Zentrale Stelle für Provenienzforschung

Ein gutes Projekt am falschen Ort

Der hessische Kunst- und Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU, l) eröffnet mit dem Direktor vom Museum Wiesbaden, Alexander Klar (r), die Zentrale Stelle für Provenienzforschung
Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU, links) eröffnet mit Alexander Klar vom vom Museum Wiesbaden die Zentrale Stelle für Provenienzforschung © dpa / picture alliance / Christoph Schmidt
Von Ludger Fittkau |
Nach dem Fall Gurlitt hat die verstärkte Suche nach NS-Raubgut in deutschen Museen und Privatsammlungen begonnen. Das neue Zentrum für Provenienzforschung des Landes Hessen soll Aufklärung leisten. Doch ist es wirklich neutral?
Bundesweit gibt es bisher nur 20 Provenienzforscher auf festen Stellen. Das hat die Kulturstiftung der Länder ermittelt. Deswegen ist grundsätzlich jede neue Stelle wichtig, die es möglich macht, ohne den Zeitdruck einer befristeten Anstellung auf die Suche nach Nazi-Raubgut zu gehen. In Hessen komplettiert Ulrike Schmiegelt-Rietig das zweiköpfige Team der neuen "Zentralen Stelle für Provenienzforschung" des Landes. Die 48 Jahre alte promovierte Kunsthistorikerin kommt von der Berliner Kulturstiftung der Länder. Dort erforschte sie zuletzt die Sammlungsgeschichte russischer Museen im Zweiten Weltkrieg. Die international bestens vernetzte Ulrike Schmiegelt-Rietig bildet nun in Wiesbaden ein Recherche-Duo mit der gleichaltrigen Historikerin Miriam Merz, die bereits seit 2010 Provenienzforschung für das dortige Landesmuseum betreibt. Boris Rhein, hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, verspricht sich viel vom neuen Provenienz-Forschungs-Duo des Landes:
"Es ist eine Geschichte, wo so viele Disziplinen zusammenkommen. Einmal Kunst, einmal Kultur- natürlich auch Historie. Und zum Dritten natürlich auch die Frage, wie geht man mit etwas um, was man Provenienz belastet gefunden hat? Wie restituiert man das? Und das kommt, finde ich bei den beiden Damen unglaublich gut zusammen. Und deswegen bin ich sehr stolz, dass es uns gelungen ist, beide auszuwählen. Beide sind wirklich deutschlandweit die Expertinnen und die haben wir jetzt in Hessen."
Die beiden Fachfrauen fahnden nun von ihrem Arbeitsplatz im Museum Wiesbaden aus auch in den anderen Landesmuseen in Hessen nach NS-Raubgut. Gesucht wird nun auch im nordhessischen Ausstellungsverbund mit dem Namen "Museumslandschaft Kassel" sowie im unlängst glänzend wiedereröffneten Landesmuseum in Darmstadt.
Provenienzforschung besser fest in universitären Strukturen verankern
Dennoch werden den beiden Expertinnen gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit einige inhaltliche Stolpersteine in den Weg gelegt. Denn das neue hessische Zentrum für Provenienzforschung erfüllt nicht die Kriterien, die die Berliner Kulturstiftung der Länder für Forschungsstellen dieser Art formuliert hat. Die Stiftung fordert nämlich, Provenienzforschung "fest in universitären Strukturen zu verankern". Schon allein deswegen, um für die zukünftigen Aufgaben auch genügend Forschernachwuchs ausbilden zu können. Noch zu vereinzelt existieren an kunsthistorischen Seminaren wie an der Freien Universität Berlin Ausbildungsangebote für dieses spezialisierte Arbeitsfeld, moniert die Länder-Stiftung. Und dies, obwohl Universitäten Provenzienzforschung weitaus unabhängiger betreiben können als die Museen selbst. Auch die hessischen Landesmuseen haben am Ende vor allem das Interesse, die NS-Raubkunst in ihrer Sammlung belassen zu können. Kunstminister Boris Rhein deutet an, wie das laufen könnte:
"Eine Möglichkeit wäre, eine Vereinbarung zu treffen: Wir stellen uns unserer Historie, wir stellen uns unserer Vergangenheit, machen darauf auch sehr deutlich im Museum aufmerksam, wenn wir ein solches Werk im Museum hängen haben – können es aber weiterhin bei uns ausstellen."
Ein unabhängiges wissenschaftliches Institut käme möglicherweise schneller zur Empfehlung, ein Bild zurückzugeben, als es mit einem Kommentar zu versehen und im Museumsbestand zu halten.
Im Stiftungsrat des Fritz-Bauer-Institutes an der Uni Frankfurt am Main war darüber diskutiert worden, ob die hessische Provenienzforschung dort angesiedelt werden könnte. Schließlich beschäftigt sich das Fritz-Bauer-Institut mit der Geschichte und Wirkung des Holocaust. Jutta Ebeling, ehemalige Frankfurter Bürgermeisterin der Grünen und Vorsitzende des Fördervereins des Fritz-Bauer-Instituts:
"Diese Provenienzforschung, da hat das Fritz-Bauer-Institut auch seine Unterstützung angeboten. Ich hätte es auch sinnvoll gefunden, es an der Universität anzusiedeln. Und nicht an einem Museum, weil die ja nun interessegeleitet sind und dieses Interessegeleitet sein möglicherweise auch manchmal den Blick verengt auf das, was man da erforscht."
Doch auch das Fritz-Bauer-Institut ist nicht ganz neutral. Zu den Trägern gehört neben der Stadt Frankfurt am Main wiederum das Land Hessen, dessen Bilder untersucht werden sollen. Um die Kriterien der Kulturstiftung der Länder für eine "gute" Provenienzforschung zu erfüllen, müsste man also ein anderes Uni-Institut finden. Doch jetzt ist erst einmal das Museum Wiesbaden am Zug. Boris Rhein, der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst will aber die Brücke von der neuen Forschungsstelle zur Wissenschaft nicht ganz abreißen:
"Dass man schon dann auch, wenn man einen größeren Überblick hat mal anschauen sollte, ob man nicht möglicherweise mit einer historischen Fakultät einer unserer Hochschulen die Geschichte noch breiter aufarbeitet. Und eben auch die Geschichte des Kunstraubs in Hessen darstellt. Wäre ein hochinteressantes Forschungsprojekt auch für unsere Hochschulen."
Doch gerade weil das so ist, fragt man sich, warum das neue Zentrum für Provenienzforschung nicht gleich an einer Uni angesiedelt wurde. Das bleibt ein zentraler Stolperstein für ein an sich löbliches Projekt.
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