Zensur beim Filmfestival Durban
Mit einem Eklat war am Donnerstag das diesjährige Filmfestival in Durban gestartet: Die staatliche Regulierungsbehörde hatte die Freigabe des Eröffnungsfilms verweigert. Filmschaffende fühlen sich an die Zeit der Apartheid erinnert.
Sprachlosigkeit zu Beginn des Internationalen Filmfestivals in Durban. Das Publikum sitzt wie erstarrt in den Kinosesseln, der Festivaldirektor kämpft mit den Tränen. Die Leinwand bleibt leer, bis auf einen Schriftzug, dass der Eröffnungsfilm "Of Good Report" nicht gezeigt werden darf. Die staatliche Regulierungsbehörde hat die Freigabe verweigert. Es ist das erste Mal seit der demokratischen Wende vor 20 Jahren, dass am Kap ein Spielfilm zensiert wird. Regisseur Jahmil XT Qubeka ist fassungslos.
Gerade noch hatten die Zuschauer ein Geburtstagsständchen für Nelson Mandela gesungen, doch jetzt fühlen sich viele zurückversetzt in die bleierne Zeit der Apartheid. Zum Beispiel Regisseur Andrew Worsdale, dessen regimekritischer Film "Shot Down" Ende der 80er-Jahren verboten worden war.
"Es war ein surrealer Moment. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass heutzutage wieder Filme zensiert werden. Wir haben schließlich eine der liberalsten Verfassungen der Welt. Es ist ein Armutszeugnis für die Regierung, die offenbar nicht darüber nachgedacht hat, was für ein Signal sie damit aussendet. Es zeigt ihre Engstirnigkeit, die sich nicht von der des Apartheid-Regimes unterscheidet. Das ist nicht nur besorgniserregend, sondern auch eine Herabwürdigung der Menschen, um die es in dem Film geht."
"Of Good Report" greift ein Thema auf, das Südafrika auf den Nägeln brennt - Mädchen, die von ihren Lehrern missbraucht werden, die enorm hohe Zahl von Teenagerschwangerschaften, die ausufernde sexuelle Gewalt im Land. Qubekas Frau behandelt diese Opfer jeden Tag als Ärztin in einem Krankenhaus. Der Film wird aus der Täterperspektive erzählt; ein verstörendes Psychogramm, ästhetisch angelehnt an die Film-Noir-Tradition. Ein anspruchsvoller, düsterer Film, der eine wichtige gesellschaftliche Debatte anstoßen könnte. Wäre da nicht die Zensur. Die Behörde argumentiert, der Film enthalte eine kinderpornografische Szene und sei deshalb nicht freigegeben worden. Regisseur Jahmil XT Qubeka beschreibt sie kopfschüttelnd so:
"Es beginnt damit, dass der Protagonist in einer Kneipe ein Mädchen kennenlernt. Sie ist 16, aber das weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie spricht ihn an, eine Lolita, die weiß, wie sie auf Männer wirkt. Die beiden landen im Bett, er befriedigt sie oral. Ich zeige das nicht auf pornografische Weise, sondern als Liebesszene. In der nächsten Einstellung sieht man ihn im Klassenzimmer. Er denkt gerade an die letzte Nacht, als sie in Schuluniform den Raum betritt. Das war der Punkt an dem für unsere Gedankenpolizei klar war: Hier geht es um Kinderpornografie. Zensiert."
Offensichtlich steht die südafrikanische Regulierungsbehörde mit dieser Einschätzung allein da. International war das Interesse an dem Film schon vor der gescheiterten Weltpremiere in Durban groß: "Of Good Report" ist zu mehreren hochkarätigen Filmfestivals eingeladen; nach Toronto, Rotterdam und Dubai. Zuhause haben die Festivalleitung und das Produzententeam bereits Berufung eingelegt und wollen den Fall notfalls bis vors Verfassungsgericht bringen.
Denn es geht um mehr als nur diesen Film. Die Branche verteidigt ihr Recht auf künstlerische Freiheit, betont Sara Blecher, Regisseurin und Jury-Mitglied beim Filmfestival in Durban.
"Der Druck auf Filmemacher hat in Südafrika deutlich zugenommen. Zu Beginn der Demokratie vor 20 Jahren war die Freiheit noch groß, nun aber gibt es eine Entwicklung zu stärkerer Kontrolle. Früher war es das christlich-nationale Apartheidregime, heute ist es die Regierungspartei ANC. Wenn man nicht ihrem moralischen und politischen Kurs entspricht, oder wenn ihnen das Thema nicht passt, dann hat man es schwer, seinen Film zu realisieren. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit von staatlichen Fördermitteln groß, es gibt nur wenig Alternativen. Viele gehen also Kompromisse ein. Das ist sehr traurig, denn Kunst ist dann am besten, wenn sie die Situation eines Landes kritisch reflektiert, so wie Jahmils Film."
Es ist nicht der erste Fall einer direkten Einflussnahme der Regierung: Am schlagzeilenträchtigsten war im vergangenen Jahr die Kontroverse um das Porträt "The Spear". Künstler Brett Murray malte Südafrikas Präsident Jacob Zuma in Lenin-Pose mit offener Hose und heraushängendem Geschlechtsteil. Wütende Proteste von Zuma-Anhängern und der Druck der Regierung zwang die renommierte "Goodman Gallery" dazu, das Bild abzuhängen. Durbans Filmfestivalmanager Peter Machen spricht von einem wachsenden Einfluss einer konservativen, fundamentalistisch-christlich geprägten politischen Elite in Südafrika.
"Ich merke, dass die Angst vor Zensur unter Künstlern zugenommen hat. Die Zensur von 'A Good Report' bildet für meinen Begriff nur die Spitze eines Eisbergs. Es ist also Zeit, dass wir uns wehren. Es geht um mehr als die Kunst, um mehr als die Meinungsfreiheit. Diese Entwicklung betrifft ganz direkt das Umfeld, in dem wir leben. Wenn die Zensur und die Angst davor sich in unsere Gesellschaft noch breiter macht, dann fallen wir zurück in eine gefilterte, zensierte Realität. So wie zu Zeiten der Apartheid. Und dahin möchte ich nie wieder zurück."
Die Zensur des Eröffnungsfilms beim Internationalen Filmfestival in Durban hat insofern auch etwas Positives: Sie stößt eine längst überfällige Debatte über Meinungsfreiheit, die Rolle der Kunst und den Zustand der jungen Demokratie an.
Gerade noch hatten die Zuschauer ein Geburtstagsständchen für Nelson Mandela gesungen, doch jetzt fühlen sich viele zurückversetzt in die bleierne Zeit der Apartheid. Zum Beispiel Regisseur Andrew Worsdale, dessen regimekritischer Film "Shot Down" Ende der 80er-Jahren verboten worden war.
"Es war ein surrealer Moment. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass heutzutage wieder Filme zensiert werden. Wir haben schließlich eine der liberalsten Verfassungen der Welt. Es ist ein Armutszeugnis für die Regierung, die offenbar nicht darüber nachgedacht hat, was für ein Signal sie damit aussendet. Es zeigt ihre Engstirnigkeit, die sich nicht von der des Apartheid-Regimes unterscheidet. Das ist nicht nur besorgniserregend, sondern auch eine Herabwürdigung der Menschen, um die es in dem Film geht."
"Of Good Report" greift ein Thema auf, das Südafrika auf den Nägeln brennt - Mädchen, die von ihren Lehrern missbraucht werden, die enorm hohe Zahl von Teenagerschwangerschaften, die ausufernde sexuelle Gewalt im Land. Qubekas Frau behandelt diese Opfer jeden Tag als Ärztin in einem Krankenhaus. Der Film wird aus der Täterperspektive erzählt; ein verstörendes Psychogramm, ästhetisch angelehnt an die Film-Noir-Tradition. Ein anspruchsvoller, düsterer Film, der eine wichtige gesellschaftliche Debatte anstoßen könnte. Wäre da nicht die Zensur. Die Behörde argumentiert, der Film enthalte eine kinderpornografische Szene und sei deshalb nicht freigegeben worden. Regisseur Jahmil XT Qubeka beschreibt sie kopfschüttelnd so:
"Es beginnt damit, dass der Protagonist in einer Kneipe ein Mädchen kennenlernt. Sie ist 16, aber das weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie spricht ihn an, eine Lolita, die weiß, wie sie auf Männer wirkt. Die beiden landen im Bett, er befriedigt sie oral. Ich zeige das nicht auf pornografische Weise, sondern als Liebesszene. In der nächsten Einstellung sieht man ihn im Klassenzimmer. Er denkt gerade an die letzte Nacht, als sie in Schuluniform den Raum betritt. Das war der Punkt an dem für unsere Gedankenpolizei klar war: Hier geht es um Kinderpornografie. Zensiert."
Offensichtlich steht die südafrikanische Regulierungsbehörde mit dieser Einschätzung allein da. International war das Interesse an dem Film schon vor der gescheiterten Weltpremiere in Durban groß: "Of Good Report" ist zu mehreren hochkarätigen Filmfestivals eingeladen; nach Toronto, Rotterdam und Dubai. Zuhause haben die Festivalleitung und das Produzententeam bereits Berufung eingelegt und wollen den Fall notfalls bis vors Verfassungsgericht bringen.
Denn es geht um mehr als nur diesen Film. Die Branche verteidigt ihr Recht auf künstlerische Freiheit, betont Sara Blecher, Regisseurin und Jury-Mitglied beim Filmfestival in Durban.
"Der Druck auf Filmemacher hat in Südafrika deutlich zugenommen. Zu Beginn der Demokratie vor 20 Jahren war die Freiheit noch groß, nun aber gibt es eine Entwicklung zu stärkerer Kontrolle. Früher war es das christlich-nationale Apartheidregime, heute ist es die Regierungspartei ANC. Wenn man nicht ihrem moralischen und politischen Kurs entspricht, oder wenn ihnen das Thema nicht passt, dann hat man es schwer, seinen Film zu realisieren. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit von staatlichen Fördermitteln groß, es gibt nur wenig Alternativen. Viele gehen also Kompromisse ein. Das ist sehr traurig, denn Kunst ist dann am besten, wenn sie die Situation eines Landes kritisch reflektiert, so wie Jahmils Film."
Es ist nicht der erste Fall einer direkten Einflussnahme der Regierung: Am schlagzeilenträchtigsten war im vergangenen Jahr die Kontroverse um das Porträt "The Spear". Künstler Brett Murray malte Südafrikas Präsident Jacob Zuma in Lenin-Pose mit offener Hose und heraushängendem Geschlechtsteil. Wütende Proteste von Zuma-Anhängern und der Druck der Regierung zwang die renommierte "Goodman Gallery" dazu, das Bild abzuhängen. Durbans Filmfestivalmanager Peter Machen spricht von einem wachsenden Einfluss einer konservativen, fundamentalistisch-christlich geprägten politischen Elite in Südafrika.
"Ich merke, dass die Angst vor Zensur unter Künstlern zugenommen hat. Die Zensur von 'A Good Report' bildet für meinen Begriff nur die Spitze eines Eisbergs. Es ist also Zeit, dass wir uns wehren. Es geht um mehr als die Kunst, um mehr als die Meinungsfreiheit. Diese Entwicklung betrifft ganz direkt das Umfeld, in dem wir leben. Wenn die Zensur und die Angst davor sich in unsere Gesellschaft noch breiter macht, dann fallen wir zurück in eine gefilterte, zensierte Realität. So wie zu Zeiten der Apartheid. Und dahin möchte ich nie wieder zurück."
Die Zensur des Eröffnungsfilms beim Internationalen Filmfestival in Durban hat insofern auch etwas Positives: Sie stößt eine längst überfällige Debatte über Meinungsfreiheit, die Rolle der Kunst und den Zustand der jungen Demokratie an.