 Jahre im Schuldienst zu bleiben, weil ich umsonst die Ausbildung bekam und im Internat lebte. Es waren viele oder einige ehemalige Offiziere oder Soldaten, die auch das Abitur hatten und keinen Beruf, und ganz zusammengewürfelt, vor allem aber Menschen hier aus Südwestdeutschland.

Anstellung in Ulm

Dann kam ich nach Ulm an die Schule. 47 hab ich die erste Dienstprüfung gemacht. Und wir hatten dann nur eigentlich das Unterrichten gelernt und nicht den Stoff vermittelt bekommen. Den mussten wir eben von der Schule her eigentlich wissen. Ja, und dann kam ich nach Ulm und bekam eine erste Klasse mit ganz goldigen Buben, aber 104 an der Zahl. Das kann man sich heute gar nicht vorstellen. Das war die Klasse 1c an dieser Schule. Immer 52 waren auf einmal da. Es wurde geschichtet.

Und dann gab es noch im Winter Kohlenferien, weil man die Schulen nicht heizen konnte. Und man gab den Kindern irgendwelche Aufgaben auf, was bei Erstklässlern natürlich schwierig war. Und dann gab es die Schülerspeisung von den Amerikanern. Da kamen dann vor der großen Pause Frauen mit großen Kannen voller Eintopf an. Wenn es eine Süßspeise war, war es sehr gut. Manches schmeckte den Kindern überhaupt nicht. Aber die kamen auch mit ihren Töpfchen mit Henkel in die Schule und bekamen eben da etwas zu Essen.

Ein neues Lebensgefühl

Es war wirklich wie Aufbruch, denn man war ganz glücklich, dass man noch leben durfte. Als junger Mensch hatte man ja gedacht, man wird die nächsten Jahre wahrscheinlich nicht überstehen. Und dass man jetzt bei Kriegsende wusste, man darf leben, das war ein wunderbares Gefühl.

Als ich dann nun einen Beruf hatte und einen schönen Beruf hatte, es hat mir unheimlich Spaß gemacht, und auch ein damals sehr geringes Einkommen, aber man konnte davon leben. Ich konnte z.B. ja meine Mutter und meine Schwester nicht sehen. Die konnte ich damals nicht besuchen und ich hab Päckchen geschickt.

In der Schule

Schulbücher gab es ganz wenige. Ich musste z.B. auch Englisch unterrichten an der Oberstufe und hatte nur mein Schulenglisch und kein Buch und kein Wörterbuch und keine Grammatik. Ich denke auch, was ich den Kindern da beigebracht habe, da würde sich mancher Englände im Grab rumdrehen.

Also, vor der Schule standen sie draußen am Gartentürle und haben mich abgeholt und haben sich gefreut, wenn ich dann raus kam. Und dann sind wir zusammen - so fünf Minuten Fußweg - zur Schule gegangen. Irgendwie haben die mich sehr gern gehabt. Und dann kamen auch Mütter zu mir und erzählten, was ihre Kinder zu Hause erzählten. Zum Beispiel kam mal eine Mutter und sagte, unser Fräulein von Vagedes, die ist ja so schön, die hat ja so eine schöne glänzige Stirn. Und heute hatte sie lange Hosen an und die waren so schön. Und die einzigen langen Hosen, die ich besaß, die hatte ich mir aus einer alten Wolldecke genäht, aber anscheinend waren sie doch, glaube ich, ziemlich schick gelungen.