Schweitzers „Urwald-Hospital“ droht das Aus
Der Fortbestand des von Albert Schweitzer gegründeten weltberühmten Tropenkrankenhauses in Lambaréné (Gabun) ist gefährdet. Die finanzielle Lage ist prekär, ein Tropensturm hat viele Gebäude beschädigt. Roland Wolf vom Stiftungsrat der Klinik hofft dennoch, dass es weitergeht.
Der Fortbestand des von Albert Schweitzer gegründeten weltberühmten Urwald-Krankenhauses in Lambaréné steht auf der Kippe, warnt Roland Wolf vom Internationalen Stiftungsrat des Hospitals. "Ende März wissen wir noch nicht, wie wir über die Runden kommen", sagte Wolf im Deutschlandradio Kultur über die finanziellen Probleme des 1913 gegründeten Hospitals.
Subventionen drastisch gekürzt
Angesichts der chronischen Unterfinanzierung sei aktuell Ende Februar noch nicht klar, ob Ende März die Löhne der 250 Mitarbeiter bezahlt werden könnten. Im Haushalt des Krankenhauses fehlten bereits rund 500.000 Euro. Als Grund für die finanziellen Probleme des Krankenhauses, das sich in Trägerschaft einer internationalen Stiftung befindet, nannte Wolf die bereits vor einem Jahr drastisch gekürzten Subventionen des Staates Gabun. Dieser habe angesichts gesunkener Staatseinnahmen durch den sinkenden Erdölpreis vertraglich vereinbarte Zuwendungen um gut die Hälfte gekürzt. Aktuell habe die Situation zudem ein Tropensturm verschärft, der schwere Sachschäden an Gebäuden verursacht habe, erklärte Wolf.
Er gehe aber davon aus, dass sich eine Schließung noch abwenden lässt, da das Hospital für den zentralafrikanischen Staat ein internationales Vorzeigeprojekt sei, so Wolf weiter. In den 1970er-Jahren habe Gabun schon einmal eine drohende Schließung des Hauses verhindert. Er hoffe nun erneut auf staatliche Unterstützung, auch da Gabun die Klinik auf die Unesco-Liste des Weltkulturerbes stellen lassen will.
Lambaréné steht noch immer für gelebte Humanität
Das Albert-Schweizer-Hospital sei eine lebendige Erinnerung an Schweitzers Zeit, erklärte Wolf weiter. Auch im heutigen Neubau aus den 1980er-Jahren werde weiter im Geiste des deutsch-französischen Arztes und Philosophen und im Sinne der Schweitzerschen Lehre der Ehrfurcht vor dem Leben gearbeitet. "Dort ist der Geist Schweitzers insofern noch lebendig, dass wir Leute erst behandeln und dann nach dem Geld fragen", sagte Wolf. Im Unterschied dazu würden in den normalen Krankenhäusern in Gabun viele Menschen abgewiesen, die nicht im Stande sind, ihre medizinische Behandlung zu bezahlen.
Das vollständige Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Wer Tropenkrankenhaus sagt, der muss eigentlich gleichzeitig Lambarene denken! 1913 von Albert Schweitzer und seiner Frau Helene gegründet, ist das Hospital sozusagen das Synonym für medizinische Entwicklungshilfe. Und die Bilder, die tragen bis heute: Der weiße Mann mit dem weißen Hemd und den weißen Haaren hält zärtlich lächelnd ein schwarzes Baby. Das Problem ist nur, dass Lambarene vom Mythos allein nicht existieren kann. Das Hospital steht am Rand des Ruins und weiß heute, am 27. Februar, noch nicht so genau, womit man am 1. März die Gehälter bezahlen soll. Roland Wolf geht das besonders nahe, er sitzt im Vorstand des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schw eitzer-Hospital in Lambarene. Guten Morgen, Herr Wolf!
Roland Wolf: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Warum ist die Situation so prekär, dass man eben womöglich am nächsten Ersten die Löhne und Gehälter nicht auszahlen kann?
"Ein riesiger Schuldenberg ist entstanden"
Wolf: Nun, es gibt eine ganz akute Sorge und eine langfristige. Die akute ist, dass in der letzten Woche ein großes Tropengewitter über das Spital hereingebrochen ist, und die Sturmböen haben eine ganze Reihe von Dächern abgedeckt. Es sind Bäume entwurzelt worden, die auf Häuser gefallen sind, es sind also relativ große Sachschäden entstanden, Gott sei Dank keine Personenschäden. Und das ist natürlich jetzt eine große Belastung für das Spital, auch insofern, als das Spital schon generell, wie Sie schon sagten, unter Geldknappheit leidet. Da muss ich ein bisschen ausholen in die Vergangenheit: Gabun ist Mitte der 70er-Jahre dazugekommen als Geldgeber, während Schweitzer alles alleine finanziert hat, da gab es keine staatlichen Beihilfen. Und Gabun ist also seit Mitte der 70er-Jahre dabei und hat sich damals verpflichtet, die Lücke zwischen den Bedürfnissen des Spitals und den Hilfsgeldern aus Europa zu decken. Und das ist jetzt schon lange nicht mehr der Fall und insofern ist ein riesiger Schuldenberg entstanden und das Spital ist chronisch unterfinanziert. Und jetzt kommt noch der Erdölpreisverfall dazu. Das heißt, Gabun hat vor ein, zwei Jahren noch mit 100 Dollar pro Fass gerechnet bei seinem Haushalt, mittlerweile liegt der Preis bei etwa 30 Dollar. Die Staatseinnahmen sind gesunken und sie haben auch die Subvention des Krankenhauses ganz entscheidend gekürzt, um die Hälfte. Das sind also etwa, ja, über 500.000 Euro, die uns im letzten Jahr gefehlt haben.
Welty: Würden Sie am Ende sagen … Oder gehen Sie so weit zu sagen, dass das legendäre Krankenhaus in Gefahr ist, geschlossen zu werden?
UNESCO-Weltkulturerbe?
Wolf: So weit ist es noch nicht, es sollte schon mal Mitte der 70er-Jahre geschlossen werden und da hat Gabun also eine große Anstrengung gemacht, um es nicht schließen zu lassen. Denn schließlich ist es eines der Vorzeigeprojekte in Gabun und Gabun will es sogar unter UNESCO-Weltkulturerbe-Schutz stellen im Moment. Und ich glaube nicht, dass in dieser Situation Gabun das Krankenhaus schließen wird.
Welty: Wie sieht denn der Krankenhausalltag in Lambarene inzwischen aus? Ist das noch das Hospital für die Ärmsten der Armen, das sich unter anderem mit seiner Lepra-Station hervorgetan hat?
Wolf: Also, das Lepra-Dorf existiert noch, aber von den ehemals Hunderten von Lepra-Kranken zu Schweitzers Zeit sind heute noch etwa zehn ehemalige Lepra-Kranke übriggeblieben, die Krankheit ist zum Stillstand gekommen, sie leiden an anderen Krankheiten. Aber es ist noch eine lebendige Erinnerung an Schweitzers Zeit. Der Hauptbetrieb spielt sich natürlich im aktuellen Spital ab, das nicht mehr in den Mauern des ehemaligen Spitals ist, sondern ein Neubau aus Anfang der 80er-Jahre. Aber dort ist der Geist Schweitzers insofern noch lebendig, als wir im Sinne Schweitzers Leute erst behandeln und dann nach dem Geld fragen. Das ist also etwas völlig anderes als in den normalen Krankenhäusern von Gabun, wo viele Leute abgewiesen werden, die die Behandlung oder den Vorschuss nicht bezahlen können. Und bei uns …
Welty: Ist aber nicht medizinisches, na, wie soll ich sagen, Gebot?
"Die Ehrfurcht vor dem Leben"
Wolf: Nein, ist es nicht. Aber für uns ist es die Ehrfurcht vor dem Leben, die Schweitzer in seinem Spital praktiziert hat. Und es ist für uns selbstverständlich, dass wir helfen, vor allem in Notfällen, aber auch generell, und dann hinterher versuchen, das Geld von den Kranken zu bekommen. Was nur teilweise geschieht.
Welty: Wann haben Sie begonnen, sich für Schweitzer und für Lambarene zu begeistern? Und sich auch zu engagieren?
Wolf: Also, ich hatte das Glück, dass ich sechs Jahre in Gabun arbeiten konnte, im Lehrberuf damals. Und ich bin in diesen Jahren zum ersten Mal in Kontakt mit dem Schweitzer-Spital gekommen, habe mich dann im Deutschen Hilfsverein engagiert und der Hilfsverein hat mich Ende 1996 in den Verwaltungsrat des Spitals geschickt. Und dort bin ich seitdem tätig und habe deshalb auch relativ gute Informationen über die Entwicklung und den aktuellen Zustand des Spitals.
Welty: Was bewegt Sie in diesen Tagen besonders?
Wolf: Ja, ich denke natürlich an unser Personal, das ganz stark gefordert ist. Im öffentlichen Krankenhauswesen Gabuns gibt es seit Wochen einen Streik, weil die Angestellten dort höhere Löhne und besser Arbeitsbedingungen fordern. Wir im Schweitzer-Spital streiken nicht, das heißt, wir werden auch dann die Patienten übernehmen müssen, die im Regierungsspital in Lambarene, das es ja auch gibt, abgewiesen werden. Und das ist natürlich eine Riesenbelastung für unser Personal. Und wenn man dann, wie Sie eingangs erwähnt haben, noch nicht sicher ist, dass wir die März-Löhne, also am Ende des Monats März zahlen können … Die Februar-Löhne werden jetzt noch in den nächsten Tagen bezahlt werden können, aber Ende März wissen wir noch nicht, wie wir da über die Runden kommen.
Welty: Roland Wolf engagiert sich von Deutschland aus für das Albert-Schweitzer-Hospital in Lambarene. Dafür Dank und auch für das Gespräch hier in "Studio 9"!
Wolf: Ich danke Ihnen, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.