Zeitzeugin Ruth Recknagel
Ruth Recknagel, Jahrgang 1930. Musste in der Nazi-Zeit als sogenannte Mischling ersten Grades die Schule verlassen, sie nahm 1943 mit ihrer Mutter an der legendären Demonstration in der Berliner Rosenstraße teil. Frau Recknagel wohnte nach 1945 in den West-Sektoren der Stadt und war Gründungsstudentin an der Freien Universität Berlin. Sie wurde später Direktorin der Wiedergutmachungsämter und Richterin in Berlin.
Teilung in Berlin
Unsere Klasse war ja aus West und Ost zusammengewürfelt. Und da gab es dann also immer erhebliche Diskussionen. Na ja, da gab's ja immer so ganz alberne Sätze: "Wir waschen uns lieber mit unserer Seife als der von den Amerikanern, die ist ja also kapitalistisch…", wie man dann halt so überschießend spricht.
Nachher, 1948, als wir Abitur gemacht hatten, kam ja kurz danach die Blockade. Dann haben wir uns auch völlig aus den Augen verloren. Die einen lebten eben im Osten, dort Karriere gemacht. Wir waren eben westlich geprägt.
Das war, glaub ich, relativ früh auch schon so vom täglichen Leben her bemerkbar. Also, Berlin war eigentlich auch schon - zumindest im Großen - zweigeteilt, der Ostsektor und die drei Westsektoren. Wir hatten natürlich im Osten, bedingt durch Bert Brecht im Berliner Ensemble, der ja auch großartige Sachen…, ja alles. Aber das wurde eigentlich gar nicht wahrgenommen. Man war entweder sehr westlich geprägt oder sehr östlich geprägt.
Und dann gab es ja, als die Blockade kam… Wir hatten ja noch Lebensmittelkarten im Westen. Wenn man in den Osten gegangen wäre, hätte man da auch Lebensmittelkarten bekommen, bessere oder andere oder mehr. Das ist ja von den Berlinern überhaupt nicht wahrgenommen (worden), zu einem ganz, ganz kleinen Prozentsatz nur. Wir hatten ja dann auch noch dieses Ost- und Westgeld. Das war hier schon in Berlin relativ früh und vielleicht stärker als sonst irgendwo doch hier zu spüren - diese Konfrontation Ost und West.
Verhältnis zu den Amerikanern
Es gab ja für die Kinder auch keinen Sport und nichts. Und das muss so 47 gewesen sein, dass Jugendoffiziere oder so was in die Schulen kamen. Und da bildeten sich dann Sportgruppen… und dass dann die Schulklassen oft sogar mit dem Jeep abgeholt wurden und zu dem Sportplatz gefahren (sind) und konnten da Sport machen. Und diese Offiziere oder Soldaten, da gehörte jedenfalls auch ein Master Sergeant Bus (?), also, ein Wohltäter der Menschheit. Und außerdem hatte er eine "english discussion group" gegründet. Da brachte er amerikanische Zeitungen mit und dann sollten wir das eben lesen, also, für das Volk, durch das Volk und mit dem Volk. Und diese demokratischen Werte hat er uns eben versucht zu vermitteln.
Weihnachten, das fanden die zu schön. Ja, dann mussten wir Weihnachtslieder singen. Und da haben wir amerikanische Weihnachtslieder gesungen und deutsche Weihnachtslieder. Und dann brachte er für jeden diese Candys mit, Konfekt mit oder was. Aber vor allen Dingen hat er nun gesehen, wie abgerissen die Kinder waren, die jung waren. Da hat er unter seinen Soldaten gesammelt und kam also wirklich wie Knecht Ruprecht mit Riesensäcken voller Schuhen an. Die Amerikaner, wenn der Schnürsenkel zerrissen ist, haben die die Schuhe weggetan. Und dann wurden die bei uns auf dem Flur aufgestellt und die Kinder konnten sich alle Schuhe aussuchen. Und ich hab von ihnen meine ersten Nylons und das erste Stück Lux-Seife bekommen.
Entnazifizierung
Zunächst bestand natürlich die Entnazifizierung hier. Aber die ist so schnell, selbst hier in Berlin, eingeschlafen und wurde nicht mehr groß verfolgt. Ich kannte mich sehr, sehr gut aus der Justiz, der ich ja mal angehört habe, weil man praktisch alle brauchte oder alle ja darauf ausgerichtet waren, einen Kulturkampf - oder wie wollen Sie das bezeichnen - gegen den Osten zu bestehen. Und die Entnazifizierung oder die Nazis spielten da keine Rolle. Aber das war bedingt durch die politischen Großwetterlagen, dass es eben da so ein bisschen mit untergegangen ist, weil wir ja nicht nur diese Kräfte hatten, die dafür infrage gekommen wären, sondern die anderen ja alle auch irgendwie unterbringen musste. Ich weiß, dass mein Vater, der war ja nun Leiter eines Amtes, gerade auch seinem Stellvertreter doch immer sehr distanziert gegenüber gestanden hat, weil man halt nicht wusste, mit wem man es zu tun hatte.
Jüdisches Leben nach dem Krieg
Dann gab es da eine Synagoge, die einigermaßen in Takt war. Das war dann eigentlich so ein Sammelpunkt. Es gab ja eben auch jüdische amerikanische Soldaten, die da nun da erst mal ihren Service halten wollten oder wie auch immer. Und die Amerikaner, die zunächst sich erst mal um die Kinder gekümmert (haben), da weiß ich dann schon, dass die dann gesagt hatten, na ja, also, ob ihr Kinder, die stellten ja auch so Kindertransporte zusammen, nicht vielleicht nach - damals Palästina - wollten. Und das wollte mein Vater auf gar keinen Fall, denn er war kein Zionist. Der war ein typischer Deutscher.
Es gibt so einen Bonmot. Ich sage immer: Zu den besten Deutschen gehörten die preußischen Juden. Und in so einer Tradition stehe ich eigentlich.
Damals war das zu frisch, zu aktuell. Dieses Aufarbeiten, das konnte auch nach 45, da hatten die Leute alle andere Sorgen. Für ist immer noch so ein eigentlich sehr schreckliches Beispiel: Unsere juristische Fakultät, das war das anthroposophische Institut von diesem berüchtigten Verschuer, dessen Assistent Mengele war, KZ-Arzt in Auschwitz. Und das war das Gebäude, in dem wir unsere ersten juristischen Vorlesungen hatten.
Na ja, das war auch so ein bisschen mein Vater. Der hatte immer doch noch Sorge. Also, man hat sich vielleicht nicht so bewusst geoutet. Sie fragen ja auch keinen anderen Menschen, ob der katholisch oder evangelisch ist. Es war zwar irgendwie persönliche Geschichte. Aber wissen Sie, in dieser Nachkriegszeit - viele hatten ihre Väter verloren oder waren zum Teil auf der Flucht umgekommen, so dass ich denke, dass da eben die Zeit das erst richten wird.
Gründung der Freien Universität
Wer nun studieren wollte, da gab es ja nur die Humboldt Universität, da waren ja nun die Russen wieder. Und da war natürlich immer nur vorrangig, wer zu einem Arbeiter- und Bauerkind gehörte. Und da ja meistens jedenfalls die Kinder studieren, deren Eltern vielfach, die zumindest aus einem kaufmännischen Beruf kommen oder so, die hatten dann gar keine Chance. Da kam es ja ziemlich bald zu einer großen Konfrontation, dass Studenten von der Humboldt Universität relegiert wurden. Wir waren ja nur 18 bis 20. Also, jedenfalls kam aus diesem Studentenkreis der Gedanke, die Idee, eine Universität im Westteil der Stadt zu gründen, die sich eben Freie Universität nannte. Mein Mann und ich, wir waren mehr das Fußvolk. Ich habe geschrieben, habe Listen geschrieben. Man hatte keine Fotokopierer nichts, und keiner konnte was verschicken. Dann wollten wir doch einen Politiker oder Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Berlins dafür interessieren. Und dafür mussten ja auch irgendwelche Einladungen geschrieben werden und so was alles. Also, mit diesen Dingen wurde ich mehr betraut.
Und dann kam aber so ein Aufruf, ja, wer nun irgendwelche Bücher, Sachen hätte, die er nicht mehr bräuchte, der möchte sich melden. Telefon gab's ja dann Gott sei Dank schon. Und dann gab's wieder eine Gruppe von werdenden Studenten. Die sind dann rumgefahren, zum Teil mit dem Fahrrad - Bücher. Vielfach war das von alten Damen, wo die Männer nicht zurückgekommen waren oder so. Die Geschichte ist immer, dass mein Mann da mit einem Skelett auf dem Fahrrad durch Berlin gefahren ist, weil eine Dame das zur Verfügung gestellt hatte. So haben wir angefangen. Ja.
Die Kultur lebt wieder auf
Neue Bücher, glaub ich, noch kaum, aber Musik, Kino und vor allen Dingen Theater. "Die Fliegen" von Sartre, das gab es alles schon, noch als wir zur Schule gingen, um 47. Die Theater war(en) kalt. Man hatte ja nichts zum Heizen in diesen ersten Jahren. Sie müssen sich da nicht vorstellen, dass es da Kohlen und Holz gab. Wir haben uns da dick und warm angezogen. Und die Decke war kaputt. Da hatte man Sackleinwand oder so Segeltuch gezogen. Es war kalt. Aber wissen Sie, das war ja auch eine Abwechslung. Und dann gab es nachher für Schüler und Studenten ermäßigte Karten. Die kamen vielleicht ne Mark oder so. Das war an und für sich erschwinglich. Ich weiß zwar, dass mein Mann auch auf dem Schwarzmarkt seine Briefmarkensammlung und Bücher verkauft hat und davon dann Theaterkarten gekauft hat. Also, man gab die eine Kultur weg, die Bücher, und hat dafür Theaterkarten gekauft.
SPD und SED
Ich weiß, dass in den ersten Nachkriegsjahren, als ich ja noch zur Schule ging - ich habe 48 Abitur gemacht -, dass bei uns im Haus eine Familie lebte, die der SPD zuneigte, und dass da Zusammenkünfte stattfanden von ehemaligen SPD-Mitgliedern aus Neukölln, die ja mein Vater nun auch zum Teil kannte. Da waren also ganz bekannte Namen bei, die dann nachher aber im Zuge der Vereinigung der SED beigetreten sind, mein Vater dagegen nicht. Ich habe zum Teil dann sogar selber Flugblätter für die SPD in den Haushalten mit verteilt, als es zu den Wahlen ging.
Unsere Klasse war ja aus West und Ost zusammengewürfelt. Und da gab es dann also immer erhebliche Diskussionen. Na ja, da gab's ja immer so ganz alberne Sätze: "Wir waschen uns lieber mit unserer Seife als der von den Amerikanern, die ist ja also kapitalistisch…", wie man dann halt so überschießend spricht.
Nachher, 1948, als wir Abitur gemacht hatten, kam ja kurz danach die Blockade. Dann haben wir uns auch völlig aus den Augen verloren. Die einen lebten eben im Osten, dort Karriere gemacht. Wir waren eben westlich geprägt.
Das war, glaub ich, relativ früh auch schon so vom täglichen Leben her bemerkbar. Also, Berlin war eigentlich auch schon - zumindest im Großen - zweigeteilt, der Ostsektor und die drei Westsektoren. Wir hatten natürlich im Osten, bedingt durch Bert Brecht im Berliner Ensemble, der ja auch großartige Sachen…, ja alles. Aber das wurde eigentlich gar nicht wahrgenommen. Man war entweder sehr westlich geprägt oder sehr östlich geprägt.
Und dann gab es ja, als die Blockade kam… Wir hatten ja noch Lebensmittelkarten im Westen. Wenn man in den Osten gegangen wäre, hätte man da auch Lebensmittelkarten bekommen, bessere oder andere oder mehr. Das ist ja von den Berlinern überhaupt nicht wahrgenommen (worden), zu einem ganz, ganz kleinen Prozentsatz nur. Wir hatten ja dann auch noch dieses Ost- und Westgeld. Das war hier schon in Berlin relativ früh und vielleicht stärker als sonst irgendwo doch hier zu spüren - diese Konfrontation Ost und West.
Verhältnis zu den Amerikanern
Es gab ja für die Kinder auch keinen Sport und nichts. Und das muss so 47 gewesen sein, dass Jugendoffiziere oder so was in die Schulen kamen. Und da bildeten sich dann Sportgruppen… und dass dann die Schulklassen oft sogar mit dem Jeep abgeholt wurden und zu dem Sportplatz gefahren (sind) und konnten da Sport machen. Und diese Offiziere oder Soldaten, da gehörte jedenfalls auch ein Master Sergeant Bus (?), also, ein Wohltäter der Menschheit. Und außerdem hatte er eine "english discussion group" gegründet. Da brachte er amerikanische Zeitungen mit und dann sollten wir das eben lesen, also, für das Volk, durch das Volk und mit dem Volk. Und diese demokratischen Werte hat er uns eben versucht zu vermitteln.
Weihnachten, das fanden die zu schön. Ja, dann mussten wir Weihnachtslieder singen. Und da haben wir amerikanische Weihnachtslieder gesungen und deutsche Weihnachtslieder. Und dann brachte er für jeden diese Candys mit, Konfekt mit oder was. Aber vor allen Dingen hat er nun gesehen, wie abgerissen die Kinder waren, die jung waren. Da hat er unter seinen Soldaten gesammelt und kam also wirklich wie Knecht Ruprecht mit Riesensäcken voller Schuhen an. Die Amerikaner, wenn der Schnürsenkel zerrissen ist, haben die die Schuhe weggetan. Und dann wurden die bei uns auf dem Flur aufgestellt und die Kinder konnten sich alle Schuhe aussuchen. Und ich hab von ihnen meine ersten Nylons und das erste Stück Lux-Seife bekommen.
Entnazifizierung
Zunächst bestand natürlich die Entnazifizierung hier. Aber die ist so schnell, selbst hier in Berlin, eingeschlafen und wurde nicht mehr groß verfolgt. Ich kannte mich sehr, sehr gut aus der Justiz, der ich ja mal angehört habe, weil man praktisch alle brauchte oder alle ja darauf ausgerichtet waren, einen Kulturkampf - oder wie wollen Sie das bezeichnen - gegen den Osten zu bestehen. Und die Entnazifizierung oder die Nazis spielten da keine Rolle. Aber das war bedingt durch die politischen Großwetterlagen, dass es eben da so ein bisschen mit untergegangen ist, weil wir ja nicht nur diese Kräfte hatten, die dafür infrage gekommen wären, sondern die anderen ja alle auch irgendwie unterbringen musste. Ich weiß, dass mein Vater, der war ja nun Leiter eines Amtes, gerade auch seinem Stellvertreter doch immer sehr distanziert gegenüber gestanden hat, weil man halt nicht wusste, mit wem man es zu tun hatte.
Jüdisches Leben nach dem Krieg
Dann gab es da eine Synagoge, die einigermaßen in Takt war. Das war dann eigentlich so ein Sammelpunkt. Es gab ja eben auch jüdische amerikanische Soldaten, die da nun da erst mal ihren Service halten wollten oder wie auch immer. Und die Amerikaner, die zunächst sich erst mal um die Kinder gekümmert (haben), da weiß ich dann schon, dass die dann gesagt hatten, na ja, also, ob ihr Kinder, die stellten ja auch so Kindertransporte zusammen, nicht vielleicht nach - damals Palästina - wollten. Und das wollte mein Vater auf gar keinen Fall, denn er war kein Zionist. Der war ein typischer Deutscher.
Es gibt so einen Bonmot. Ich sage immer: Zu den besten Deutschen gehörten die preußischen Juden. Und in so einer Tradition stehe ich eigentlich.
Damals war das zu frisch, zu aktuell. Dieses Aufarbeiten, das konnte auch nach 45, da hatten die Leute alle andere Sorgen. Für ist immer noch so ein eigentlich sehr schreckliches Beispiel: Unsere juristische Fakultät, das war das anthroposophische Institut von diesem berüchtigten Verschuer, dessen Assistent Mengele war, KZ-Arzt in Auschwitz. Und das war das Gebäude, in dem wir unsere ersten juristischen Vorlesungen hatten.
Na ja, das war auch so ein bisschen mein Vater. Der hatte immer doch noch Sorge. Also, man hat sich vielleicht nicht so bewusst geoutet. Sie fragen ja auch keinen anderen Menschen, ob der katholisch oder evangelisch ist. Es war zwar irgendwie persönliche Geschichte. Aber wissen Sie, in dieser Nachkriegszeit - viele hatten ihre Väter verloren oder waren zum Teil auf der Flucht umgekommen, so dass ich denke, dass da eben die Zeit das erst richten wird.
Gründung der Freien Universität
Wer nun studieren wollte, da gab es ja nur die Humboldt Universität, da waren ja nun die Russen wieder. Und da war natürlich immer nur vorrangig, wer zu einem Arbeiter- und Bauerkind gehörte. Und da ja meistens jedenfalls die Kinder studieren, deren Eltern vielfach, die zumindest aus einem kaufmännischen Beruf kommen oder so, die hatten dann gar keine Chance. Da kam es ja ziemlich bald zu einer großen Konfrontation, dass Studenten von der Humboldt Universität relegiert wurden. Wir waren ja nur 18 bis 20. Also, jedenfalls kam aus diesem Studentenkreis der Gedanke, die Idee, eine Universität im Westteil der Stadt zu gründen, die sich eben Freie Universität nannte. Mein Mann und ich, wir waren mehr das Fußvolk. Ich habe geschrieben, habe Listen geschrieben. Man hatte keine Fotokopierer nichts, und keiner konnte was verschicken. Dann wollten wir doch einen Politiker oder Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Berlins dafür interessieren. Und dafür mussten ja auch irgendwelche Einladungen geschrieben werden und so was alles. Also, mit diesen Dingen wurde ich mehr betraut.
Und dann kam aber so ein Aufruf, ja, wer nun irgendwelche Bücher, Sachen hätte, die er nicht mehr bräuchte, der möchte sich melden. Telefon gab's ja dann Gott sei Dank schon. Und dann gab's wieder eine Gruppe von werdenden Studenten. Die sind dann rumgefahren, zum Teil mit dem Fahrrad - Bücher. Vielfach war das von alten Damen, wo die Männer nicht zurückgekommen waren oder so. Die Geschichte ist immer, dass mein Mann da mit einem Skelett auf dem Fahrrad durch Berlin gefahren ist, weil eine Dame das zur Verfügung gestellt hatte. So haben wir angefangen. Ja.
Die Kultur lebt wieder auf
Neue Bücher, glaub ich, noch kaum, aber Musik, Kino und vor allen Dingen Theater. "Die Fliegen" von Sartre, das gab es alles schon, noch als wir zur Schule gingen, um 47. Die Theater war(en) kalt. Man hatte ja nichts zum Heizen in diesen ersten Jahren. Sie müssen sich da nicht vorstellen, dass es da Kohlen und Holz gab. Wir haben uns da dick und warm angezogen. Und die Decke war kaputt. Da hatte man Sackleinwand oder so Segeltuch gezogen. Es war kalt. Aber wissen Sie, das war ja auch eine Abwechslung. Und dann gab es nachher für Schüler und Studenten ermäßigte Karten. Die kamen vielleicht ne Mark oder so. Das war an und für sich erschwinglich. Ich weiß zwar, dass mein Mann auch auf dem Schwarzmarkt seine Briefmarkensammlung und Bücher verkauft hat und davon dann Theaterkarten gekauft hat. Also, man gab die eine Kultur weg, die Bücher, und hat dafür Theaterkarten gekauft.
SPD und SED
Ich weiß, dass in den ersten Nachkriegsjahren, als ich ja noch zur Schule ging - ich habe 48 Abitur gemacht -, dass bei uns im Haus eine Familie lebte, die der SPD zuneigte, und dass da Zusammenkünfte stattfanden von ehemaligen SPD-Mitgliedern aus Neukölln, die ja mein Vater nun auch zum Teil kannte. Da waren also ganz bekannte Namen bei, die dann nachher aber im Zuge der Vereinigung der SED beigetreten sind, mein Vater dagegen nicht. Ich habe zum Teil dann sogar selber Flugblätter für die SPD in den Haushalten mit verteilt, als es zu den Wahlen ging.