Zentrum der Avantgarde
Anfang März 1912, eröffnete Herwarth Walden in Berlin seine Galerie "Der Sturm". Sie gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter des Expressionismus. Ihre wechselvolle Geschichte haben die Uni Düsseldorf und das Von der Heydt-Museum erforscht – das Ergebnis wird in der großen Wuppertaler Gedenk-Ausstellung präsentiert.
Sturm in Wuppertal: Werbefahnen für die Ausstellung flattern vor dem Von der Heydt-Museum kräftig im Wind. Doch eigentlich wird die gleichnamige Galerie und ihr Gründer Herwarth Walden stets mit Berlin assoziiert. Dennoch war Walden der Stadt im Bergischen Land eng verbunden – weil hier die Kunst der Moderne bereits Fuß gefasst hatte, aber auch aus Liebe. Grund genug für das Museum, sich des Themas anzunehmen, so Direktor Gerhard Fink:
"Der Galerist Herwarth Walden war verheiratet mit der berühmten Wuppertaler Dichterin Else Lasker-Schüler, und sie hat ihm ganz wesentliche Impulse gegeben für seine neue Galerie. Er hat zunächst eine Zeitschrift gegründet; da hatte sie sich schon sehr stark beteiligt, aber dann eben auch mit den Ideen für die Galerie. So hat also die Galerie 'Der Sturm' ihre Wurzeln in Wuppertal – damit kann man sagen: im Rheinland, in dieser rheinischen Kulturszene. Hier in Wuppertal waren die ersten Ausstellungen, die ersten musealen Ausstellungen von Kandinsky, Marc, Macke, auch von den Vorläufern des 'Blauen Reiter' und so weiter. Das hat Herwarth Walden, der Galerist, aufgegriffen und dann in seiner Galerie 'Der Sturm' in Berlin gezeigt."
Dort verschaffte er dem Expressionismus nationale Aufmerksamkeit. Von der "Sonderbund"-Ausstellung 1912 in Köln waren die Expressionisten noch abgelehnt worden, mit dem "Ersten Deutschen Herbstsalon" 1913 in Berlin feierten sie dann Triumphe. Walden zeigte in seiner Galerie alles, was neu und umstritten war. Die Liste der ausgestellten Künstler aus ganz Europa liest sich wie ein "Who is who" der Moderne: Sie reicht von Kokoschka, Chagall, Paul Klee, Robert Delaunay und Kurt Schwitters über die italienischen Futuristen bis zu russischen und deutschen Konstruktivisten wie Ivan Puni und Oskar Schlemmer. Binnen weniger Jahre entfaltete Walden trotz Geldmangels fieberhafte Aktivitäten, erläutert Andrea von Hülsen-Esch, Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Düsseldorf:
"Herwarth Walden hatte große Finanzierungs-Schwierigkeiten in den Anfängen. Er hatte Mäzene, die Künstler haben ihn finanziell unterstützt, und wirklich erstes Geld hat er eigentlich ab dem 'Deutschen Herbstsalon 1913' gemacht, in dem kurzen Zeitraum bis 1914. Dann brach alles ab. Aber es lässt sich beobachten, dass gerade die Zeit des Weltkrieges diejenige der größten Prosperität der Galerie war: Er gründete eine Sturm-Schule, einen Kunstbuch-Verlag, eine Buchhandlung, eine Bühne vor allen Dingen, und er stellte auch für alles die Künstler als Lehrer ein. Das ließ sich nur machen, weil er auch nachrichtendienstlich tätig war. Zusammen mit seiner Frau Nell Walden übersetzte er nach eigener Aussage Zeitungen aus dem Holländischen und Schwedischen für das Deutsche Reich. Die Zahlungen, die flossen sind aber so hoch, dass man vermuten muss, dass noch andere Leistungen damit verbunden waren."
Offenbar hat also die kaiserliche Regierung, indem sie ihren Agenten Walden für Spionagedienste bezahlte, der künstlerischen Moderne in Deutschland zum Durchbruch verholfen. Das zeigt das Museum anhand von Werken von rund 80 Künstlern, die alle einst in der Galerie zu sehen waren – übersichtlich nach Ausstellungsjahrgängen geordnet und kundig kommentiert. Nach Kriegsende sank allerdings Waldens Stern: Er subsumierte alles unter dem Oberbegriff "Expressionismus" und machte damit viele Künstler abspenstig, die er zuvor vertreten hatte. Fatal für den Galeristen wurde schließlich seine Begeisterung für den Kommunismus, erklärt Kunsthistorikerin von Hülsen-Esch:
"Walden schafft es dann nicht, an diese Prosperität anzuschließen. Ab 1919 mit der neuen künstlerischen Ausrichtung hat er auch immer wieder Schwierigkeiten, Ausstellungen zu finanzieren. Offenkundig wird das in Briefwechseln ab etwa 1925, wenn er auch die Transporte nicht mehr bezahlen kann und nur die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Ausstellungen werden weniger; die Zeitschrift erscheint immer sporadischer. Und er ist schließlich 1932 auch bankrott, als er dann nach Russland emigriert, wo er 1941 von Stalin verhaftet wird und kurze Zeit später stirbt."
Dieses traurige Ende mindert aber nicht seine Bedeutung für die Kunstgeschichte. Er war ein hyperaktiver Impresario, der nach Kräften die Idee vom Gesamtkunstwerk förderte und damit die Menschheit von Grund auf erneuern wollte. Dass seine utopischen Erwartungen in die Gräueltaten des Stalinismus mündeten – diese bittere Erfahrung teilte er mit vielen seiner Künstler. Insofern steht Waldens Schicksal exemplarisch für Wohl und Wehe der Klassischen Moderne.
Mehr zum Thema auf dradio.de:
Markenzeichen einer Epoche - 100 Jahre "Der Sturm", Interview mit der Kuratorin Antje Birthälmer (DKultur, Fazit)
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Die Ausstellung "Der Sturm – Zentrum der Avantgarde" ist vom 13.3. bis zum 10.6.2012 im Von der Heydt-Museum in Wuppertal zu sehen.
"Der Galerist Herwarth Walden war verheiratet mit der berühmten Wuppertaler Dichterin Else Lasker-Schüler, und sie hat ihm ganz wesentliche Impulse gegeben für seine neue Galerie. Er hat zunächst eine Zeitschrift gegründet; da hatte sie sich schon sehr stark beteiligt, aber dann eben auch mit den Ideen für die Galerie. So hat also die Galerie 'Der Sturm' ihre Wurzeln in Wuppertal – damit kann man sagen: im Rheinland, in dieser rheinischen Kulturszene. Hier in Wuppertal waren die ersten Ausstellungen, die ersten musealen Ausstellungen von Kandinsky, Marc, Macke, auch von den Vorläufern des 'Blauen Reiter' und so weiter. Das hat Herwarth Walden, der Galerist, aufgegriffen und dann in seiner Galerie 'Der Sturm' in Berlin gezeigt."
Dort verschaffte er dem Expressionismus nationale Aufmerksamkeit. Von der "Sonderbund"-Ausstellung 1912 in Köln waren die Expressionisten noch abgelehnt worden, mit dem "Ersten Deutschen Herbstsalon" 1913 in Berlin feierten sie dann Triumphe. Walden zeigte in seiner Galerie alles, was neu und umstritten war. Die Liste der ausgestellten Künstler aus ganz Europa liest sich wie ein "Who is who" der Moderne: Sie reicht von Kokoschka, Chagall, Paul Klee, Robert Delaunay und Kurt Schwitters über die italienischen Futuristen bis zu russischen und deutschen Konstruktivisten wie Ivan Puni und Oskar Schlemmer. Binnen weniger Jahre entfaltete Walden trotz Geldmangels fieberhafte Aktivitäten, erläutert Andrea von Hülsen-Esch, Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Düsseldorf:
"Herwarth Walden hatte große Finanzierungs-Schwierigkeiten in den Anfängen. Er hatte Mäzene, die Künstler haben ihn finanziell unterstützt, und wirklich erstes Geld hat er eigentlich ab dem 'Deutschen Herbstsalon 1913' gemacht, in dem kurzen Zeitraum bis 1914. Dann brach alles ab. Aber es lässt sich beobachten, dass gerade die Zeit des Weltkrieges diejenige der größten Prosperität der Galerie war: Er gründete eine Sturm-Schule, einen Kunstbuch-Verlag, eine Buchhandlung, eine Bühne vor allen Dingen, und er stellte auch für alles die Künstler als Lehrer ein. Das ließ sich nur machen, weil er auch nachrichtendienstlich tätig war. Zusammen mit seiner Frau Nell Walden übersetzte er nach eigener Aussage Zeitungen aus dem Holländischen und Schwedischen für das Deutsche Reich. Die Zahlungen, die flossen sind aber so hoch, dass man vermuten muss, dass noch andere Leistungen damit verbunden waren."
Offenbar hat also die kaiserliche Regierung, indem sie ihren Agenten Walden für Spionagedienste bezahlte, der künstlerischen Moderne in Deutschland zum Durchbruch verholfen. Das zeigt das Museum anhand von Werken von rund 80 Künstlern, die alle einst in der Galerie zu sehen waren – übersichtlich nach Ausstellungsjahrgängen geordnet und kundig kommentiert. Nach Kriegsende sank allerdings Waldens Stern: Er subsumierte alles unter dem Oberbegriff "Expressionismus" und machte damit viele Künstler abspenstig, die er zuvor vertreten hatte. Fatal für den Galeristen wurde schließlich seine Begeisterung für den Kommunismus, erklärt Kunsthistorikerin von Hülsen-Esch:
"Walden schafft es dann nicht, an diese Prosperität anzuschließen. Ab 1919 mit der neuen künstlerischen Ausrichtung hat er auch immer wieder Schwierigkeiten, Ausstellungen zu finanzieren. Offenkundig wird das in Briefwechseln ab etwa 1925, wenn er auch die Transporte nicht mehr bezahlen kann und nur die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Ausstellungen werden weniger; die Zeitschrift erscheint immer sporadischer. Und er ist schließlich 1932 auch bankrott, als er dann nach Russland emigriert, wo er 1941 von Stalin verhaftet wird und kurze Zeit später stirbt."
Dieses traurige Ende mindert aber nicht seine Bedeutung für die Kunstgeschichte. Er war ein hyperaktiver Impresario, der nach Kräften die Idee vom Gesamtkunstwerk förderte und damit die Menschheit von Grund auf erneuern wollte. Dass seine utopischen Erwartungen in die Gräueltaten des Stalinismus mündeten – diese bittere Erfahrung teilte er mit vielen seiner Künstler. Insofern steht Waldens Schicksal exemplarisch für Wohl und Wehe der Klassischen Moderne.
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Markenzeichen einer Epoche - 100 Jahre "Der Sturm", Interview mit der Kuratorin Antje Birthälmer (DKultur, Fazit)
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Die Ausstellung "Der Sturm – Zentrum der Avantgarde" ist vom 13.3. bis zum 10.6.2012 im Von der Heydt-Museum in Wuppertal zu sehen.