Éric Zemmours Wahlkampf

Rhetorische Parallelen zu Hitler und Trump

05:44 Minuten
Der französische Politiker Eric Zemmour
Gefährlich durch Rhetorik: Der rechtsextreme französische Politiker Eric Zemmour verharmlost den Holocaust und will Migranten abschieben. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Von Léonardo Kahn |
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Cécile Alduy hat die Sprache von Éric Zemmour analysiert, der gerade als rechtsextremer Kandidat den Wahlkampf um die französische Präsidentschaft aufmischt. Die Semiologin wirft Zemmour "kriegsähnliche Rhetorik" vor.
Éric Zemmour hat ein Faible für autoritäre Persönlichkeiten, betont die Politologin Cécile Alduy. Alduy lehrt an der Stanford University französische Literatur- und Gesellschaftsforschung und hat für ihr sprachwissenschaftliche Pamphlet "La langue de Zemmour" die Sprache des Politikers analysiert.

Erkenntnisse Victor Klemperers als Schlüssel

Um die Reden des rechtsextremen Kandidaten zu untersuchen, stützt sie sich auf die wissenschaftlichen Arbeiten des deutschen Philologen Victor Klemperer. Der Literaturwissenschaftler erforschte in der Nachkriegszeit die Sprache des Dritten Reiches – das mächtigste Propaganda-Mittel des NS-Regimes.
„Klemperer erwies sich schnell als wichtiger Forscher, um Eric Zemmour zu verstehen. Er beschreibt detailgetreu, wie die Sprache des Dritten Reiches in die Köpfe der Bürger eingedrungen ist.“ Cécile Alduy zufolge gibt es etliche Überschneidungen zwischen dem Diskurs von Eric Zemmour und der Sprache des Dritten Reiches.
Die Sprachwissenschaftlerin bezieht sich auf Zemmours letztes Essay-Buch „La France n’a pas dit son dernier mot“ („Frankreich ist noch nicht am Ende“). Darin beschreibt der Präsidentschaftskandidat einen Spaziergang durch die leergefegten Straßen von Paris. Es ist März 2020, die Hauptstadt steht unter einem strengen Lockdown und Eric Zemmour schreibt, er fühle sich wie Adolf Hitler während der Besatzung von Paris im Jahr 1940.

Erfolge durch gefühlsauslösende Phrasen

Éric Zemmour schreibt aus der Perspektive von Hitler und inszeniert sich als Bezwinger Frankreichs.“ Die obszöne Bildsprache des Kandidaten sei einer der Gründe, warum er sich fortdauernd im öffentlichen Diskurs hält, so Cécile Alduy. Seine Phrasen seien dazu da, Gefühle auszulösen: Angst und Wut bei seinen Sympathisanten – Abscheu und eine groteske Faszination bei seinen Gegnern.
„Man wird in seine Welt hineingezogen, als wäre man im Theater – eine Katharsis, bei der sich jeder nur emotional verhalten kann, und sei es bloß mit Abscheu! Also selbst diejenigen, die nicht mit Éric Zemmour einverstanden sind, werden von ihm gelähmt. Seine Falschaussagen sind so schlimm, dass man nicht mal weiß, wie man darauf antworten soll. Es gibt hier keine Ebene für eine rationale, faktenorientierte Diskussion.“

Wortschatz der Nationalsozialisten

In seinen Wahlkampf-Auftritten relativiert Éric Zemmour unter anderem die Deportationen der Juden unter dem Vichy-Regime der 1940er-Jahre, verharmlost die Gräueltaten während der französischen Kolonialzeit und verspricht die Abschiebung von hunderttausenden Migranten.
Cécile Alduy hat die Kolumnen und Reden des Kandidaten aus den letzten 15 Jahren auch quantitativ untersucht. Seit 2006 verwendete Éric Zemmour das Wort „Rasse“ insgesamt 135-mal in seinem Diskurs. Die rechtspopulistische Konkurrentin Marine Le Pen hingegen benutzte es nur zweimal in ihrer gesamten Karriere als Politikerin. Das Adjektiv „jüdisch“ ist auf Platz 16 seiner meist benutzten Vokabeln. Die Adjektive „arabisch“, „weiß“, „katholisch“ und „muslimisch“ gebraucht Zemmour häufiger als „sozial“ oder „wirtschaftlich“.

Taktik der Wiederholung zur Verharmlosung

Die ständige Wiederholung der Wörter ist zentraler Bestandteil seiner Rhetorik, erklärt die Politologin Cécile Alduy. "Je häufiger er seine Aussagen wiederholt, desto mehr gewöhnt man sich daran und am Ende denkt man sich: 'Na ja, wenn es nie hinterfragt wird, dann muss dahinter auch ein Funken Wahrheit stecken.'" 
Der rechtsextreme Kandidat Zemmour bezieht sich auch auf die Verschwörungstheorie vom Großen Austausch. Gemeint ist, dass die französische Bevölkerung von einer muslimischen Minderheit ersetzt werde. Er fordert die Franzosen zum Kampf auf. Diese Präsidentschaftswahl sei ihre letzte Gelegenheit, das Land vor dem gesellschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren.

Erweiterte Trump'sche Strategie

Wegen seiner xenophoben Rhetorik wird Éric Zemmour in der ausländischen Presse oft als eine französische Variante des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump dargestellt. Doch die Stanford-Professorin Cécile Alduy warnt vor Ungenauigkeiten. 
„Beide haben die gleiche Ideologie und die gleiche Medienstrategie. Sie erzählen Ungeheuerlichkeiten und bringen Vokabeln in den Umlauf, die eigentlich im politischen Sprachgebrauch Tabu sind. Aber Éric Zemmour hat einen akademischen, literarischen Stil mit zahlreichen Kulturreferenzen, während Donald Trump einen hyper-vereinfachenden Ansatz hat und einsilbige Wörter verwendet.“

Sprache, die eigenes Denken verhindert

Alduy zufolge nutzt Éric Zemmour seinen Ruf als Intellektueller als Deckmantel. Hinter seiner eloquenten Sprachgewandtheit würden sich jedoch vor allem Emotionen verbergen: Wut, Angst und Gewalt, was jedes selbständige Denken verhindere.
„Für mich ist die Sprache ein kollektiver Schatz, der uns beim Denken hilft. Wörter haben nicht nur eine nützliche Funktion, um dieses oder jenes zu bezeichnen, sondern enthalten auch Gedanken-Konzepte.“ 
Éric Zemmour lasse diesen Aspekt der Sprache verkümmern, schreibt Cécile Alduy. Zemmour würde Wörter wie Waffen nutzen. Waffen, die er zu allererst gegen die Sprache selbst richte.

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